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Skelettgräber geöffnet und untersucht werden. Die Ske
lette hatten sich, trotzdem die Bestattungen schon über
tausend Jahre Zurückliegen, fast alle in dem Kalkboden
Goddelsheims gut erhalten. Von den Fundstücken der
Grabungen beherbergt unser Museum schon eine größere
Zahl: ein schönes fränkisches Langschwert (Spatha), eine
Anzahl dolchartiger Messer, mehrere eiserne Gürtel
schnallen, mehrere Broschen als Frauenschmuck in ver
schiedener Ausführung und Gestaltung, Perlen von
Halsketten aus Kindergrübern und eine Lanzenspitze.
Besonders reich ausgestattet waren Zwei Kriegergräber,
die vor einigen Monaten aufgedeckt wurden. Von ihnen
hat das Museum noch folgenden Zuwachs Zu erwarten:
ein gut erhaltenes KurZschwert (Seramasax), eine frän
kische Streitaxt (Franziska), mehrere Pfeilspitzen und
Lanzenspitzen, Stahl und Stein Zum Feuerschlagen, Zwei
Kämme, mehrere Gefäße (fränkische Keramik), eine rö
mische Münze (163 n. Ztw.), die einer der Bestatteten
im Munde trug, mehrere Messer und Gürtelschnallen und
anderes mehr.
Ferner stieß man bei der Grabung in Goddelsheim
ganz unvermutet aus Brandgrubengrüber aus der Zeit
Christi. Der Inhalt der Gräber (Urnen, Urnenscherben,
Brandreste, Schildnägel und mehrere gut erhaltene Fi
beln aus Bronze und Eisen) ist ebenfalls im Museum
zur Schau gestellt.
Durch die Vollendung der in den letzten Jahren ge
planten Arbeiten hat das Korbacher Museum vorläufig
einen gewissen Schlußstein in seinem äußeren Aufbau
erhalten. Weitere größere Pläne harren noch einer
späteren Ausführung. Möge das Museum aber schon
in seiner jetzigen Gestalt manchen Heimatfreund erfreuen
und innerlich bereichern.
Die Kfsaire Zepdelmann der Kasseler Bühne
Ein Beitrag zur hessischen Theatergeschichte
Von Dr. Helmut K r a m m
Die lebendige hessische Kultur, die durch die Fürsorge
der Landgrafen im 16., 17. und 18. Jahrhundert entstan
den war, vermochte sich im gleichen Maße unter den
Kurfürsten im 19. Jahrhundert nicht mehr zu entfalten.
Die rege Teilnahme, die Landgraf Wilhelm IV., die
Moritz der Gelehrte, Landgraf Karl und Friedrich II.
allen Ereignissen und Bestrebungen entgegengebracht
hatte, stand als staatliche Förderung und persönliche Nei
gung dem kulturellen Leben des 19. Jahrhunderts in
Hessen nicht mehr zur Verfügung. Hatte auch Landgraf
Wilhelm IX., der spätere erste Kurfürst, noch großes
Verständnis für alle Fragen der Landschasts- und Bau
kunst bewiesen, so lag doch nicht mehr jene große allge
meine Betreuung vor, die Hessen im 16. und frühen 17.
Jahrhundert erlebt hatte. Das Verständnis für die Be
deutung und Größe einer künstlerischen Leistung war
'chcht mehr in der völligen Art und in der Fähigkeit Zu
einem großen Einsatz wirksam, sondern kleinere Gebiete
wurden in besonderer Weise aus einseitiger Vorliebe ge
pflegt. Oie Kurfürsten waren allgemein leicht geneigt,
das für Luxus und unnötige Ausgaben zu erachten, was
ein Volk und eine Landschaft Zu ihrem geistigen Bedürf
nis und ihrer seelischen Reife notwendig zu erfordern hat.
Nur in einzelnen Beziehungen konnten größere Aus
nahmen entstehen.
Wie Kurfürst Wilhelm I. ein großer Verehrer
der Baukunst war, so beschäftigte sich auch sein Sohn,
Kurfürst Wilhelm II., gern mit der Architektur, wenn
auch nicht in dem großzügigen Maße, wie sein Vater.
Das größere Verdienst aber, das sich Kürfürst Wilhelm II.
für die hessische Kultur erworben hat, beruht in seiner
Förderung der Kasseler Bühne. Hier ließ er eine
Leistung werden, die unabhängig von allen sei
nen persönlichen Schwächen, die sich im politischen Leben
bemerkbar machten, seine Bedeutung behalten wird. Seine
Neigung für das Theater brachte den Erfolg, daß die
hessische Bühne eine Blüte erlebte, die lange vor dem
nicht in Erscheinung getreten war. Kaum war er zur
Regierung gekommen, als die Hofbühne geschlossen
wurde und Bromeis den Auftrag erhielt, das Theater
von innen wie von außen Zu erneuern. Das alte
Stadtpalais des Prinzen Maximilian, eines Sohnes des
Landgrafen Karl, war nach der Mitte des 18. Jahrhun
derts Zu einem Theater umgebaut worden und erlebte
nun 1821 seine Zweite völlige Erneuerung. Vromeis hat
dem Kasseler Theater die Fassade geschaffen, die es fast
ein Jahrhundert behalten hat, bis man glaubte, an seine
Stelle das Warenhaus bauen zu müssen. Wie das
Äußere wesentlich verändert wurde, so erlebte auch die
Innenausstattung mannigfache zeitgemäße Verbesserun
gen. „Im Theaterhof und -Garten wurden drei große
Flügelgebäude aufgeführt, in denen sich Säle für die
Ballett- und Chorproben, die Anfertigung der Deko
rationsmalereien und Zur Aufbewahrung der Herren- und
Damengarderobe in den oberen Stockwerken befanden,
während die Erdgeschosse Zur Aufnahme der Kulissen
und Prospekte dienten. Maschinerien, Garderobe, Be
leuchtung, Requisiten, alles wurde erneuert, und dabei
glänzende, kostbare Anschaffungen gemacht. Bühne und
Zuschauerraum erhielten ein neues Podium. Die un
förmlich dicken Holzfäulen, die durch die drei Ränge lie
fen und die ohnehin beschränkten Plätze noch verengten
und verdunkelten, wurden entfernt und durch zierliche,
vergoldete eiserne Säulen ersetzt. Es war für die damalige
Zeit ein bedeutendes Stück Arbeit, aber durch Annahme
einer großen Arbeiterzahl und angestrengteste Tätigkeit
wurde es ermöglicht, den Umbau innerhalb sechs Mona
ten fertig zu stellen." H 1 *
1) Wilhelm Vennecke: Das Hoftheater in Kassel von 1848
bis zur Gegenwart Kassel 1906.