Gebäude.
Belang, weil von den beiden Stallflügeln der in der Flucht des Palais' gelegene als „Ecurie deja faite" und der
bis an den Bord der Promenade vorgezogene als „Ecurie qui reste a faire" bezeichnet wird. Tatsächlich hat,
wie die jüngeren Stadtpläne zeigen, nur der eine Flügel auch in Zukunft bestanden. Die Vergrößerung des
Marstalles erfolgte nicht nach der Promenade zu. sondern nach dem Garten hin in unregelmäßig absetzenden,
architektonisch untergeordneten Gebäuden.
Eine kritische Beschreibung des französischen Baues, die unter dem Einfluß der politischen Verhältnisse
einseitig gefärbt erscheint, aber die zeitgenössische Bewertung Jerömdscher Kunstschöpfungen gut wiederspiegelt,
ist aus dem Jahre 1814 überkommen, zu welcher Zeit das Bauwerk zum Teil freilich schon wieder verschwunden
war} „Eine neue Ansicht der Königlichen Residenzstadt gewährten die Marställe an dem obersten Ende der
Bellevuestraße, nach der Au zu und gegen die Frankfurter Landstraße, ohngefähr 200 Schritt lang, mit einer
Reitbahn zwischen zwei Flügeln. Man mochte Cassel früher schon gesehen haben oder nicht, so wurde das
Auge beleidigt von dem monotonischen Anblick dieser großen, langen Steinmassen, die jetzt den allerschönsten
Standpunkt bedeckten, wo eigentlich das Residenzschloß stehen sollte. Wo sonst schattige Wipfel und das
Bosket am Palais von Bellevue zu sehen waren, sah und hörte man jetzt nichts als das Geklirre der Hufeisen,
das Wiehern der Pferde und das Sacre nom de dieu der Stallbedienten. Nebenbei, wo man sich sonst der
reizendsten und mannigfaltigsten Aussicht erfreute, staunte und starrte man in die Feuereßen der Grobschmiede;
so viel Licht und Wärme diese auch verbreiteten, so ward es doch nicht helle genug zu begreifen, wie der
König diesen Platz zu seinen Marställen bestimmen konnte. Auch diese Wahl zeigte von seinem Hange zur
Verschwendung. Freilich reichten die Kurfürstlichen Marställe nicht hin zu der Menge theuer bezahlter Stall-
offizianten und zu 4 bis 500 Pferden, die er in Einem Jahre beisammen hatte, deren Anzahl sich aber nach
Maasgabe seiner Finanzen bald verringerte. Das einem asiatischen Prunk immer noch angemessene Minimum
davon ergibt sich aus dem Prachtdrucke des Catalogue de noms pour les chevaux des ecuries royales, ches
Collignon, imprimeur royal. Nur wer das Terrain kennt, worauf diese Ställe neu erbaut worden sind, kann
sich einen Begriff machen von dem außerordentlichen Kostenaufwand, den das Fundament allein erfordert hat;
ein Kalkberg, dessen Erdreich unter jedem festern Tritt zu weichen droht, verschlang im ersten Anfang schon
einen ganzen Wald von Bauholz zu seiner Befestigung. Indessen war es der Wille des Machthabers so und man
kehrte sich nicht daran, obgleich mit wenigen Kosten anderswo und schicklicher hätte gebaut werden können.
Wie alles französische Machwerk, so stand auch dieses - vielleicht am solidesten von allen - in kurzer Zeit
fix und fertig da. Die innere Einrichtung übertraf wirklich alle Erwartung von außen; es herrschte eine
bewundernswerthe Eintheilung, Bequemlichkeit und Eleganz; was Paris und London im neuesten und kost-
barsten Geschmack liefern konnten, fand man hier an Sattler-Arbeiten aller Art in besonderen Säälen aufgestellt
und keine Bibliothek, kein Naturalienkabinet hat schöner geordnete Fächer aufzuweisen, als einem hier, was
Pferde- und Wagengeschirre, Reitzeuge im Ganzen und Einzelnen, Peitschen, Spornen und Hufeisen, Nägel
und lnstrumente betrift, neu und glänzend in die Augen fielen. Allein auch dieses ist nicht mehr, die Kunst
hat der ursprünglichen schönen Natur auf diesem Platze weichen müssen, schon ist er geebnet und man findet
auch hier das alte Cassel wieder mit der Aussicht und Hoffnung in die Ferne. Kaum sind die paar Jahre
verschwunden, und es kostet schon die Mühe eines Jahrhunderts, die Stelle hier auszuforschen, wo der
Divisions-General Graf Morio als Opfer der Rache eines Marställers fiel; sie war mit einer gegossenen Platte
und einer kurzen Inschrift bezeichnet, bei Niederreißung des linken Flügels der Marställe aber entwendet
worden; der rechte Flügel, auch schon zum Umsturz bestimmt, wird - beibehalten." Für die mißratene
Architektur wird die französische Richtung verantwortlich gemacht, welche die mitarbeitenden deutschen Künstler
nicht recht zu Worte kommen ließ. Nur so wird es erklärt, daß „der zweite Baumeister, Herr Klenze, dem
die Franzosen die solideren Marställe zu verdanken hatten", nichts Besseres schuf. Sonst auch würde „der in
Diensten des ersten Baumeisters Grandjean de Montigny gestandene Rieff sich nicht zu der Portika vor den
Marställen in der Bellevuestraße hergegeben haben." Diese Portika war als Einfassung einer Prachtstraße,
1 Garküche S. 3 f, 27 u. 85.