am 8. Januar dieses verhängnisvollen Jahres brach zur Nachtzeit Feuer aus, das aber rasch gelöscht werden
konnte, wenn auch die Gemächer des Großmarschalls Grafen Wellingerode bedeutenden Schaden davontrugen.
In der Nacht vom 23. zum 24. November indessen entstand ein Brand von den schlimmsten Folgenß Der
Ingenieur und Hofbaumeister Jerömes Grandjean de Montigny hatte aus einem großen Teile des Schlosses die
Öfen entfernen und eine Heizvorrichtung anbringen lassen, deren kupferne Röhren unter den Fußböden her-
liefen. Fehlerhafte Bauart oder Überhitzung der Anlage setzten das Holzweilt im südlichen Flügel in Brand!
Als der Generaldirektor Duviquet, der die öffentliche Badeanstalt bewohnte, zur Brandstätte eilte, standen, wie
er in seinen „Erinnerungen" vermerkt, bereits der Nord- und Ostflügel in Flammen. Nur mit Mühe konnte
der König, dessen Schlafzimmer gleich anfangs vom Feuer ergriffen war, sich retten. Die Löscharbeiten wurden
durch die Kälte, die das Wasser in den Spritzen gefrieren ließ, erschwert. Hinzukam, daß Jeröme aus über-
triebener Ängstlichkeit den Bürgern den Eintritt in das brennende Gebäude verweigerte und zum Löschen und
Retten nur Militär verwandte, das mehr zerstörte, als in Sicherheit brachte. Durch unbedachtes Ablösen eines
Kronleuchters im Goldenen Saal wurden Mannschaften erschlagen und verwundet. Der ruhigen Überlegung
des Generals Allix gelang es, den König von dem Vorhaben abzubringen, eine Batterie auf dem Marställer
Platz auffahren und das Schloß zusammenschießen zu lassen. Als gegen 4 Uhr morgens der Befehl gegeben
wurde, den städtischen Löschmannschaften und den durch die Sturmglocken herbeigerufenen Landleuten den
Zutritt zu den Räumen zu gestatten, war keine rechte Ordnung in die Rettungsarbeiten mehr hineinzubringen.
Der ganze Küchenbau brannte nieder. lm Ganzen soll etwa ein Drittel des Bauwerks gänzlich zerstört worden
sein. Zu den Kostbarkeiten, die zu Grunde gingen, gehört das Bild Philipps des Großmütigen von Lucas
Cranachß Auch die im Schloß aufbewahrten Fahnen der Garde waren mitverbrannt. Die Bücherei wurde
durch Jacob Grimm gerettet, der damals Privatbibliothekar des Königs war! Was noch einigermaßen brauch-
bar war, wurde in das Orangeriegebäude geschafft, wo es Kurfürst Wilhelm l. im Jahre 1816 versteigern ließ.
Ein Wiederaufbau des Schlosses, den namentlich die Königin Katharina wünschte, wurde zwar in
Betracht gezogen, kam aber aus Mangel an Geld nicht zur Ausführung. Auch der Plan, das Museum,
Friedericianum in ein Schloß umzuwandeln oder einen Neubau außerhalb der Stadt vorzunehmen, zerschlug
sich. Ein Betrag von 400000 Franken wurde von der Stadt Cassel als Entschädigung für den Verlust gespendet
und der Baukasse der Stadtkaserne entnommen} Die königliche Familie bezog das Schloß Bellevue. Als dann
Kurfürst Wilhelm l. zurückkehrte, wurde von Neuem die Wiederherstellung des Baues erwogen. Fin zeit-
genössischer Berichts äußert sich sogar dahin, daß es „mit der Herstellung des abgebrannten Flügels seht langsam
gehe", ein Zeichen, daß man mit dem Wiederaufbau wohl schon angefangen hatte. Daß die unversehrten Teile
weiter benutzt wurden, beweist der Umstand, daß 1816 die hessischen Stände einen Saal zu ihren Sitzungen über-
wiesen bekamen." Allein schließlich wurde der Wiederaufbau endgültig fallen gelassen. Der Kurfürst ließ
1816 die Trümmer beseitigens und legte 1820 den Grundstein zu der unvollendet gebliebenen Chattenburg,
deren Platz jetzt das Regierungs- und Justizgebäude einnimmt.
Von der lnnenaustattung des Landgrafenschlosses scheinen einige Stücke - Möbel, Bilder, Gobelins und
Ledertapeten - in der Löwenburg und im Schloß zu Wilhelmshöhe sich zu befinden} Die besten Gemälde
1 Masson, Souvenirs. Blumenthal, Lebenserinnerungen. Regentenhaus S. 76 H. Müller, Denkwürdigkeiten S. 89 ff. Piderit, Cassel
S. 341. Heidelbach, Landgrafenschloß. Heidelbach, Schloßbrand. Grebe, in Casseler Tagebl. u. Anz. v. 24. Nov. 1911 No. 522.
I ' Schwarzkopf, Alt-Kassel S. 149 f., nimmt an, daß der Brand im Fuldaflügel ausbrach.
' Kleinschmidt, Westfalen S. 458 f.
' Stengel, Briefe S. 96 ff.
' Vgl. Abschnitt "Stadtkaserne". Über die Höhe der Summe vgl. Kleinschmidt, Westfalen S. 460 und Eisentraut, Kaserne S. 117f.
' Mitwelt III S. 25.
7 Vortrag des Majors v. Löwenstein. Handschr. Landesbibliothek Cassel.
' Über den Abbruch vgl. Abschnitt „Chattenburg." Die in der Futtermauer des Straßeneinschnittes der Frankfurter Straße in der Gegend des
ehemaligen Frankfurter Tore: vermauerten Verblendsteine, die zum Teil Marken in Form kleiner Kreuze zeigen, sollen mündlicher Überlieferung zufolge
aus dem Abbruch des Landgrafenschlosses herrühren. Die Annahme ist nicht wahrscheinlich, da die Futtermauer bereits1802 entstand. Vgl. S. 127.
' Von einer Inventarisation und photographischen Aufnahme der Stücke mußte abgesehen werden, da die Erlaubnis hierzu nicht
erteilt wurde.