Narrenhaus.
Ein besonderes Gefängnis bestand für die Hofdienerschaft. Es galt für die niedere Dienerschaft,
während für die Mitglieder der Hofgesellschaft der Zwehrenturm bestimmt war. 1 Ursprünglich befand es sich
im Landgrafenschloß selbst, bei dessen Neubau es wohl angelegt wurde. 1560 war jedenfalls hier der Gewahrsam,
der den Namen Kottenkammer führte, vorhanden. Denn damals ließ Landgraf Wilhelm in Abwesenheit seines
Vaters die Förster vom Reinhardswalde, weil sie bei einem dort entstandenen Waldbrande nicht rasch genug
zur Hand gewesen waren, einen nach dem andern in die Kottenkammer stecken} Der Aufenthalt in dem
Arrest muß recht unbehaglich gewesen sein. 1580 wird die „Kottenkammer, darinnen das Hofgesinde, so
etwas verbricht, pflegt gelegt zu werden", nicht "nur als ein „Gefängnis", sondern auch ein „Loch" bezeichnet.
1585 ist die Rede davon, daß der in der „Kothen Kammern" eingesperrte Wildschütz Daniel Scheffer sich ge-
weigert habe, die ihm gereichte Nahrung, Häring und trocken Brot, zu nehmen, und daß „auch wider Zu-
versicht niemand zu vermögen, welcher sich in Kothen Kammern einschließen lassen will"?
Später entstand für die Inhaftierung der niederen Hofdienerschaft ein eigenes Haus} das zwar in der
Nähe des Schlosses lag, aber mit diesem nicht in unmittelbarer Verbindung stand. Es trug die Bezeichnung
Narrenhaus oder Narrenburg und hatte seinen Platz an der 1569 erbauten Narrenbrückeß die, an Stelle der
heutigen Löwenbrücke gelegen, von Ausgang im Schloßwall über die Kleine Fulda in die Aue führte und ihren
alten merkwürdigen Namen offenbar vom Narrenhause erhalten hatte. Da die Narrenbrücke als solche 1655
genannt wird} muß das Haus um diese Zeit vorhanden gewesen sein. Sein Aussehen ist nicht bekannt,
wenngleich es auf den älteren Stadtabbildungen an Gebäuden bei der Brücke nicht fehlt}
Gebäude
für
Handel
und
Verkehr.
Kaufhaus.
Wie die hessische Congeriesa und andere Quellen 9 berichten, wurde im Jahre 1421 „das Kaufhaus zu
Cassel uff Verlage gemeiner Stadt gebaut ulf die Freyheit bei dem Thumstift Martinskirche, und ward erstlich
mit Stroh gedeckt". Diese klare Angabe ist Grund genug zu der Annahme, daß der Bau wirklich als Kauf-
haus errichtet wurde, wenn auch die Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, daß das Gebäude an
Stelle eines Rathauses entstand und selbst später in beschränktem Maße Rathauseigenschaften besaßß" Zur
Deckung der Baukosten erborgte sich die Stadt ein Kapital von 150 Goldgulden von dem Vikar der Martins-
kirche, Johann Amelung. Auch in der über diese Anleihe ausgestellten Urkunde vom 23. August 1421 H wird
1 Vgl. Abschnitt „Stadtbefestigung. Zwehrentor" S. 74.
' Brunner, Gefängnisse.
3 Nebelthau, Kollektaneen. Stadtarchiv Cassel H 280.
4 Kopp, Landesverfassung VI S. 87. Brunner, Gefängnisse.
5 Vgl. Abschnitt „Narrenbrücke".
' Merian, Topogr. Hass. Anh. S. 13.
" Neuber, Gefängnißwesen S. 34, gibt an, daß der „sog. HofaArrest oder das Narrenhaus bei der Löwenbriicke" beim Schloß-
brande am 24. November 1811 unter König Jeröme zerstört sei.
' Nebelthau, Congeries S. 337.
9 Dilich, Chronica S. 158. Zeitrechnung 85. Winkelmann, Hessen II S. 287. Schminke, Cassel S. 240. Krieger, Cassel S. 148.
1" Vgl. Abschnitt „Rathaus der Freiheit" S. 463. Nebelthau, Gebäude S. 21 f., nimmt an, daß die Wage am Altmarkt „erst dann
zum Rathhause bestimmt gewesen war, als' das Kauf- oder Tuchhaus die Gewölbe und Marktstände der Wollenweber und Tuchhändler auf-
genommen hatte". Umgekehrt glaubt er, daß „dieses Kauf- oder Tuchhaus von Anfang zum Rathhaus des Breuls und der Freiheit bestimmt
gewesen war. Bei der Vereinigung der drei Städte unter einem Rath, die 1378 stattfand, mag der Bau liegen geblieben sein, und so linden
wir erst im Jahre 1421 die Errichtung des Kaufhauses gemeldet". Vgl. Nebelthau, Denkwürdigkeiten II S. 81 f. Danach Schwarzkopf,
Cassel S. 12 f. Brunner, Rathäuser S. 8: „Will man den verspäteten Bau mit der Bestimmung zum Rathaus in Einklang bringen, so ist
man freilich genötigt, entweder (mit Nebelthau, Gebäude S. 21) anzunehmen, daß er längere Jahre hindurch liegen geblieben sei, oder daß
an der Stelle ursprünglich ein anderes Haus gestanden habe".
" Abschrift. Archiv d. Martinsstiftes Cassel, Akten III 2. Schuld d. Stadt 1421.
Bau- und Kunstdenkmiler im Regierungsbezirk Clssel. VI. Cassel-Sxadr. 74