zweites Gotteshaus vorhanden war, soweit im Stande gewesen sein, daß er für gottesdienstliche Zwecke benutzt
werden konnte, denn der geistliche Wanderer erwirkte sich vom Ortspriester die Erlaubnis, in der alten Kirche
die Messe zu lesen. Wie lange der Bau, der vermutlich die Stelle einer heidnischen Opferstätte ein-
nahm, noch bestand, ist unbekannt. Der unstäte Schwabe, den es auf seiner letzten, unter ganz ähnlichen
Umständen aufgesuchten Station Kirchberg ebenfalls nicht lange geduldet hatte, verließ bald den alten Kultplatz
am Fuße des Habichtswaldes, um auf Umwegen den Hasunger Berg zu gewinnen, wo er 1019 als Einsiedler
starb. Vermutlich ging das Kirchlein, das anscheinend mit Pfarrechten nicht mehr ausgestattet war, nicht allzu
lange darauf ein. Jedenfalls lassen sich seine Spuren nicht weiter verfolgen.
Für die Beurteilung des Aussehens des Kultbaues fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Platz des Heiligtums
wird im alten Teil des ehemaligen Dorfes zu suchen sein, dort wo der frühere Kirchhof sich befand, in dessen
Nähe die ältesten Häuser standen und eine ietzt versiegte Quelle sprang. Dieser Born, dessen Fassung man
in letzter Zeit leider vollständig zerstört hat, scheint lange die Erinnerung an die letzten heidnischen und ersten
christlichen Zeiten wach gehalten zu haben. Er galt mit Recht als einziger Rest und sicheres Kennzeichen
der alten Siedelung, die er ins Leben gerufen hatte. „Die Stelle, an welcher die ersten Hütten zu stehen
kamen, war schon bezeichnet durch die mächtig aus dem Kalkfelsen hervorbrechende Quelle von ausgezeichneter
Klarheit und Frische. Daß in christlicher Zeit hier ein Mittelpunkt kirchlichen Lebens war, ist gewiß. Und
wiederum war sicherlich die Quelle bestimmend für die Anlage kirchlicher Gebäude, denn unmittelbar über
derselben befindet sich der Totenhof, welcher bis zum Jahre 1833 den Gestorbenen des ganzen Kirchspieles
seit unvordenklicher Zeit die letzte Ruhestätte bot!"
Erwartungen, die man an Ausgrabungen bei Gelegenheit der Fundierung der 1912 auf dem alten
Totenhofe errichteten Schule knüpfte, gingen nicht in Erfüllung. Außer Skeletten wurde nichts gefunden, das
auf die Nachbarschaft einer Kirche schließen ließ.
Neue
Kirche.
Es kann nicht zweifelhaft sein, daß auch die bereits genannte zweite Kirche des Ortes," die sich auf
alten Flurkarten noch verzeichnet findet, auf dem ehemaligen Friedhof ihren Platz hatte. Eine ältere Notizß
bezeichnet die Stelle genauer „am westlichen Rande des alten Totenhofes, dem Pfarrhof gegenüber". Wann
das Gotteshaus, das zu Haimerads Zeit wohl schon lange in Gebrauch war, entstand, ist nicht überliefert. Den
Grund zu seiner Erbauung hatte offenbar die Unzulänglichkeit der alten Kapelle, wohl einer kleinen Saalanlage
gegeben, die, wie erwähnt, nach Errichtung der größeren Kirche noch bestehen blieb. Daß dieser zweite Bau
als Ersatz des alten Kirchleins gedacht war, ergibt der Umstand, daß er mit Taufgerechtigkeit ausgestattet war.
Daß der neue Bau den alten tatsächlich an Größe übertraf, darf daraus geschlossen werden, dass neben dem
Hauptgeistlichen noch ein Vikar an ihm bestellt war} Es steht außer Frage, daß auch das jüngere Gotteshaus
in kirchengeschichtlicher und kirchenrechtlicher Beziehung für die Gegend eine erhöhte Bedeutung besaß. Als
Ersatzbau des alten Heiligtums bildete es den geistlichen Mittelpunkt einer Urpfarrei. Darauf deutet nicht nur
der Ausdruck ecclesia baptismalis, sondern auch der Umstand, daß ein Vikar vorhanden war und daß der
Hauptgeistliche selbständig über die alte Kirche verfügt, also als unabhängig von einem Stift erscheint. Nimmt
man an, daß die erste Kirche in die merovingische Zeit hinaufreicht, so hat man Grund zu folgern, daß die
zweite in karolingischer Zeit entstand, als die kirchlichen Bedürfnisse stärker geworden waren. Daß die Kirche
des benachbarten Kastells an der Fulda in den Sprengel von Kirchditmold, der zweifellos groß war, nicht
hineingehörte, ist oben gesagt?
' Kompetenz der Pfarrei. Handschrift Pfarrarchiv Kirchditmold.
' Landau, Kurf. Hessen. S. 163.
' Kompetenz der Pfarrei. Handschrift Pfarrarchiv Kirchditmold.
' Eckebert, Vita Haimeradi S. 601.
5 Vgl. S. 3 u. 4.