ihre hakenförmige Einführung auf den Markt erklären. Auch die kleine Fläche und unregelmäßige Gestalt der
an der Essigasse gelegenen Grundstücke, die von den durchgehenden Hofreiten der durchschnittenen Baublocks
abgetrennt wurden, beweisen den späteren Durchbruch der Gasse, die in ihrer Enge früher ebenso wenig wie
jetzt eine Verkehrsstraße war. Nach außen lief die Fliegengasse nicht in einen Strang aus, sondern gabelte
sich in zwei Zweige. Während der westliche Arm, der als Hauptweg den Namen Fliegengasse beibehielt,
außerhalb der Stadt als Landstraße weiterführte, besaß der östliche Arm weder eine unbegrenzte Länge noch
einen unmittelbaren Ausgang ins Freie. Der Name Judengasse erklärt diese Eigentümlichkeiten hier ebenso
wie bei dem gleichgebildeten Straßenzuge Hinter dem Judenbrunnen. Die abseits der Hauptstraße gelegene
Vorsiedelung ist ebenfalls als Judenviertel anzusprechen, das dem andern Judenviertel auch darin ähnelt, daß
es an dem äußeren Ende wiederum eine kleine platzartige Erweiterung' aufweist. Dieses östliche Judenquartier
reichte nicht bis unmittelbar an den Fluß. Den zwischen der Straße und dem Ufer verbleibenden Zwickel
füllte der wichtige Oberste Hof aus.
Als unbewohnter Außenplatz ist der Brink' anzusehen, der vor dem Ausgange der Herrengasse lag,
der Anger der Stadt, der seinen alten Namen" noch heute behauptet, aber sein Wahrzeichen, den Brunnen
vor dem Tore, leider vor einigen Jahren verloren hat. Jenseits des Brinkes lag der Breul, der städtebaulich
so früh auftretende brogilo4, der Weideplatz für das Viehß Vor der Eintrittsstelle der Fulda in die Stadt
breitete sich, von zwei Armen des Flusses eingeschlossen, die Aue aus, die mit ihrem Nordende an den Fuß
der Burg heranreichte. Wo der Fluß die Stadt verließ, erstreckte sich am linken Ufer das Werr oder der
Werders, der den Namen „Der alte Baumgarten" annahm zum Unterschiede vom „Obersten Baumgarten",
der vor dem Zwehrentor entstand, von „Des Landgrafen Baumgarten", der sich auf der Aue entwickelte, und
vom Baumgarten auf dem Forst." Der Werder diente im Mittelalter als Turnierplatz und später zur Vorführung
der lnventionen. Von allen hier abgehaltenen festlichen Veranstaltungen lebte wohl am längsten das 1648
abgebrannte Feuerwerk in der Erinnerung nach. Auch bildete der Werder die Arbeitsstelle der Lohgerber,
die Löwerey, und, wie noch ietzt, die Bleiche der Stadt. Auch diente er zeitweise als Übungsplatz
der Garnison. Der Sandwerder machte, wie Schminckeß 1767 berichtet, „durch den Zufluß der Ahna eine
lnsel aus; durch den neu angelegten Canal aber ist derselbe in zwey Theile getheilt worden." Auf dem Werder
stand im Mittelalter und später das Schützenhaus. Zu Ende des 16. Jahrhunderts begann man den Platz, der
stets städtisches Eigentum gewesen war, zu zerstückeln. Das Nachbargrundstück des Werders bildete die
Salzwiese, die ihren Namen davon erhielt, daß sie als Ausladeplatz des aus den Sooden bei Allendorf nach
Cassel verschifften Salzes wurde. Die bedeutendste Siedelung außerhalb der Stadt war das bereits vor der
Mitte des 12. Jahrhunderts ins Leben gerufene Ahnaberger Kloster, das vor dem nördlichen Erweiterungs-
bezirk der Stadt seine Stelle hatte und als Nachbaranlage die Ahnaberger Mühle besaß} . An der entgegen-
gesetzten Seite der Stadt und weiter abgerückt fand 1297 die kleinere Stiftung des Elisabethhospitals ihren
Platz. Sie bildete den Ersatz des ganz abgelegenen, nach Zwehren vorgeschobenen Ferenspitals, des ersten
Siechenhauses Cassels, in dessen Nähe sich auch die älteste Richtstätte befand. __
Daß der durch die Ahna vom alten Dorf getrennte neue Nordbezirk tatsächlich nicht als eigentliches
Stadtgebiet anzusehen ist, ergibt eine Urkunde des Ahnaberger Klosters vom Jahre 1154", wonach das Gebiet
Tafel 9
1 Stadtplan v. Wessel 1678. Neuber, Plätze.
2 Schmincke, Cassel, S. 94. Neuber, Plätze.
' Grimm, Wörterbuch II, S. 891, wo auf den Casseler Brink besonders hingewiesen wird.
' Grimm, Wörterbuch ll, S. 426. Schmincke, Cassel, S. 95. Brunner, Cassel, S. 1.
5 Engelhard, Erdbeschreibung l, S. 80, nimmt an, daß der Brink ein Überbleibsel des Breuls ist.
' Der Werder.
7 Schmincke, Cassel, S. 88, 80, 408 u. 410.
' Cassel, S. 410. Vgl. Stadtplan bei Schmincke.
' In Cassel u. Wilhelmshoehe, S. 10, wird angenommen, daß auch das Karmeliterkloster außerhalb der Stadt lag.
nicht außerhalb der Stadtmauern, wohl aber nicht auf städtischem Gelände, sondern im Bezirke der Burg.
" Schultze, Klöster, Urk. N0. 2.
Das Kloster lag