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Herausgegeben in Verbindung mit dem Arbeitsring für bessische Heimatforschung an
der Universität Marburg und dem Verein für hessische Geschichte und Landeskunde
von Dr. C. Hitzeroth, Marburg-Lahn
49. Jahrgang Marburg-Lahn, Zanuar/Februar 1938 Heft 1/2
Zum Geleit!
Den kjeimatgedanken zu pflegen, zu künden von unserem hessischen Volks- und Brauchtum, das soll die Haupt
aufgabe unseres „Hessenlandes" sein. Vlle Kurhessen in und fern der Heimat sollen unser „Hessenland" als wert
volle Kultur-Zeitschrift lieben und schätzen lernen, will sie doch einem jeden etwas von jener gewaltigen Kraft
vermitteln, die in dem Mörtlein Heimat und seinem tiefen Inhalt verborgen liegt.
Vergangenheit und Gegenwart werden in dieser Zeitschrift zu uns sprechen. Mes wird wieder lebendig und
schlägt die Brücke zu dem gegenwärtigen Leben im Kurhessengau, der von jeher charakterisiert ist durch den Sleiß
und die Leistung seiner Menschen.
Möge diese Zeitschrift ihren Auftrag erfüllen und mit daran helfen, Volkstum und Heimat den Menschen
der Jetztzeit im Keiche Adolf Hitlers als die unvergänglichen Lchöpfungsordnungen immer wieder vor Augen zu
führen, damit ein jeder immer mehr lernt, hier die Quellen des völkischen Lebens und seiner eigenen Existenz
zu suchen. Heinrich G e r n a n d, Landeskulturwalter
A. G a n d e r t: Die ttöhler von Günsterode
Der Museumsverband für Kurhessen und Waldeck
führt seit Zähren eine planmäßige Vestandsaufnahmc
der altbodenständigen handwerklichen Betriebe im kur
hessischen Bezirk durch. Noch lebt ja hier die alte Volks
art vielfältig und charaktervoll in Volkskunst und Hand
werksweise weiter, reicher und bodenverwurzelter, als in
irgend einem anderen Gebiet unseres Vaterlandes.
Der Beauftragte des Museumsverbandes, Herr Au
gust Gandert, Techniker am Landesmuseum, durchwan
dert und überprüft Werkstatt für Werkstatt, um die Be
triebsformen und ihre Möglichkeiten zu studieren und
mit Photoapparat und Bleistift die sinnreichen Arbeits
vorgänge und die Werkzeuge oder Hilssmaschinen auf
zunehmen, die in Jahrhunderten entwickelt und erprobt,
leider immer mehr durch industrielle Arbeits- und Wirt
schaftsmethoden verdrängt wurden. Außerdem wird eine
genaue Darstellung der Geschichte des Betriebes und der
Handwerkerfamilie angestrebt.
Nachfolgend sei in einer Aufsatzreihe Herrn Gandert,
der durch technische Einfühlungsgabe wie innere Anteil
nahme ein guter Führer ist, das Wort gegeben.
Prof. Dr. L u t h m e r.
O wunderschöner deutscher Wald,
du siehst uns, wenn es ist noch kalt ... im Frühling
wir bauen dann die Meiler auf,
das ist bei uns ein alter Brauch ... im Walde
Es wird gespalten und gesägt,
den ganzen Tag sich srisch bewegt ... im Walde,
bei Dunkelheit gehts erst nach Haus,
es ruht sich dann der Köhler aus zu Hause.
Er trotzt dem Regen und dem Wind
und ist des Waldes frohes Kind . . . der Köhler,
es ist für ihn kein leichtes Spiel,
trotzdem ist doch der Lohn nicht viel ... beim Köhler.
Klar widerhallte nach der Melodie: „Das Wandern
ist des Müllers Lust", das alte, fröhlich gesungene Köh
lerlied in den gegenüberliegenden waldbestandenen Hän
gen aus den Kehlen der heimkehrenden Köhler, als vor
siebzig Fahren alle Einwohner des Köhlerdorfes Gün
sterode noch in den reichen Buchenwäldern am „Köh
lern" waren. Die Köhler kamen nur Sonntags nach
Hause, die ganze Woche, vom Frühjahr bis Spätherbst,
köhlertcn sie. Damals blieb sogar das Vieh in der Nähe
der „Kohlplatte" und weidete. Landwirtschaft gab eS
wegen des ringsum mit Ginster bewachsenen und ber
gigen Geländes sehr wenig. Uneben und schlecht waren
die Wege, das ganze Gebiet um das kleine Köhlerdörf
chen glich einer einzigen Wüstenei. Im Winter waren
die Köhler als Holzhauer beschäftigt. — Durch die jahr
hundertealte Tradition ist der Köhler, wie der Bauer
mit der Scholle, tief mit seinem Gewerbe und „seinem"
Wald verbunden.