Full text: Hessenland (49.1938)

Feige verlangt nun von der Hoftheater-Intendanz in 
Darmstadt die Auslieferung Sehdelmanns. Er hegt wenig 
Hoffnung und schreibt: „Da aber die Grundsätze, die von 
dieser Intendanz befolgt werden, sich wenig mit der Ehre 
eines Hostheaters vertragen, in dem dieselbe erst vor 
wenigen Wochen auch einen Schauspieler von Hamburg, 
welcher dort noch durch mehrjährigen Kontrakt gebun 
den, zurückgehalten und zum Kontraktbruch verleitet 
hat, so stehet Zu erwarten, daß meine gerechten An 
forderungen hinsichtlich des Sehdelmann gleichfalls von 
ihr unberücksichtigt bleiben werden 16 )." Feige sollte Recht 
behalten. 
Nunmehr werden die Diplomaten bemüht. Es schreibt 
der darmstädtische Minister von Grolmann an den kul- 
fürstlichen Gesandten am Großherzoglichen Hofe Frei 
herrn von Meyerfeld am 5. August 1828: 
„Euerer Erzellenz verehrliches Schreiben vom 31. 
vorigen Monats habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. 
Das Schreiben an die Intendance des Großherzog 
lichen Hoftheaters, welches demselben beigelegen, habe 
ich sogleich dem mit der Intendance beauftragten Ge- 
heimrat Freiherrn von Türkheim zustellen lassen, und, ob 
gleich die gedachte Intendance allerdings keinem der 
Großherzoglichen Ministerien untergeordnet ist, doch von 
den hier ausgedrückten Wünschen Ew. Exzellenz mit Ver 
gnügen Veranlassung genommen, mich um die näheren 
Verhältnisse der Seydelmannschen Angelegenheit Zu er 
kundigen, um Hochdenselben darüber genügende Aus 
schlüsse geben zu können. 
Der Schauspieler Sehdelmann hat allerdings mit der 
hiesigen Hoftheaterintendance schon einige Wochen vor 
der Ankunft des verehrlichen Schreibens Ew. Exzellenz 
einen Kontrakt über eine lebenslängliche Anstellung ab 
geschlossen, es ist aber dabei zur ausdrücklichen Be 
dingung gemacht worden, daß er sich genügend auszuwei 
sen habe, daß an dem Orte seiner bisherigen Anstellung 
keine fortbestehenden rechtlichen Verbindlichkeiten der 
Schließung des Kontraktes entgegenstünden. Diese Be 
dingung ist aus ausdrücklichen Befehl Seiner Königlichen 
Hoheit des Großherzogs gemacht worden, in dem aller- 
höchstdieselben durchaus nicht wollen, daß der Übergang 
zu der hiesigen Buhne ein Mittel werden solle, begrün 
dete rechtliche Verbindlichkeiten unerfüllt zu lassen, am 
wenigsten aber in diesem Falle gestatten würden, daß in 
der gedachten Beziehung irgend etwas geschehe, was, 
allerhöchst ihren freundschaftlichen Gesinnungen gegen 
des Kurfürsten Königliche Hoheit zuwider, eine begrün 
dete Veranlassung zu einer Beschwerde geben könnte. 
Wenn demnach der Schauspieler Sehdelmann in Kas 
sel nach seinem Kontrakte noch Verbindlichkeiten Zu er 
füllen hat, welche mit seinem dahier eingegangenen 
Engagement nicht Zusammen bestehen können, so wird cs 
des Falls nur einer Mitteilung der dortigen Hoftheater 
intendance an die hiesige bedürfen, um das gedachte 
Engagement für aufgehoben zu erklären. 
Ich muß jedoch dabei bemerken, daß die hiesige Inten 
dance bei ihren Schritten von der lebenslänglichen An 
stellung Sehdelmanns an dem Hoftheater in Cassel aller 
dings Kenntnis gehabt, aber geglaubt hat, daß dieses an 
sich einem dahier einzugehenden Engagement nicht im 
Wege stehen könne, in dem man hier gewohnt ist, in der 
gleichen Anstellungen nur eine Versicherung des Dieners 
gegen Entlassung im Falle eintretender Unfähigkeit zu 
erkennen, keineswegs aber ein Versprechen des Dieners, 
nie seine Entlassung fordern zu wollen, daraus abzu 
leiten." 
