trifft. Es ist völlig unbegreiflich, dass man damals keine vorherige photographische Aufnahme wenigstens
angeordnet und ausgeführt hat.
Der Altar ist offenbar das Werk verschiedener Hände. Die Unterschrift nennt den Maler Nicolaus
Sch-it und als Entstehungsjahr 1500. Dieser Künstler wird auch den Entwurf zu der vortrefflichen Gesammt-
anordnung gemacht haben. Die Schnitzereien sind dann in einer Werkstatt ausgeführt, welche das technische
und ornamentale in grosser Vollendung ausführte, in dem figürlichen aber nicht über einen glänzenden deeora-
tiven Effect hinauskam. Gewisse Züge in den Köpfen und im Beiwerk scheinen auf eine Initteldeutsche speciell
thüringische Werkstatt zu deuten, und die Malereien lassen die Hand eines bedeutenden und vielbesclräftigten
Künstlers erkennen, wenn auch der Name desselben m. W. bis jetzt noch nicht auf anderen ähnlichen Werken
nachgewiesen ist, und trotz dem reichen Material, welches in dem Werk von Münzenbergcr über die deutschen
Altäre niedergelegt ist, heute eine Orientirung auf diesem Gebiet noch nicht möglich ersteheint.
Dr. Flechsig in Braunschweig glaubt ihn mit dem Maler des Amsterdamer (Iabinets identificiren und
ihm eine grosse Reihe von Tafelbildern in verschiedenen Kirchen und Museen zuweisen zu dürfen 1). Eineein-
gehendere Untersuchung hierüber anzustellen ist nicht Sache eines Inventars. Es verdient aber hervorgehoben
zu werden, dass das Kloster Selbold auch in kleinen Landkirchen seines Patronats Altarwerke von namhaften
Künstlern ausführen liess. So wurde für Niedergründau ein Flügelaltar bei Fyol in Frankfurt am Nlain bestellt
(siehe Niedergründau) und die Beziehungen des Klosters zum Mittelrhein, wo es in Maria in Valle Besitzungen
hatte, könnten einen weiteren Wink für Nachforschungen nach dem Wohnort des Nicolaus Schit geben. Die
Umschrift, in welcher er zweimal sevnper hac arte micmw genannt ist, wurde wohl in der Werkstatt, welche die
Schnitzereien besorgte, nach den Angaben der Besteller hinzugefügt. Die Figuren des Schit zeichnen sich
neben. sorgfältiger, naturwahrer und wirkungsvoller Behandlung der Gewänder und des reichen Schmuokes
durch lebensvolle characteristische Köpfe aus. Es gelingt ihm sowohl die zarte Anmuth der Frauengestalten
der Katharina und Margaretha, als die frische Kraft in der Gestalt des Georg, und die offenbar iraeh dem
Modell eines hohen Geistlichen geschaffene Würde mit Milde gepaart in der Figur des heiligen Nicolaus.
Der
südliche
Seitenaltar.
Annenaltar.
Ueber der alten Mensa des 13. Jahrhunderts erhebt-sich ein Flügelaltar mit bemaltem und vergoldetem
Schnitzwerk in dem kastenföimigen Mittelschrein, den zwei beiderseits bemalte Flügel schliessen. Die aus-
kragende Predella steht nicht über die SeitenHäche des Mittelschreines vor, und dieser hat nie ein krönendes
Schnitzwerk besessen. Tab. 86 u. 87 stellen das ziemlich wohlerhaltene, nicht restaurirte Werk dar2). Der Mittel-
schrein enthält unter Baldachinen, welche aus reichverschlungenen, bandartigen und Eistigen Laubranken über
einem masswerkartigen, leichten Rahmen gebildet und von schlanken Siüllchen mit besonders complicirter Basis
getragen werden, in dem dadurch gebildeten breiten Mittelfeld Anna selbdritt, in dem linken schmalen Seiten-
feld einen Heiligen mit Barett und Schriftrolle etwa den heiligen Chrisostomus darstellend in dem
rechten einen Bischof mit Stab und Buch wohl Albertus magnus. Das Laubwerk zeichnet sich durch
scharfe, elegante Linienführung und wirksame Modellirung bei guter Erhaltung aus, und ist dem des Mittel-
feldes an dem Altar in der Processionscapelle nahe verwandt. Die Figuren des Mittelfeldes sind geschickt
gruppirt und drapirt, die Gesichtszüge weich und angenehm, ohne besonderen geistigen und individuellen Aus-
druck, wobei die Madonna eine auffallende Familienähnlichkeit mit der des ebenerwähnten Altares besitzt.
Bei der leidlich naturwahren Behandlung der unbekleideten Körpertheile, insbesondere der Hände, ist der völlig
unmögliche Ansatz des buchhaltenden Armes der Figur im rechten Seitenfeld verwunderlich, aber wohl durch
den engen Raum zu erklären. Die Schnitzereien stellen sich im ganzen als eine sehr tüchtige Leistung einer
durch zahlreiche Wiederholungen allseitig zu grosser Sicherheit gelangten Werkstatt dar.
Bedeutender als diese sind die auf festem Kreidegrund in Tempera ausgeführten Gemälde der Flügel.
Die Aussenseite des geschlossenen Altares stellt die Verkündigung dar. Auf dem linken Flügel kniet
Maria vor dem Betpult mit aufgeschlagenem Buch in einem Gemach, das mit geschachten Fliesen belegt ist,
neben einem Lehnstuhl mit hohem, getäfeltem Rücken vor einem gewirkten Vorhang, zur Seite ein Thongetäss,
ähnlich dem des Hochaltares, aus welchem einige Lilienstengel hervorwachsen und dessen Bauch von dem
Monogramm umzogen ist.
1) cf. Zeitschr. f. bild. Kunst. 1896 p. 8 u. 66 seq.
Kunstchron. 1897 u. s. W.
2) stand vor 1877 südl. am Lettner Tab. 45. 8.
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