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Tafel 319,8
Tafel 318,1
Tafel 318,2
Ein Zwischenfall hatte sich bei den Vorbereitungen zum Feste dadurch ergeben, daß der Bürgermeister-
Stern die Geliebte des Kurprinzen, Emilie Ortlöpp, die spätere Gräfin Reichenbach, durch einen Laternen-
änzünder einladen ließ und der Magistrat diesen Mißgriff durch ein Entschuldigungsschreiben wieder gut machen
mußte} Ernster war die Störung eines Festes, das kurz darauf im Neubau gefeiert wurde. 1822 fand der
Lakai Bechstädt, der auf einem Maskenball den Domino seines Herrn vorübergehend angelegt hatte, infolge
Vergiftung seinen Tod. Auch in seiner erweiterten Form diente das Haus zu Versammlungen kommunaler und
politischer Art. Vorübergehend tagten die Stände im Stadtbau. In den Sturmjahren 1848 bis 1850 erlebte
das Gebäude manche erregt verlaufende Bürgerversammlung. Auch die Zusammenkünfte der Bürgerwehr und
Feuerwehr fanden hier statt. Im allgemeinen aber war das neue Haus zu „Concerten, Bällen und anderen
heitern und ernsten, sinnlichen und geistigen Vergnügungen bestimmt". Zu den Veranstaltungen ernster Art
gehörten die Sitzungen des Kunstvereins und des Vereins für hessische Geschichte und Landeskundeß Ein
Ereignis freudiger Natur, von dem man lange sprach, war das Festessen, das am 18. Oktober 1863 den
Veteranen von 1813 gegeben wurde, wozu der Kurfürst aus dem Hofweinkeller 200 Flaschen Champagner
stiftete. Bis in die letzte Zeit war der Stadtbau der Sammelpunkt der Bürger der Altstadt; er bildete die
Stätte, wo „getrunken, getanzt, geimpft und gewählt" wurde? Die letzte Feier, die in ihm stattfand, der
Abschiedskommers am 31. März 1909, brachte den Teilnehmern in einer vom Rechnungsdirektor Woringer
verfaßten und vom Lehrer Schade erweiterten und gehaltenen Festrede noch einmal ein Bild der mannig-
faltigen Schicksale des zum Abbruche bestimmten Baues} '
Der Erweiterungsbau von 1819 zeigte eine einfache, aber gediegene Architektur. Seinen Hauptraum
bildete der im Obergeschoss gelegene große Saal, ein rechteckiger Raum von 781]: Fuß Länge, 46 Fuß Tiefe
und 23 Fuß Höhe, dessen flache Decke an jeder Längsseite von einer Reihe von fünf freistehenden
jonischen Säulen getragen wurde, denen an der Wand ebenso viele Pilaster entsprachen. Der in der Mitte
der Schmalwand befindliche Eingang war durch eine flache Nische betont. Äußerlich stellte sich der zwei-
geschossige Flügel als Putzbau mit rundbogigen breiten Ladenöffnungen und ebensolchen schmaleren Saalfenstern
dar. Das Erdgeschoß wies eine toskanische Pfeilerstellung auf. Das Obergeschoß wurde durch ein wage-
rechtes Band in Höhe der Fensterkämpfer geteilt. Den Dachfirst krönte in der Mitte ein schlankes quadratisches
Uhrtürmchen mit Eckpilastern und flachem Zeltdach. Die in diesem Dachreiter hängende Glocke stammte vom
Altstädter Rathaus. lm Dachstuhl, der aus Tannenholz hergestellt war und eine bemerkenswerte Bauart gezeigt
haben soll, ist mehrfach das Zimmermannszeichen W. K. festgestellt worden} Um so auffallender muß die
reichliche Verwendung von Eichenholz für untergeordnete Zwecke erscheinen. Es ist festgestellt worden, daß
„die Mehrzahl der Decken in den Nebenräumen des großen Saales nicht ausgestakt, sondern mit Eichenkant-
hölzern von 16118 bis 18122 cm Stärke, anscheinend Fachwerkshölzern älterer Bauten, ausgeklotzt waren.
Vielleicht stammten diese Deckenfüllhölzer von dem abgebrochenen Seitenflügel des Stadtbaues, der senkrecht
zum Hauptbau vor der nordöstlichen Ecke errichtet war und Nebenräume enthielt".6 Wann dieser Seitenflügel,
das ehemalige Schlachthaus, fiel, steht leider nicht fest."
Gleichzeitig mit der Erweiterung des Hauses nahm man auch bauliche Änderungen am alten Bestande
vor. Die in der Flucht des Neubaues liegende Stirnseite des Altbaues wurde durch Aufbau eines Geschosses
auf die Höhe des Neubaues gebracht, mit dem sie unter ein Dach kam. Diese Erhöhung reichte auch über
die Fuldafront bis zum Wehrturm, der bereits früher das alte Dach um ein Geschoß überragt hatte. Durch
Veränderung der Fenster und Verputz der Fronten wurde der Altbauydessen Saal durch eine Zwischendecke-
' Schwarzkopf, Alt-Kassel S. 137.
f Lobe, Wanderungen S. 117.
3 Schwarzkopf, Cassel S. 13.
f Hessenland XXlll S. 104.
5 Stück, Stadtbau S. 247.
' Stück, Stadtbau S. 248
' Schminke, Cassel S. 242, erwähnt 1767 den Seitenflügel noch als „Schirn, worinnen Kuh-, Schweine- und ander Fleisch verkauft wird."
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