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sammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürn
berg, wie auch die Staatliche Kunstbibliothek in Berlin
keine auf.
I. Stühle mit dem Doppelvogel.
Bekannt im Schrifttum über Volkskunst ist eine von
Robert Forrer (Von alter und ältester Bauernkunst, Paul
Nesf Verlag Eßlingen) im Jahre 1906 gebrachte Ab
wandlung der sogenannten Doppeladler st ühle
in einer Abbildungssolge von vier Bauernstühlen aus
dem elsüssischen Museum in Straßburg °), die wir in un
serer Abbildung 2 ähnlich, nur wesentlich erweitert,
an einer Abfolge von 20 hessischen Bauernstühlen Zeigen
wollen. Forrer schreibt Zu seiner Abbildung 2—5:
„durchbrochen verzierte Lehnen altelsüssischer Vauern-
stühle des 17. und 19. Jahrhunderts, veranschaulichend,
wie das Bild des österreichischen Doppeladlers unter der
Hand bäuerlicher Künstler verroht und bis Zur Un
kenntlichkeit des Vorbildes neue Formen annehmend sich
umbildet". Abbildung 3 bei Forrer entspricht nun fast
vollkommen dem Stuhl aus Buchenau unserer Abbildung
26. Da nun im Biedenkopfer Heimatmuseum noch die
Lehre (Abbildung 4u) zu diesem Stuhl, aus einer Buche-
nauer Schreinerwerkstatt stammend, vorhanden, der Stuhl
also einwandfrei hessischer Herkunft ist, folgt daraus, daß
die Umbildung und „Verrohung" der Dop
peladlerform nicht bei in elsüssischen und
nicht beim hessischen Dorfschreiner erfolgt
ist, sondern bei städtischen Musterzeichnern oder Form-
stechern, die vielleicht in Augsburg, Nürnberg oder Frank
furt, oder sonstwo wohnten und deren Musterblätter von
Tirol bis Pommern den Schreinern Zum Vorbild dien
ten. In viel größerem Maße, als wir gemeiniglich an
nehmen, haben einst die städtischen Handwerker nach
Musterstichen und VorZeichnungen gearbeitet. Erst an
der Schwelle zum und Zu Beginn des 19. Jahrhunderts
können wir im bäuerlichen Handwerk beachtliche
6) Abb. auch abgedruckt in F. Nud. Uebe, a. a. O. Seite 210.
Leistungen einer eigenen Bauernkunst buchen, als
nämlich die Stadt aus vielen Gebieten keine für den
bäuerlichen Geschmack genießbaren Vorbilder mehr bot.
Zugegeben, daß wir oft mit Forrer von einer verroh-
t e n Umbildung der Grundformen sprechen können, so
zum Beispiel, wenn das Gesicht von den Doppeladler-
köpfen allmählich bei Abbildung 2 über m, n bis r
schließlich in s auf den Flügeln landet, ebenso steht die
Bereicherung des Stuhles aus Unterrosphe Abbildung 2, h
durch Schnitzerei am ungeschickten Ende der Ent
wickelung, nämlich der gänzlichen Zersormung einer einst
klaren Form. Übersehen dürfen wir aber aus der anderen
Sette nicht, daß auch eine Fülle formschöner Umwand
lungen Zeugnis ablegt von reicher künstlerischer Phanta
sie der Zeichner und ebenso der Dorfschreiner- gar man
ches Muster überragt weit seine oft langweilige Aus
gangsform. 8 m einst kurhessischen Oberhessen und dem
Hinterland verbreitet sind die Formen Abbildung 2, 6 ,
6 , g, k und vor allem I und q. Bei c, einem Stuhl,
der aus dem Frankfurter Kunsthandel in das Marburger
Museum gekommen ist, scheinen Zwei Greifen über den
Stuhlrücken Zu kriechen, er ist unmittelbar Vorbild für
die Form Abbildung 2, d aus dem Dorf Allna bei Mar
burg und schließlich auch für 6 . Ein Vergleichsstück aus
Südhannover aus der Gegend von Göttingen, sehen wir
in Abbildung 4, d. Diese Lehne ist eine Kombination
der Formen Abbildung 2, d, g und k. Die Schreiner
haben die Konturen oft noch mit einer Linie aus punkt
artigen Sternen betont, die mit einer Stahlpunze einge
schlagen sind, die Jahreszahlen und ihre Umrahmung
sind flach eingeschnltten.
Doppeladlerstühle finden wir, als verbreitetste Form
der Brettstuhllehnen, von Südtirol bis Iamund in Pom
mern und dem Memelland über das ganze deutsche Ge
biet. Selbstverständlich ist nicht der österreichische Doppel
adler, der „Adler des Heiligen Römischen Reiches Deut
scher Nation", der sich erstmalig 1325 auf einer unter
Ludwig dem Bayern geschlagenen NeichsmünZe zeigt,
Ur- und Vorbild. Die Form des Doppeladlers ist sehr
Abbildung 4
a Heimatmuseum Biedenkopf, Stuhlschablone aus Buchenau,
Buchenholz 12 mm stark.
b aus dem Kreise Marburg, 20 mm stark, schwarze und
weiße Intarsia.
c Heimatmuseum Biedenkopf, Buchenholz poliert, schwarze
und weiße Intarsia.
d Museum der Grafschaft Hoya-Diepholz in Nienburg/Weser,
Eichenholz 22 mm stark, deckend hellblau gestrichen, aus
der Gegend von Göttingen (Südhannover).