der Zellen zum Zweck hatte. 1883 wurde das benachbarte Packhofsgrundstückl zu Anstaltszwecken über-
wiesen und dadurch die Möglichkeit geschaffen, den kleinen Spazierhof zu vergrößern, einen Wirtschaftshof, Ge-
schäfts- und Wirtschaftsräume, Keller und Dienstwohnungen für Beamte herzurichten. Am 8. März 1889
brannte das Mansardengeschoß, das die Arbeitsräume enthielt, durch Brandstiftung eines Gefangenen ab. Auch
der erste Stock und das Erdgeschoß wurden soweit geschädigt, daß ein Umbau beschlossen wurde, der eine
Teilung der Zellen und den Einbau einer Treppe an der Nordwestecke bewirkte. An Stelle der Mansarde
entstand ein Satteldach mit Krüppelwalm. Die Umfassungsmauer des alten Packhofes wurde erhöht und der
Zugang zur Anstalt, früher Zuchtberg 2, nach der Straße Vor der Schlagd verlegt. Eine wesentliche Änderung in der
Benutzung des Zuchthauses erfolgte 1919, in welchem Jahre das Gebäude der Stadt vermietet und unter Einbruch
einiger neuer Fenster und Vornahme sonstiger Änderungen zu Wohnungen für Privatleute eingerichtet wurde.
Stockhaus.
Stockhaus am Ehrenpreis.
Zur Inhaftierung der eigentlichen Übeltäter dienten im Mittelalter und auch noch lange nachher feste
Räume öffentlicher Bauten. Insbesondere bildeten die sicheren Gelasse der Festungstürme, und zwar sowohl der
Tortürme als der Mauertürme, die gegebenen Gefängnisse." So nahm der Zwehrenturm die Missetäter besserer
Stände, insbesondere der Hofgesellschaft und des Adels auf. Von allen Türmen scheint er am längsten seine
Eigenschaft als Gewahrsam beibehalten zu haben.' Der Hexenturm verdankt wohl seinen Namen den unglück-
lichen weiblichen Insassen, die als der Zauberei verdächtig eingeliefert waren. Das Gefängnis im Kastenal, das dem
Turm und der Straße an der Einmündungsstelle der Ahna den Namen gab, wird 1626 zum ersten Mal genannt.
Zum Gewahrsam für die schweren Verbrecher, die zu lebenslänglicher Haft verurteilt waren, wurde es 1706 unter
Landgraf Karl bestimmt. Den Schenkelgassenturm richtete man 1686 zum Gewahrsam ein. Der Druselturm,
für den man 1526 ein Seil beschaffte, um die Gefangenen durch das Angstloch ins Verließ hinabzulassen, läßt
sich noch 1772 als Gefängnis nachweisen. In seinen oberen Geschossen sollen sich bis in die Neuzeit die Be-
festigungsvorrichtungen für die Delinquenten erhalten haben! Auch der Hoheturm besaß ein Verließ, das 1560
erwähnt wird. Für dieses mag das Seil bestimmt gewesen sein, das 1506 beschafft wurde? Zu den Gefäng-
nissen für schwere Verbrecher wird auch der Turm des Müllertores gerechnetf der diese Eigenschaft aber nicht
von Anfang an besessen haben kann. Zu den sogenannten privilegierten Gefängnissen hat man den Geistlichen
Arrest der Martinskirche zu rechnen, der sich neben oder über der Sakristei befunden haben soll und für
Pfarrer und Lehrer bestimmt war. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts soll ein durch seine ausgelassenen
Scherze bekannter Pfarrherr seine Strafe darin verbüßt haben. Der Bürgerliche Gehorsam befand sich im Rat-
haus. In dem an der Ecke des Altmarktes und der Marktgasse gelegenen ältesten Rathause hatte er seinen
Platz im „Keller"." Noch 1610 mußte nach einer Stadtrechnung dieses Jahres Bastians Heckers Junge, der
Caspar Seiden Mägdlein vor der Weckeschirn mit einem Korbe in Gesicht geworfen, daß es geblutet, 3 Nächte
„im Keller" sitzen. Im Altstädter Rathausß führte der wohl wesentlich harmlosere Bürgerliche Gehorsam, der
oberirdisch lag, mit einer Latrine versehen war und sogar Fenster nach der Straße besaß, den seltsamen Namen
' Vgl. Abschnitt „Fronh0f" S. 438.
2 Vgl. Abschnitt „Stadtbefestigung". S. '74, 75, 80 u. 82-85. Über Casseler Gefängnisse vgl. auch die Aufzeichnungen des Rechnungs-
rats Wagner, Handschrift Murhardbibliothek Cassel.
' Neuber, Gefängnißwesen S. 86 f: „In neuerer Zeit, besonders unter der Regierung des Kurfürsten Wilhelm ll. wurde in der
zweiten Etage des Thurmes der Hofdienern dictirte Arrest verbüßt, was noch lnschriften von verschiedenen Inhaftirten bezeugen."
4 Neuber, Gefängnißwesen S. 38: „Bei Verlegung der äußeren, den Straßenverkehr sehr beeinträchtigenden Treppe nach innen
zu Ende der sechziger Jahre dieses (des 19.) Jahrhunderts und Vornahme weiterer Arbeiten dortselbst sind die Ringe, Ketten und Eisenstäbe
deren Stärke und Furchtbarkeit älteren Leuten noch wohl im Gedächtnisse ist, entfernt worden."
' Stölzel, Stadtrechnungen S. 128 Nr. 50.
' Piderit, Cassel S. 68. Neuber, Gelängnißwesen S. 40, wo auch noch der Jungfernturm zu den Gefängnissen gezählt wird.
' Vgl. Abschnitt „Rathaus der Altstadt" S. 460.
' Vgl. Abschnitt „Altstädter Rathaus" S. 469.
EEEEZJQEQQQQQQQQQEEEEEQ 577 Qääääägäägäääääääää
Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Vl. Cassel-Sxadl. 73