Full text: Hessenland (49.1938)

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mächtig wurde er von einer Probe weggetragen, ein Kur 
aufenthalt in Teplit; war nötig geworden 5 ). 
Als Feige Sehdelmanns Spiel in Prag gesehen hatte, 
wünschte er ihn für die Kasseler Bühne Zu gewinnen. 
Mit der Aussicht auf eine lebenslängliche Anstellung 
und mit Pensionsanspruch für seine Frau folgte er dem 
Nus nach Kassel. Er erhielt ein jährliches Gehalt von 
1200 Neichstalern. In Prag hatte er sich soweit ausge 
bildet, daß er nun für den klaren und fest umrissenen 
Aufgabenkreis der Charakterdarstellung verpflichtet wurde. 
bemüht war"), während jene anderen Autoren sicherlich 
noch geringere Ansprüche stellten und ganz einer allge 
meinen Mittelmäßigkeit der Zeit verfielen. Diese und 
andere Rollen mußte Seydelmann geben, wie dies ein 
alltäglicher Theaterplan damals wie heute zu fordern 
hat. Aber auch größeren Anforderungen konnte er ent 
sprechen, als er Gelegenheit erhielt, den Shylock zum 
ersten Mal in Kassel 6 7 ) bekannt zu machen. 
Seydelmann hatte sich in Kassel mit seinem leiden 
schaftlichen Spiel bald einen großen Verehrerkreis ge- 
Das alte Kasseler Hoftheater 
Am 23. Oktober 1822 trat Seydelmann zum ersten Mal 
in Kassel auf, als Fritz Berg in dem Familiengemälde 
„Weltton und Herzensgüte" in vier Aufzügen von F. W. 
Ziegler. Oie Zeitung kündigte an: Herr Seydelmann 
vom ständischen Theater zu Prag als Antrittsrolle. Am 
Sonnabend, dem 26. Oktober, spielte er den Sir Gott 
lieb Koth in „Parteienwut oder die Kraft des Glau 
bens", einem Originalschauspiel in fünf Akten von F. 
W. Ziegler. Zwei Tage später trat er in dem „Tages 
befehl", einem Drama in zwei Akten von Karl Töpfer, 
und in dem einaktigen Lustspiel von Schall „Trau, 
schau, wem", auf. Karl Töpfer (1792—1871) stellte 
eine erfreuliche zeitgemäße Begabung dar, die mit 
gutem Gewissen dem kulturellen Leben zu dienen 
5) H. Th. Nötscher a. a. O. 
schaffen. Die Bevölkerung und der Hof zollten ihm star 
ken Beifall, und man wußte sein Können sehr zu wür 
digen. Bei der damaligen hohen Schulung und der leben 
digen Teilnahme des Publikums, die allem Theatrali 
schen entgegengebracht wurde, mußte die verantwortungs 
volle und ernsthafte Arbeit Sehdelmanns bald erkannt 
werden. Die Fähigkeit, Aufgabe und das nötige Maß 
des Schauspielers im gebührenden Einklang zu erkennen, 
diese Gesetze des Spielers aus einer gepflegten und ge 
übten Bühnensicht zu erkennen, war stärker verbreitet als 
heute. Die Begeisterung für das Theater kannte größere 
Ausmaße, und man lebte nachhaltiger mit der Bühne. 
Daß damit natürlich auch die Tratsch- und die Klatsch 
sucht, die sorgsam behütete bürgerliche Sicht in der An 
6) Karl Holl: Geschichte des deutschen Lustspiels, Leipzig 1923. 
i£7) Wilhelm Bennecke a. a. O.
	        
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