Kunigundeß Ob der Herrenhof später der Kaiserin als Witwensitz dienen oder sie für den Verlust Bambergs
entschädigen sollte, ist nicht zu ersehen. Anzunehmen ist, daß mit der Schenkung der häufigere Aufenthalt
Kunigundens in Hessen in Zusammenhang steht, die nachweislich des öfteren Kaufungen, die benachbarte
Pfalz an der Losse, besuchte, auf der auch Heinrich wiederholt Hof hielt. Der Chronist Thietmar von Merseburg
spricht klar von einer Verlegung der Pfalz von Cassel nach Kaufungen. Zum Jahre 1015 gedenkt der Bischof,
der genau unterrichtet war, da er kurz zuvor in seiner Residenz Merseburg den Kaiser noch gesehen haben
muß, dieses Wechsels als einer vollzogenen Tatsache! Die Verwandlung des Königshofes Kaufungen in eine
Reichsabtei für Benediktinerinnen durch das fromme Kaiserpaar im Jahre 1017 und die reiche Begabung der
geistlichen Anstalt läßt annehmen, daß auch der Königshof Cassel an das Kloster kam, in das die Kaiserin
nach ihres Gatten Tode selbst als Nonne eintratß Hiermit wird die Tatsache zusammenhängen, daß der
Königshof an der Fulda aus der Geschichte verschwindet.
Auch als Zubehör von Kaufungen verblaßt der seiner Pfalzeigenschaft entkleidete Hof Cassel auffallend
schnell. 1040 muß die Erinnerung einer Zugehörigkeit Cassels zu Kaufungen noch wach gewesen sein, was bei
der Kürze der verflossenen Zeit sich von selbst erklärt. In einer Urkunde vom 27. Juli dieses Jahres, durch
die das Kloster gegen Aufhebung des sogen. Hessenzehnten auf seinen Gütern dem Erzbischof Bardo von
Mainz den Klosterbesitz in vier Dörfern übergibt, ist die Rede davon, daß „die gesamte grundhörige Bevölkerung
von Kloster Kaufungen, richtiger, um über ältere Verhältnisse zu reden, von Cassel lange Widerstand geleistet
habe".4 Als 1086 Heinrich lV. die Abtei Kaufungen mit allem Zubehör an Speyer verschenkt," findet sich
Cassel nicht besonders genannt, was vielleicht nichts Auffallendes hat, da auch die übrigen Besitzungen des
Klosters im Einzelnen nicht aufgeführt werden. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts indessen kann Cassel auf
keinen Fall mehr Besitz von Kaufungen gewesen sein, denn, als um 1150 Heinrich Raspe, Graf von Hessen,
das Kloster Ahnaberg gründete, ist von einer Auseinandersetzung mit Kaufungen nichts festzustellen, obwohl
der neue Konvent das Patronat über die älteste Casseler Kirche erhielt. Auch später erhebt Kaufungen keinerlei
Ansprüche an Cassel, die sich auf den Besitz der curtis gründen. Was das ehemalige Reichsstift in der
Folgezeit noch an Eigentum in der Gemarkung Cassel aufzuweisen hat, ist so unbedeutend, daß man es als
Rest eines Königshofes nicht mehr ansprechen kann. Als Bestätigung darf man es nehmen, daß 1229, als
Papst Gregor den Kaufunger Besitz aufzählt, von einem so wichtigen Besitztum wie Cassel nicht die Rede ist};
Wann die endgültige Loslösung des Königshofes Cassel von Kaufungen stattfand, ist nicht klar zu
ersehen. Bedenkt man aber, daß die Glanztage der Abtei vorbei waren, als Heinrich aus dem Leben schied,
so wird man in der Annahme nicht irren, daß bald nach des Kaisers Tode sich die Beziehungen lösten.
l Vgl. Bd. lV S. 126 f. Roques, Urkundenbuch, Urk. No. 4 v. 24. Mai 1008: „Noscat omnium fidelium nostrorum praesentium
scilicet ac futurorum industria, qualiter nos interventu atque peticione dilectissimae coniugis nostrae Cunigundae videlicet regine sibi quandam
nostre proprietatis cortem Cassellam dictam, sitam in pago Hessia in comitatu vero Friderici comitis, cum omnibus eius pertinentiis et
appenditiis . . . largimur et de nostro jure ac dominio in eius jus et dominium omnino transfundimus ea videlicet ratione, ut praescripta
Cunigunda dilectissima contectalis nostra de praenominata corte eiusque pertinentiis ac utilitatibus de hinc liberam habeat potestatem
habendi . . ." Roques, Urkundenbuch, Urk. N0. 766b n. 24. Dez. 1527: „Ein briff meldet uber einen freien hoff gelegen zu Cassel geben von
keyser Heinrichen. Anno 1008". Vgl. Nebelthau, Congeries S. 314 f.
' Thietmar, Chronicon Vlll 13 (Vll 8): „ . . . imperator . . . rogationum dies in Capungun fuit, quo ipse curtem suam de
civitate Cassalun di_cta transtulit". Vgl. Hirsch, Jahrbücher lll S. 73 f. Weitzel, Kaiserpfalzen S. 110, nimmt irrtümlich das Bestehen einer
Pfalz Kaufungen bereits unter Heinrich l. an. ' ,
' Hirsch, Jahrbücher lll S. 77, nimmt an, daß auch die Stadt Cassel in den Besitz der Nonnen kam. „Die Perle aller seiner
Besitzungen, jenes ihm wie im Angesicht liegende Cassel, das schon zu der Bedeutung einer Stadt emporkam, erhielt es (das Kloster) erst
nach Heinrichs Tode, da Kunigunde bei ihrem Eintritt in das Kloster nun um so eher ihr Wittum dem Altar darbringen konnte". Es
handelte bei der Schenkung sich nur um die curtis nicht um die civitas Cassella.
4 Roques, Urkundenbuch, Urk. No. 17: „ . . . omnis Cophungensis coenobii, immo, ut de antiquioribus loquamur, Cassellensis
diu restitit familia . . ." Brunner, Curtis Cassela S. 411 f., bezieht Cassellensis nicht auf familia, sondern auf coenobii und schließt hieraus,
daß der Benediktinerinnenkonvent sich zunächst in Cassel befand, von wo er nach dem geschützten Kaufungen verlegt sei. Vgl. Bd. IV
S. 126 f. ' '
' Roques, Urkundenbuch, Urk. No. 19.
' Roques, Urkundenbuch, Urk. No. 41.
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