Überzeugend sind diese darmstädtischen Gründe wohl 
nicht. Sicher ist nur, daß Darmstadt Sehdelmann nicht 
ausliefern will. Nun wird geschrieben und verhandelt, 
vom Gericht zur Negierung zum Theater, es wird be 
merkt und beanstandet. Das Darmstüder Theater ant 
wortet auf die Briefe Feiges überhaupt nicht. Da soll 
der Kurfürstliche Gesandte in Darmstadt veranlassen, daß 
das dortige Theater antwortet. Indessen berichtet Feige 
am 12. November, daß Sehdelmann sein Darmstädter 
Engagement angetreten hat. Nun ergeht am 14. Nov. 
an den Kurfürstlichen Gesandten der Befehl, er habe „Zu 
verlangen, daß Sehdelmann angewiesen werden möge, nun 
seinen gegen das kurfürstliche Hoftheater übernommenen 
Verpflichtungen nachzukommen, sich hier wieder zu stellen." 
Oarmstadt entschuldigt sich 14 Tage später mit der ver 
kehrten Adresse. Freiherr du Thil lehnt die Auslieferung 
ab, da er als Minister der auswärtigen Angelegenheiten 
nicht zuständig sei. Dies sei eine private Sache von 
Theater und Sehdelmann und rein privatrechtlicher Na 
tur, und zudem das Darmstädter Theater-Komitöe sei 
keinem Ministerium unterstellt. Indes interessiert sich 
nun auch die Öffentlichkeit für diesen Fall. Die Didas- 
kalia (Nr. 355) spricht von wortbrüchigen Schauspielern, 
und in dem gleichen Beiblatt des Frankfurter Deutschen 
Journals gibt auch Feige den bereits angeführten Be 
richt^), in dem er Sehdelmann anprangert. Er schließt 
mit dem Satze: „Übrigens hat die Handlungsweise Seydel- 
manns es veranlaßt, daß sämtlichen Mitgliedern des 
hiesigen Theaters ein ihren Verpflichtungen entsprechen 
der und denselben gemäß eingerichteter Diensteid abge 
nommen wurde." 
Dies war im Januar 1829 geschrieben und vorläufig 
schien der Fall Sehdelmann zu ruhen. Da schrieb am 
25. Mai der Gesandte von Meherfeld an den Kurfürsten. 
„Bei dem Großherzoglichen Hessischen Staatsminister du 
Thil, der mich ehe gestern dahier besuchte, brachte ich die 
Veanwortung der letzten Note, welche ich am 13. März 
in Betreff des Schauspielers Sehdelmann zu allerunter- 
tämgsten Befolgung der deshalbigen Befehle für König 
liche Hoheit vom 31. Januar und 10. März dieses Fahres 
an ihn erlassen hatte, mündlich in Erinnerung, woraus 
er mir eröffnete: Daß gedachter Schauspieler auf eine 
von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von 
Hessen an die dortige Theatrintendance erlassene Ver 
fügung unter Aufhebung des von letzterer mit jenem 
eingegangenen Kontrakt entlassen worden sei- daß er da 
her eine materielle Beantwortung jener Note nicht mehr 
zweckdienlich fände, sondern diesen Gegendstand für er 
ledigt halten müsse- vertraulich bemerkte der Minister 
während dieser Unterredung nebenher, daß man Großher- 
zoglicherseits die Auflösung des vorgedachten Kontrakts 
nur mittels einer nicht unbedeutenden Geldaufwendung 
habe bewirken können, dieses Opfer aber nicht geachtet 
habe, um Sehdelmann von Darmstadt zu entfernen. Ich 
erwiderte ihm hierauf, daß ich jedoch in jedem Falle, 
eine schriftliche Antwort auf meine Note glaube erwarten 17 
17) s. S. 24, Anm. 15.
	        
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