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Zu können, worauf er versicherte: daß er nur das wesent
liche von dem, was er mir soeben mündlich hierüber
geäußert habe, in einem Schreiben offiziell auch bloß
nachrichtlich wiederholen könne, aber auf das Detail mei
ner Note sich speziell zu äußern, seinem Dienstverhält
nisse nicht gemäß halte. Gestern erhielt ich nun infolge
dieses Versprechens, das in Urschrift hier beifolgende
seiner mündlichen Zustimmung entsprechende Schreiben,
woraus Ew. Königlichen Hoheit die Nachricht von der
Entlassung des Sehdelmann zu entnehmen allergnädigst
geruhen wollen."
Die Antwort des Durmstädter Ministers lautet nach so
viel Aufregung und Schreiberei lakonisch, daß er die
Note vom 13. März 1829 habe „bis jetzt noch nicht be
antworten zu müssen geglaubt, weil ich voraussah, daß
jener Mann bei dem hiesigen Hoftheater entlassen werden
würde." Damit war die Affaire Sehdelmann der Kasse
ler Bühne abgeschlossen.
Man könnte annehmen, Darmstadt hätte dem Drän
gen Kassels nachgegeben. Jedoch geschah dies keines
wegs, sondern nur die eigenartigen Verhältnisse Darm-
stadts hatten es erreicht. Der Großherzog schätzte nur
die Oper. Als nun aber mit Sehdelmann das Schau
spiel einen großen Aufschwung nahm, war der Groß
herzog froh, einen solchen Schauspieler möglichst schnell
abschieben Zu können. Man ließ sich seinen Weggang
sogar etwas kosten, nur um die Eifersucht des Groß
herzogs auf das Schauspiel zu mildern. Sehdelmann
ging nach Stuttgart und erlebte dann seit 1838 am Ber
liner Hoftheater bis zu seinem Tode 1843 den über
ragenden Erfolg seiner Kunst.
Er selbst hat zu den Kasseler Ereignissen noch zwei
mal ausführlicher Stellung genommen. Auf die Dar
stellung Feiges antwortete er in der Didaskalia. Ge
reizt, aber in dem guten Glauben, zu dem Kontraktbruck
durch die Verhältnisse gezwungen worden zu sein, rechtfer
tigte er sich. Hier steht gesetzliche Vereinbarung und der
Wortlaut des Gesetzes wider den Glauben und das ver
meintliche Recht der künstlerischen Persönlichkeit. In
seinem Sinn hat das Kasseler Theater wie Sehdelmann
jeweilig Recht gehabt, und es gibt wohl kein absolutes
Maß, um hier gültig zu entscheiden. Ferner schreibt er im
Jahre 1832 von der Kasseler Bühne und ihren Einrichtun
gen. Es waren bald für die Kasseler Bühne durch die vor
läufige Schließung des Theaters im Jahre 1832 schwere
Zeiten gekommen. Zu dieser Lage schreibt Sehedlmann
in einem Brief an Carl Schmidt und äußert seine Mei-
nun zu der politischen Haltung des Schauspielers.^)
Den nachhaltigen Ruf als großer Schauspieler erwarb
sich Sehdelmann durch seine Berliner Zeit. Seine Tä
tigkeit am Berliner Hoftheater ließ ihn weithin bekannt
werden, und sein Auftreten brachte der Bühne Gewinn.
18) Hessenland 1887.
Hier erfüllte und vollendete er seinen Stil und führte
das zur reisen Gestaltung, was er in Kassel begonnen
hatte. Abschließend sei von der Berliner Zeit die Kritik
von Eduard Devrient angeführt, der sein Spiel an der
königlichen Hosbühne erlebt hat. Devrient beschreibt jene
Rolle des Shylock, die Sehdelmann in Kassel zum ersten
Male brachte. Auch an der Kasseler Bühne wird er sie
wohl in ähnlicher Art aufgefaßt und mit den gleichen
Mitteln gespielt haben, wie Devrient diese Leistung dar
stellt lfl ). „Er verwischte in seiner Darstellung des Shylock,
von vornherein jeden Anschein des durch Glaubens
druck und Verachtung gedemütigten Juden, und trat aus
wie der Despot von Venedig, der alle Unbilden an den
Christen zu züchtigen gekommen sei. Das rachbrütende
Selbstgespräch, als Antonio erscheint, war schon ein
Wutausbruch gegen das Publikum- die behutsam um
wundene Erinnerung, daß Antonio ihn angespien und
Hund genannt, war eine so wilde, strafende Anklage,
daß bei Antonios Worten „er könne leicht ihn wieder
anspei'n, wieder Hund ihn nennen", man erwarten mußte,
der Jude werde ihm an die Kehle fahren. Diese Ent
stellung des ganzen Verhältnisses Shhlocks zum Drama
selbst müßte sich natürlich im Verlauf der Handlung der
gestalt steigern, daß in der Gerichtsszene der verachtete
Jude wie ein wildes Tier umherlaufend, die ganze Bühne
beherrschte, und Gerichtsdiener, Senat und Doge nur
von ihm geduldet erschienen. Mährend der Reden An
tonios und seiner Freunde überlas er den Schein, strei
chelte und küßte ihn unaufhörlich, streifte die Ärmel auf
und schwang das Messer, dann — weil bei Verschwen
dung der grellsten Farben das Wetzen des Messers an
der Sohle nicht mehr genug war — fuhr er auch mit
ausgestrecktem Arm in weitem Vogen mit dem Messer
ratschend auf dem Fußboden hin. Es erschien bei dieser
Darstellung als eine gänzliche Verzeichnung des Cha
rakters von Seiten Shakespeares, daß dieser Jude sich
nicht eher das Messer in die eigene Brust stößt, als daß
er so gedemütigt und beraubt, ja mit dem feigen Ver
sprechen, Christ zu werden, still davon geht."
Es ist für die heutige Beurteilung des modernen
Schauspielers wichtig, sich deutlich der Entwicklung deut
scher Schauspielkunst zu entsinnen. Diese Einseitigkeiten,
die ein Sehdelmann bis zur Vollendung gebracht hat
und die ganz in der geistigen Lage der späten, sich zer
setzenden Romantik bedingt sind, würden heute eine
überaus große Gefahr bedeuten. Sie aber erklären und
belegen die ganze Entwicklung des 19. Jahrhunderts.
Erst aus einer solchen Sicht der vergangenen und über
wundenen Anschauungen läßt sich hinlänglich ein Urteil
über das moderne Schauspielwesen bilden, das dem zu
künftigen schöpferischen Gesetze Bahn und Mittel zu
bereiten hat. 19
19) Eduard Devrient a. a. O.