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Es ist keine Frage, daß das Hauptverdienst an dem Zustandekommen des klaren zweckmäßigen
Stadtplans Paul du Ry zukommt, der auch die Ausführung bis zum Todesjahre 1714 verfolgen konnte. Pauls
Sohn Charles hat im Wesentlichen nur den Bau der Karlsstraße bis unterhalb des Meßplatzes und der Königs-
straße bis zur Wilhelmsstraße fortgesetzt} Zu den größeren von ihm errichteten Bauten gehört die ehemalige
Münze, das spätere Militärkasino, an der Ecke der Karls- und Wilhelmsstraße, sowie das Wohnhaus des
Fabrikanten Landre, das jetzige lntendanturgebäude, an der Königsstraße. Sein eigenes Wohnhaus baute der
Künstler oberhalb der Münze, Karlsstraße No. 9. Die Aufgabe, den Bau der Häuserblocks zu Ende zu führen
und das schwierigere Problem, die Oberneustadt mit der Altstadt zu verbinden, fiel Charles Sohn Simon Louis
zu. Seine ersten Arbeiten waren die Entwürfe zu-den oben erwähnten öffentlichen Gebäuden am Meßplatz,
zum Meßhaus 1763, zum Hospital 1769 und zum Rathaus 1770. lm Jahre 1775 war die Schleifung der Festungs-
werke der Altstadt im Wesentlichen beendet und damit die Notwendigkeit gegeben, die Esplanade platzmäßig
umzugestalten. Bis dahin bestand sie, wie Schmincke 1767 berichteü, „aus drey grossen Alleen, davon die mittelste
hauptsächlich zum Spazieren gebraucht wird. Derjenige Theil, welcher längst der Ober-Neustadt lieget, war
mit Linden, der aber, so von da bis an das Neuethor stösset, mit Kastanienbäumen besetzt. Dieselben wurden
1762 sämmtlich von den Franzosen in der zwoten Belagerung abgehauen; im folgenden Jahre aber auf Sr.
Durchlaucht des Herrn Landgrafen Befehl von neuem mit lauter Lindenbäumen wieder bepflanzt. Die Alleen
selbst sind durch grosse Rasenplätze unterschieden und haben ihre denen Straßen der Oberneustadt gerade
gegenüber liegende Abschnitte, allwo verschiedene steinerne Ruhebänke vorhanden sind." Auch der Anschluß
der Königsstraße an den Westteil der Altstadt mußte hergestellt werden. Entwürfe waren schon früher aufgestellt
worden. Ein Plan vom Jahre 17673 zeigt die Absicht, die Esplanade als rechteckigen Platz auszubilden, der
seiner Länge nach von der Königsstraße bis zur Frankfurter Straße reichen und hier durch ein Häuserquartier
abgeschlossen werden sollte. Die Königsstraße erscheint jenseits des Platzes über zwei neue Häuserblocks
verlängert, ohne daß ein eigentlicher Anschluß an die Straßen der Altstadt versucht wäre. Der Plan ist als
die bescheidenere Fassung eines Entwurfes anzusehen, der nicht nur die Esplanade reicher ausgestalten wollte,
sondern auch einen zweiten noch großartigeren Platz an der Nordwestseite der neuen Stadt vorsah} Die
Esplanade, als grande place d'arme pour la parade bezeichnet, sollte an der neuen Längsseite das neue hötel
de ville und ein Corps de Garde, an den Schmalseiten in nischenförmigen Einbuchtungen der Häuserfronten
ein Reiterstandbild und einen Springbrunnen erhalten. Als Abschluß des zweiten Platzes war ein Prachtschloß
mit Ehrenhof und als seitliche Einfassungen Marställe und Kasernen vorgesehen. Weder der eine noch der
andere Vorschlag kam zur Ausführung. Die Esplanade, der jetzige Friedrichsplatz, wurde vielmehr in
einer Länge von 1000 Fuß bis zur Aueböschung vorgezogen und das Kopfende der Königsstraße durch einen
runden Platz von 556 Fuß Durchmesser, den Königsplatz, abgeschlossen, in dessen Ring der Architekt die
neuen und die alten Straßen durch sechs gleichmäßig verteilte Mündungen strahlenförmig einführte. Die Ver-
bindung des südöstlichen Straßenzuges der Neustadt, der Bellevue, mit der Altstadt erzielte du Ry 1763 durch
die Umgestaltung der Rennbahn, auf deren Vorgelände nach dem Schloß zu er noch den Paradeplatz schuf!
Ein weiterer kleinerer Platz, der Opernplatz, entstand an der Nordwestseite des Friedrichsplatzes jenseits
der Königsstraße im Anschluß an das 1765 in ein Opernhaus umgewandelte Palais des Prinzen Maximilian. Jenseits
des Königsplatzes lief die Königsstraße noch ein geringes Stück geradlinig weiter. Geradlinig auch wurden die
beiden mittleren Längsstraßen der Neustadt über den F riedrichsplatz hinaus fortgeführt, so zwar, daß die eine,
die Frankfurter Straße, in die Oberste Gasse einlief und die andere, die zeitweise als Ludwigsstraße
bezeichnete jetzige Untere Karlsstraße, am jEnde mittels eines durch eine kleine halbkreisförmige Aus-
buchtung elegant ausgeglichenen Knickes in den Königsplatz einlenkte." Mit der bereits 1766 in Angriff
' Jacobi, Hugenotten. ' Cassel, S. 294. Vgl. Losch, Chronilren, S. 128 u. 125.
' Projet de jonction des Villes vielle et neuve de Cassel, le 16 me Decembre 1767. Handzeichnug, Staatsarchiv Marburg.
' Stadtplan v. de Paige u. Dumont um 1760. ' Neuber, Plätze.
_ ' Nach Gerland. Du Ry, S. 95, erfolgte die platzartige Ausrundung der Unteren Karlsstraße, die im Mittelpunkte einen Brunnen
erhielt, im Jahre 1769.