Die Westvorhalle.
Ob die der Turmfront der Stiftskirche aus bis jetzt noch unaufgeklärtem Grundel nicht in der
ganzen Breite dieser Westseite vorgelegte Halle die vor 1253 begonnene Elisabethkapelle („opus seu structura
Sct. Elizabet" oder „Sent Elisabethenwerk", wie sie in Urkunden" genannt wird) ist. was neuerdings Beissel
nachzuweisen versucht hat ß oder ob die von älteren Schriftstellern geäußerte Ansicht, daß sie der als
„atrium" in ältester Zeit erwähnte Raum westlich vor der Peterskirche sei, mehr für sich hat, kann als eine
für das lnventar gleichgültige Frage unerörtert bleiben. Es steht nur fest, daß dieser Vorbau kirchlichen
Zwecken gedient hat und seit dem 17. bis ins 19. Jahrhundert die Bonifatiuskapelle genannt wurde!"
Wäre dieser Name nicht urkundlich, so würde die Vorhalle einfach als „Paradies" zu bezeichnen sein. Das
reiche Portal zeigt starke Ähnlichkeit mit dem in den nördlichen Kreuzarm des Mainzer Domes versetzten,
vor 1236 entstandenen Portal der dortigen, jetzt profanierten Heilig-Geist-Kirche, allein dies zwingt noch
nicht zu der Annahme, daß die Fritzlarer Vorhalle genau gleichalterig sei; die Datierung um 1250 wird wohl
das Richtige treffen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird indessen schon vorher eine Vorhalle vorhanden ge-
wesen sein, welche 1232 zerstört wurde und von der in der Südwand der jetzigen Reste zu finden sindn"
Die Vorhalle ist ein überwölbter Raum von 14,19 m Länge und 8,20 m Tiefeß Ihre acht durch recht-
winklige Spitgbogengdrte getrennten rippenlosen Kreuzgewölbe ruhen auf drei Mittelpfeilern von quadratischer Grundform, an
welche sich vier starke Halbsäulen anlehnen, und auf starken W andpfeilern mit eingeblendeten Ecksäulchen. Die Kapitale aller
dieser Pfeiler sind in verschiedenartigster Weise sehr reich vergiert, teils in Form gotischer Knospenlrapitäle, teils mit
romanischem Blatt- und Rankenwerk, teils mit phantastischen Menschen- und Tierbildungen. Die Gewölbe sind, obgleich
ohne Rippen, doch sämmtlich mit Schlnßsfeinen versehen, meist nach romanischen Motiven gebildet, andere in einfacher
Blumenform, {wei in Gestalt von Köpfen." Der Schlußstein des südöstlichsten Feldes ist als Hängezapfen in An-
lehnung an Kapitälformen gebildet. Die rundbogigen Fenster werden außen von reichen spitgbogigen Gliederungen,
welche auf eingeblendeten und eingesetgten Säulen ruhen, umgeben. Die Fenster werden durch {wei Rundsäulen mit Knospen-
kapitälen, welche durch Spitgbogen unter sich und mit den Gewänden verbunden sind, eingeteilt. Diese Spitgrbogen sind
in eine das halblereisförmige Bogenfeld ausfüllende Platte mit eingeblendetem Kleeblattbogen und Reliefvergierungen ein-
geschnitten. Nur eins dieser Fenster an der Nordseite ist in dieser Anordnung noch vollständig erhalten. Die Details
der übrigen Fenster sind größtenteils erneuertß Das Fenster südlich vom Portal ist schmäler als die andern
und nur durch eine Säule geteilt. Das rundbogige Portal wird von rundbogigen Gliederungen äußerlich umgeben,
welche aber erheblich höher liegen als der Portalbogen, dessen glatte Stirn daher innerhalb dieser Gliederungen in Form
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1 Daßi der Weg zu einer verschwundenen Kapelle, wie Weber (Fr.-A., S. 7) annimmt, freigehalten werden sollte,
ist nicht zu erweisen; wichtiger und notwendiger war es, einen Fahrweg zur „Stiftskelterf dem unmittelbar an den Dom an-
stoßenden Keller im Stiftsgebäude, zu haben.
2 Z. B. im Testament des Propstes Leopold v. Hanstein aus dem Jahre 1315 und in dem des Dekans Johannes
Kirchain vom 31. März 1463.
3 St. u. St. Fritzlar, S. 386 u. 387.
4 ln der rrFabrican wird unter dem 20. Julij 1623 eine Zahlung notiert für Bauholz zur Reparatur der leuben aber Boni-
facii Capellen, worunter der Oberstock der Vorhalle zu verstehen ist, und am 15. Mai 1726 wird dem Kantor Hagenbusch,
erlaubt, seine Geschwister in der St. Bonifaciuskapelle sub airio bestatten zu lassen, gegen Abtretung einer Hypothek
von 100 Talern.
ß Die von Schnaase in der ersten Ausgabe seiner Geschichte der bildenden Künste (Bd.V, S. 444) ausgesprochene,
in der zweiten (Bd. V, S. 340, Anm.) zurückgenommene Ansicht, daß auch die Vorderwand zwei verschiedenen Bauperioden
angehöre, dürfte durch v. Dehn-Rotfelsers Untersuchungen und Angaben über den Fugenschnitt doch nicht endgültig wider-
legt sein. 1
ß Grundriß, Aufrisse und Einzelheiten bei Moller-Gladbach, Taf. lV-Vl in Bd. 3, dann bei H. u. v. D.-R. auf
Taf. l-IV, V1 u. Xll u. S. 23, 24 u. 25.
1 Weder die bei H. u. v. D.-R. a. S. 25 gegebenen Abbildungen, noch auch die unserigen vermögen die Schlußsteine
richtig zur Anschauung zu bringen. pie in H. u. v. D.-R. a. S. 23 sich findenden Zeichnungen der Kapitäle sind ebenfalls
ungenügend, wie bei der Vergleichung mit der auf Taf. 39 gegebenen Photographie sofort erkannt wird.
8 Alte Reste liegen gegenwärtig in einem Kryptaraum.
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