Full text: Kreis Cassel-Stadt : Text, Teil 1 (6)

IOTC. 
Die Torel in der Stadtmauer des Landgrafen Friedrich ll. waren ziemlich gleichartig ausgebildet. Sie 
bestanden aus hohen Gittertüren zwischen kräftigen Steinpfeilern. Die einfachere Form bildeten die Pforten, 
die bündig in der Mauer saßen. Waren Torhäuser vorhanden, so standen sie vor der platten Mauer. Bei der 
reicheren Art war die Mauer als rechteckiger Vorhof verkröpft und an der Ausmündungsstelle in zwei Viertel- 
kreisen vorgezogen. In diesem Falle hatte das einstöckige Wachthaus in der einen Ecke des Vorhofes seinen 
Platz, während den andern Winkel zumeist ein zweites, gleichfalls eingeschossiges Häuschen mit der Amtsstube 
und Wohnung des Torschreibers füllte, der die ein- und ausgehenden Personen zu vernehmen hatte, deren 
Namen dann in der Polizeizeitung veröffentlicht wurden. Die Wachthäuser standen auf breiten, meist an der 
Vorderkante ausgebauchten Podesten mit Gewehrständen. Vor jedem Haupttor befand sich ein hölzernes 
Sperrwerk, ein Schlagbaum, um Fuhrwerke und Reiter zum Anhalten zu zwingen. Die Mehrzahl der Tore 
entstand unter Friedrich ll., unter dem auch die neuen Bezeichnungen der Tore festgelegt wurden 9. Von 
Kurfürst Wilhelm l. rühren das neue Hohe Tor und das neue Frankfurter Tor mit dem zugehörigen Fürsten- 
tor sowie das Karlshafer und das Wilhelmshöher Tor her. Wilhelm ll. legte 1826 der Stadt die Verpflichtung 
auf, sämtliche Wachthäuser und Tore mit Ausnahme des Wilhelmshöher Tores, dessen Bau der Kurfürst sich 
vorbehielt, und des Friedrichstores im Geschmack der zu Frankfurt a. M. und Naumburg a. d. S. befind- 
lichen Tore neu zu erbauen, wogegen der Stadt die alten Wachthäuser als Eigentum zum Abbruch über- 
wiesen wurden. ' 
Den Zustand zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschreibt Kriegera: „lm Umfange seiner Ringmauern 
hatte Cassel neun eigentliche Hauptthore und einige andere, welche entweder immer geschlossen bleiben, oder 
nur bey besonderen Gelegenheiten geöffnet werden. Zu diesen letzteren gehören das Carlsthor, das Wilhelms- 
thor und das Fürstenthor, die beiden Thore zu dem Altstädter- und Garnisonstodtenhofe, so wie einige andere 
Ausgänge, welche blos zu den benachbarten Gärten und Feldern führen und die Pforte zwischen dem Friedrichs- 
und SchlolÄthore am Paradeplatz". Die Sperrung der Toref, die nach einer besonderen Ordnung erfolgte, 
richtete sich nach der Zu- und Abnahme der Tage. „Ueberdem bleiben an Sonn- und Feyertagen die Thore 
bis Nachmittags um 3 Uhr geschlossen. Aber auch nach bereits eingetretener Sperrung wird jedermann Einlaß 
gegen Erlegung des festgesetzten Sperrgeldes verstattet. Dieses beträgt für jeden Fußgänger sechs Heller, für 
jedes Pferd aber zwey Albus. Auch bey entstehendem Feuerlärm werden die Stadtthore sogleich geschlossen, 
und zwar jedem ungehinderter freyer Einlaß, aber niemanden, so lange der Brand dauert, der Ausgang verstattet." 
Der Abbruch der Tore erfolgte zumeist 1866, nicht ohne daß aus den Kreisen der Kunst: und Altertumsfreunde 
öffentlich Verwahrung eingelegt und besonders der Untergang des Weißensteiner Tores bedauert wurde 5. lm All- 
gemeinen jedoch entsprach die Niederlegung der Tore einem Wunsche der städtischen Körperschaften, die beim Kur- 
fürsten vergebens wegen Beseitigung der „Verkehrshindernisse" vorstellig geworden waren und bei der neuen 
preußischen Regierung mehr Entgegenkommen fanden. Als erstes flel das Holländische Tor; ihm folgten in kurzer 
Reihenfolge die meisten anderen, so daß in wenigen Monaten fast sämtliche Tore, bis auf das Friedrichs- 
l Engelhard, Erdbeschreibung I, S. 59 f. Apell, Cassel, S. 3. Cassel u. Wilhelmshoehe, S. 18 f. Nebelthau, Denkwürdigkeiten ll, 
S. 60 f. Piderit, Cassel, S. 294 f. Bähr, Deutsche Stadt, S. 87. Narten, Cassel, S. 263 f. Jacobi, Hugenotten. Neuber, Tore. Schmidtmann, 
Erinnerungsbilder, S. 18 f. 
' Die Casselische Policey- und Commercien-Zeitung vom 4. und 18. September 1769 brachte die amtliche Bekanntmachung, daß 
„hinlüro die Malienbahn - das Friedrichsthor, das Schloß-Auethor - das Fuldathor, das Untemeustädterthor - das Leipzigerthor, das 
Ahnabergerthor - das Weserthor, das Möllerthor -- das Holländischethor, statt dem Neuenthor - das Cöllnischethor, statt dem Wel- 
heyderschlag - das Wilhelmsthor, sodann das Weißensteinerthor - das Königsthor, das Carlsthor, und endlich das Weinbergerthor - das 
Frankfurterthor genannt werden soll". Vgl. Losch, Chroniken. S. 133. 
' Cassel, S. 72. l 
4 Vgl. auch Schmincke, Cassel, S. 88, bezügl. der Tore der Altstadt. 
5 Casseler Tagespost 1866, N0. 1470, 1489 u. 1566. 
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