Full text: Hessenland (49.1938)

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hessische Bauernstühle, Brettstühle 
Von Karl N u m p f 
Im Adels- und Stadthaus des Mittelalters/ bis in die 
Nenaissancezeit hinein, war selbst in reichen und vorneh 
men Wohnungen der Stuhl ein seltenes Möbelstück. 
Zahlreiche Innenraumbilder des 15. Jahrhunderts leh 
ren und beweisen uns das. Zum Sitzen dienten damals 
Wandbänke und Sitztruhen. 
Nicht viel anders war es noch bis Ende des XIX. 
Jahrhunderts im hessischen Bauernhaus mit den Stühlen 
bestellt. Das übliche Sitzmöbel war die Wandbank und 
die freistehende Bank. Außer dem Lehnstuhl für den 
alten Mann oder die alte Frau, gab es nur wenige 
B r e t t st ü h l e (anderswo auch Schemel oder direkt 
Bauernstuhl benannt, in Mengsberg am Nordrand der 
Schwalm sogar „Schwälmerstuhl") in Küche und Kam 
mer. Wir sehen hier ab von den sogenannten „Braut 
stühlen", zum Beispiel in der Schwalm, auch im Hinter 
land, die nicht Gebrauchsmöbel waren, sondern repräsen 
tative Einzelstücke mit bestimmter Bedeutung. In dem 
Inventarverzeichnis eines hessischen Bauernhauses in 
Schönbach, Kreis Marburg, vom Jahre 1602, das sich 
Abbildung 1 
Stuhl aus Rauischholzhausen, Kr. Marburg, dat. 1819, 
schwarze und weiße Intarsia. 
im Staatsarchiv Marburg befindet H, wird nur ein ein 
ziger Stuhl aufgeführt, nämlich: „in der K u e ch e n 
und Ehrn: Ein Stuhl mit drey Beine n", 
sonst nur Bänke, wie: „in der Kuechen: Ein schmäht 
Eichenbanck" und „In der Stuben: Ein breidt Eichen- 
. banck", ferner „Ein klein alt ledgen" (Lade — Truhe). 
In dem Inventar ist sonst jede Kleinigkeit gewissenhaft 
genannt, sogar „Spaden, Kornsichel, Graß-Senßen" bis 
zu dem „Vutterdeller" und „Kesekorp". 
Der Sitz der B r e t t st ü h l e besteht — wie aus Ab 
bildung 1 ersichtlich — aus einem trapezförmigen Bohl 
stück, dessen breitere Seite nach vorne zeigt und meist 
an den Ecken abgerundet oder abgeschrägt ist. In zwei 
auf der Unterseite des Sitzbrettes eingegrateten Einschub- 
leisten stecken die vier Beine, aus achtkantigen, auch wohl 
kannelierten, nach unten sich rund zuspitzenden, Knüppeln 
bestehend. Als Material ist bei den hessischen Brett- 
stühlen Hartholz, meist Buche, seltener Birnbaum, Kirsch 
holz oder Eiche verwendet. Weichholz, Tanne, fehlt fast 
ganz. Bei den Stühlen mit Flachschnitzerei, meist sind es 
städtische, nicht bäuerliche, Arbeiten, ist auch Nußbaum 
zu finden. Das in der schmalen, Hinteren Sitzbrettseite 
eingenutete und mit zwei Zapfen durchgesteckte 15—23 
Millimeter starke Nücklehnbrett ist nun durch seine mehr 
oder weniger reiche künstlerische Durchbildung Gegen 
stand unserer Betrachtung. Form und Schmuck dieses 
Nücklehnbrettes führen uns die Abbildungen dieses Auf 
satzes vor Augen. Sie wollen einen Überblick über die 
in Hessen vorkommenden Muster und darüber hinaus 
das für Hessen, vor allem Oberhessen, Besondere, das 
eigenartig Hessische, hervorheben. 
Brettstühle gab es seit dem 16. Jahrhundert, also seit 
der Renaissance und dem Barock bis weit in das 18. 
Jahrhundert hinein im städtischen Mobiliar des ganzen 
deutschen und angrenzenden Gebietes, und uns sind in 
den Kunstsammlungen, besonders aus Oberdeutschland, 
herrlich geschnitzte Stücke erhalten. Wir denken dabei 
an die von Augsburg und Ulm ausgehenden Adlerstühle 
mit der Rücklehne in Form eines heraldischen Doppel 
adlers 1 2 ), oder die Stuhllehnen in Form eines mensch 
lichen Gesichtes, einer Fratze, in Laub- und Nanken- 
1) Inventarium Johannes Trimpers zu Schönbach und 
Cremen seiner Hausfrau beider seligen Verlassenschaft usfge- 
richtet und verzeichnet in beysein Adam Triers und Hermán 
Trimpers, deß Kindts Elisabethen Vormünder Christ Schnel 
len, aller wohnhastig zu Großen-Seelheim, Petter Schnellen zu 
Schönbach des Kindts Stieffvatters, sodann beider Gerichts 
Schultheißen zu Seelheim. 
2) Abbildungen in: Deutsche Volkskunst, Delphin-Verlag, 
Bd. VI, Franken, Abb. 92, Doppeladlerstuhl aus Mittelfran 
ken. Konrad Hahm, Deutsche Volkskunst, Verl. Ferd. Hirt Bres 
lau 1932, Abb. 10. Doppeladlerstuhl aus Iamund, desgl. aus 
dem Memelland, dem Weizacker und aus Phritz in: Zaborskh, 
Urvätererbe in deutscher Volkskunst, Leipzig 1936, Abb. 133, 
134, 135. Rudolf Uebe, Deutsche Bauernmöbel, Verl. Schmidt 
& Co., Berlin 1924, Doppeladlerstühle aus dem Schwarzwald, 
Bayern, Elsaß usw. Abb. 116 sf, und Abb. 235. — Eine 
Typenreihe von „Bauernschemeln" aus Pommern, hauptsäch 
lich Doppeladlerstühle, ist abgebildet in: Baltische Studien, 
N. F. Band XXXVIII, 1936. Erwerbungs- u. Forschungs 
bericht 1936 des Pommerschen Landesmuseums in Stettin.
	        
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