Full text: Kreis Cassel-Stadt : Text, Teil 1 (6)

 
Die vor dem Frankfurter Tor gelegene, den Handwerksburschen wohlbekannte Schenke „Zum letzten 
Heller" zeigt noch heute ihr schlichtes Gewand. 
Ein Gelände für sich bildete die von den beiden Fuldaarmen eingeschlossene Aue, die nach den 
bedeutenden Anlagen des Landgrafen Karl den Namen Karlsaue annahm. In landschaftlichem Zusammen- 
hange mit diesem ausgedehnten Fürstenpark stand die kleine Schloßanlage des Prinzen Maximilian am Fuße 
des Weinberges und die Herrschaftliche Meierei an der Frankfurter Straße. 
Neuere Viertel. 
Tafel 14.1 
Tafel 17,1 
Einen weitgreifenden Plan, Cassel zu vergrößern, hatte bereits um 1768 S. L. du Ry aufgestellt} Die 
Erweiterung war an der Südwest- und Nordwestseite der Oberneustadt gedacht. Die Aufteilung des Geländes sollte 
durch rechteckige Baublocks erfolgen. Die neuen Straßen sind zumeist als Verlängerung der bereits vorhandenen 
entworfen. lm Südwestviertel erscheint im Zuge der Karlsstraße ein ovaler Platz, der Frankfurter Platz, angeordnet. 
lm Nordwestteil finden sich zwei quadratische Plätze, von denen der südliche, der Juden-Platz, von den 
„vor die Judenschafft destinirten Quartieren" umgeben ist. Die Grenzlinie, der die Stadtmauer folgt, zeigt 
den Linienzug eines regelmäßigen Vielecks. Unterbrochen wird der Bering durch einen achteckigen Platz, 
den Henrichs-Platz, durch zwei kreisförmige Plätze, den Weißensteiner und den Cöllnischen Platz, und durch 
einen fünfseitigen Platz, der einer besonderen Bezeichnung entbehrt und, am Südende der Königsstraße gelegen 
offenbar als Gegenstück zum Königsplatz gedacht war. Ein noch umfangreicherer Erweiterungsplan der Stadt 
entstand in Westfälischer Zeit." Der 1812 von Eberhard aufgestellte Entwurf 3 sieht eine Vergrößerung des 
gesamten Stadtgebietes um mehr als das Doppelte der bisherigen Grundfläche vor. Das westliche Vorgelände 
sollte durch fünf Längsstraßen und dreizehn Querstraßen in rechteckige l-läuserblocks aufgeteilt werden. Die 
Mitte der neuen Stadtteile nimmt ein Platz mit Denkmal ein, die place Jeröme, eine rechteckige Grundriß- 
anlage, genau in der Achse des Friedrichsplatzes gelegen, nicht ganz so lang, aber breiter als dieser. Kleinere 
Plätze mit öffentlichen Gebäuden sind symmetrisch verteilt. Die Eglise catholique und die Academies sollten im 
südlichen, der Marche und das Hotel de ville et des tribuneaux im nördlichen Teile der Stadterweiterung Platz 
finden. Breite Alleen mit halbkreisförmigen Ausbuchtungen an den Auslaufstellen der Hauptstraßen umziehen 
die Außenseiten. Bei aller Großzügigkeit zeigt der Plan die wenig glückliche Anordnung von Diagonalstraßen, 
welche die Häuserblocks im spitzen Winkel schneiden. 
Diese Schwäche der spitzwinkligen Straßenführung hängt mit der Rücksichtnahme auf einen Wegezug zu- 
sammen, der, von außen an die Stadt herangelegt, sich nur schlecht mit dem System der Oberneustadt vertrug. 
Schon 17674 hatte Landgraf Friedrich ll. Schloß Weißenstein, die jetzige Wilhelmshöhe, mit Cassel durch eine Allee 
von Linden verbinden lassen, die von der Esplanade und den damals abgetragenen Wällen dorthin versetzt waren." 
Da die Allee, die bei dem am Gens d'armes-Platz befindlichen WeißensteinerlTor einlief und den Namen Weißen- 
steiner Allee führte, einen Knick besaß, begann man 1776 sie zu begradigen' und am Südende der Königsstraße, 
wo das Königstor lag, einzuführen. Seit 1778 durfte die Allee bebaut werden, so daß, gefördert durch Unter- 
stützungen des Landgrafen, bald die Weißensteiner Vorstadt entstand, die ihren eigenen Bürgermeister und 
Rechte mit der Casseler Oberneustadt besaß." Dieser völlig geradlinige Fürstenweg, die neue Weißensteiner 
Allee, deren stattliche Baumreihen 1907 leider abgeholzt wurden, gab die Richtung an für die neuen Straßen, 
l Stadtplan v. du Ry (Erweiterung) 1768. 
' Über Jerömes Bauabsichten in der Altstadt vgl. Garltüche, S. 15 f. 
' Stadtplan v. Eberhard 1812. 
f Nach Engelhard, Erdbeschreibung l, S. 167, und Losch, Chronilren, S. 182, erfolgte die Anlage der Allee 1768. 
" Gottsched, ErweiterungyS. 5 Anm. 
' Nach Engelhard, Erdbeschreibung l, S. 60, wurde mit der Begradigung der Allee „in 1777 der Anfang gemacht." 
' Losch, Chroniken, S. 145. Heidelbach, Wilhelmshöhe, S. 200. 

	        
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