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hessische Bauernstühle, Brettstühle
Von Karl N u m p f
Im Adels- und Stadthaus des Mittelalters/ bis in die
Nenaissancezeit hinein, war selbst in reichen und vorneh
men Wohnungen der Stuhl ein seltenes Möbelstück.
Zahlreiche Innenraumbilder des 15. Jahrhunderts leh
ren und beweisen uns das. Zum Sitzen dienten damals
Wandbänke und Sitztruhen.
Nicht viel anders war es noch bis Ende des XIX.
Jahrhunderts im hessischen Bauernhaus mit den Stühlen
bestellt. Das übliche Sitzmöbel war die Wandbank und
die freistehende Bank. Außer dem Lehnstuhl für den
alten Mann oder die alte Frau, gab es nur wenige
B r e t t st ü h l e (anderswo auch Schemel oder direkt
Bauernstuhl benannt, in Mengsberg am Nordrand der
Schwalm sogar „Schwälmerstuhl") in Küche und Kam
mer. Wir sehen hier ab von den sogenannten „Braut
stühlen", zum Beispiel in der Schwalm, auch im Hinter
land, die nicht Gebrauchsmöbel waren, sondern repräsen
tative Einzelstücke mit bestimmter Bedeutung. In dem
Inventarverzeichnis eines hessischen Bauernhauses in
Schönbach, Kreis Marburg, vom Jahre 1602, das sich
Abbildung 1
Stuhl aus Rauischholzhausen, Kr. Marburg, dat. 1819,
schwarze und weiße Intarsia.
im Staatsarchiv Marburg befindet H, wird nur ein ein
ziger Stuhl aufgeführt, nämlich: „in der K u e ch e n
und Ehrn: Ein Stuhl mit drey Beine n",
sonst nur Bänke, wie: „in der Kuechen: Ein schmäht
Eichenbanck" und „In der Stuben: Ein breidt Eichen-
. banck", ferner „Ein klein alt ledgen" (Lade — Truhe).
In dem Inventar ist sonst jede Kleinigkeit gewissenhaft
genannt, sogar „Spaden, Kornsichel, Graß-Senßen" bis
zu dem „Vutterdeller" und „Kesekorp".
Der Sitz der B r e t t st ü h l e besteht — wie aus Ab
bildung 1 ersichtlich — aus einem trapezförmigen Bohl
stück, dessen breitere Seite nach vorne zeigt und meist
an den Ecken abgerundet oder abgeschrägt ist. In zwei
auf der Unterseite des Sitzbrettes eingegrateten Einschub-
leisten stecken die vier Beine, aus achtkantigen, auch wohl
kannelierten, nach unten sich rund zuspitzenden, Knüppeln
bestehend. Als Material ist bei den hessischen Brett-
stühlen Hartholz, meist Buche, seltener Birnbaum, Kirsch
holz oder Eiche verwendet. Weichholz, Tanne, fehlt fast
ganz. Bei den Stühlen mit Flachschnitzerei, meist sind es
städtische, nicht bäuerliche, Arbeiten, ist auch Nußbaum
zu finden. Das in der schmalen, Hinteren Sitzbrettseite
eingenutete und mit zwei Zapfen durchgesteckte 15—23
Millimeter starke Nücklehnbrett ist nun durch seine mehr
oder weniger reiche künstlerische Durchbildung Gegen
stand unserer Betrachtung. Form und Schmuck dieses
Nücklehnbrettes führen uns die Abbildungen dieses Auf
satzes vor Augen. Sie wollen einen Überblick über die
in Hessen vorkommenden Muster und darüber hinaus
das für Hessen, vor allem Oberhessen, Besondere, das
eigenartig Hessische, hervorheben.
Brettstühle gab es seit dem 16. Jahrhundert, also seit
der Renaissance und dem Barock bis weit in das 18.
Jahrhundert hinein im städtischen Mobiliar des ganzen
deutschen und angrenzenden Gebietes, und uns sind in
den Kunstsammlungen, besonders aus Oberdeutschland,
herrlich geschnitzte Stücke erhalten. Wir denken dabei
an die von Augsburg und Ulm ausgehenden Adlerstühle
mit der Rücklehne in Form eines heraldischen Doppel
adlers 1 2 ), oder die Stuhllehnen in Form eines mensch
lichen Gesichtes, einer Fratze, in Laub- und Nanken-
1) Inventarium Johannes Trimpers zu Schönbach und
Cremen seiner Hausfrau beider seligen Verlassenschaft usfge-
richtet und verzeichnet in beysein Adam Triers und Hermán
Trimpers, deß Kindts Elisabethen Vormünder Christ Schnel
len, aller wohnhastig zu Großen-Seelheim, Petter Schnellen zu
Schönbach des Kindts Stieffvatters, sodann beider Gerichts
Schultheißen zu Seelheim.
2) Abbildungen in: Deutsche Volkskunst, Delphin-Verlag,
Bd. VI, Franken, Abb. 92, Doppeladlerstuhl aus Mittelfran
ken. Konrad Hahm, Deutsche Volkskunst, Verl. Ferd. Hirt Bres
lau 1932, Abb. 10. Doppeladlerstuhl aus Iamund, desgl. aus
dem Memelland, dem Weizacker und aus Phritz in: Zaborskh,
Urvätererbe in deutscher Volkskunst, Leipzig 1936, Abb. 133,
134, 135. Rudolf Uebe, Deutsche Bauernmöbel, Verl. Schmidt
& Co., Berlin 1924, Doppeladlerstühle aus dem Schwarzwald,
Bayern, Elsaß usw. Abb. 116 sf, und Abb. 235. — Eine
Typenreihe von „Bauernschemeln" aus Pommern, hauptsäch
lich Doppeladlerstühle, ist abgebildet in: Baltische Studien,
N. F. Band XXXVIII, 1936. Erwerbungs- u. Forschungs
bericht 1936 des Pommerschen Landesmuseums in Stettin.