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haften, das im Jahre 1677 erbaut ist, und entdeckt hier
an der Anordnung der Hölzer in der Brüstung des
ersten Stockwerks deutliche Beziehungen zur Teufels
mühle. Es sind die beiden Schmuckplatten und in der
Mitte das aus Hölzern gefügte Sternmotiv, worüber der
„wilde Mann" (dem aber beide Arme fehlen) angebracht
ist. Auch hier wirkt der überaus breite Nähmbalken, der
Erd- und Obergeschoß trennt, wie ein schwarzes um das
ganze Haus geschlungenes Band. Die zweigeschossige
Fassade mit dem schmuckvollen der Hauptstraße zuge
kehrten breiten Fachwerkgiebel ist durch das Gleichmaß
der senkrechten starken Eichenpfosten, der gegenständigen
Streben und waagerechten Niegelungen, sowie den profi
lierten Gebalkauskragungen wirkungsvoll und symmetrisch
gegliedert.
Die riesige Figur des „wilden Mannes" an den Eck
pfosten und in der Mitte des zweiten Stockwerkes der
Giebelwand schauen weit ins Vogelsberger Land. Kräf
tige Hölzer — wie alles Bauholz, Eiche — fanden für
das Fachgerüst Verwendung, wie auch für die Streben
in der Brüstungszone, und den nicht in seiner hessischen
Sondersorm gebildeten halben „wilden Mann" an der
hinteren Längsfront.
Betritt man dann preußischen Boden und das Dorf
Radmühl, so überrascht hier das schöne Fachwerk
der Obermühle, die ebenfalls um die Mitte des 17. Jahr
hunderts erbaut ist. Außer der Verzierung der Lüngs-
front in der Brüstungszone durch die sechs symmetrisch
angeordneten Schmuckplatten erkennt man, stark verwit
tert, die für das 17. Jahrhundert charakteristische Flach-
schnitzerei mit streng stilisierten aufsteigenden Ranken-
motiven. Reste von roter Farbe lassen erkennen, daß
diese Schnitzereien ehemals farbig bemalt waren. Das
Ouergebälk ist mit Wulst und Kehlen profiliert.
Klarer und deutlicher lassen sich Beziehungen zur Teu-
selsmühle an einem alten, im Jahre 1611 erbauten Fach
werkhaus in Bad Orb, Kreis Gelnhausen, an dem eben
falls ähnliche schmückende Füllhölzer angebracht sind,
feststellen, und ganz besonders an dem vierten Vertreter
dieser Sondergruppe, am alten Pfarrhaus in Steinau,
Kreis Schlüchtern, das erst 1937 freigelegt wurde. Hier
hat der Meister ganz besonders gute Proportionen der
Giebelfläche, rythmische Gliederung der einzelnen Ge
schosse durch schmückende Füllholzanordnungcn erzielt
und dadurch einen harmonischen Eindruck in Schönheit
und Vielgestaltigkeit gewinnen wollen. Vom ersten Stock
werk bis hinauf zum Scheitel des Giebels belebt er die
Flüche symmetrisch durch geschwungene, ausgeschnitzte
Hölzer und geometrische Musterung.
Dieser Fachwerkbau ist um die Mitte des 17. Jahr
hunderts zu setzen und ähnlich dem älteren, 1552 erbau
ten steinernen Pfarrhaus mit aufgesetztem Fachwerk, das,
ebenfalls freigelegt, weiter unterhalb steht- er zeigt in
seinem Balkengefüge Klarheit und Symmetrie, d. h.
Selbstbewußtsein und Schönheit der Menschen seiner
Zeit. Auch hier bildet der technische Aufbau Zugleich das
schmückende Ornament.
Vielleicht hat Hans Muth, der Erbauer der Teusels-
mühle und vermutliche Baumeister des „Edelhoses" in
Crainfeld, auf seiner Wanderschaft auch Steinau be
rührt und danach all das Aufgenommene, vermischt mit
seiner reichen Phantasie, an seinem Bauwerk angewandt.
Er war ein schöpferisch veranlagter Mensch, der befruch
tend auf andere Meister gewirkt und dadurch einer gan
zen Gegend einen besonderen Charakter gegeben hat.
Das Khön-Museum in Gersseld
Die Kultur der Rhön und ihre museale Betreuung
von Helmut Kramm
Als das Gersfelder Rhönmuseum vom Museumsver
band in Kurhessen und Waldeck durch den Berichterstatter
eingerichtet werden sollte, war kein Museums-
gebüude zu beziehen, sondern eine der üblichen kleinen
Rhönbauten, die besonders in Gersfeld vor einem
Fahrhundert errichtet wurden, stand zur Verfügung.
Dies kleine Haus, das aus dem Jahre 1812 stammt,
besaß keine modernen Museumsräume, die eine neutrale
Haltung bewahren, um den ausgestellten Gegenstand
zur Geltung zu bringen, sondern das Wohnbedürfnis
um 1812, wie es zu dieser Zeit in der Rhön
mit allen seinen kleinen Belangen und Eigentümlichkei
ten vorlag, hatte die Gestaltung des Grundrisses be
stimmt. Eine Wohneinrichtung war zu schaffen, die den
Charakter der einzelnen Zimmer zu wahren hatte und
auf die Absicht des Baumeisters Bedacht nehmen mußte.
Es blieb also auch in der Museumseinrichtung die Gute
Stube die Verkörperung einer besonderen Wohnlichkeit
und eines Aufwandes, der auch in seinem bescheidenen
Maß schon ein wenig den Rahmen des Notwendigen
überschneidet und der Freude am zusätzlichen Schmuck und
an gefälliger Gestaltung am stärksten nachkommt. Es
mußte der Küchenraum auch jetzt wieder alle Gegen
stände und das Gerät einer Nhönküche aufnehmen, wie
auch in die Kammer das Bett, der Schrank, die Lade
gestellt ist. Ein viertes, langes und schmales Zimmer
konnte Zeugnisse aufnehmen, die Geschichte und allge
meine Kultur der Gersfelder Rhönlandschaft veranschau
lichen. So ist insgesamt das Gersfelder Rhönmuseum be
zogen worden, nicht viel anders, als wenn sich eine Fa
milie mit ihrem Hausrat und Einrichtungsgegenständen
im neuen Heim niedergelassen hätte.
Was zunächst gezeigt werden soll, bildet die in der Rhön
übliche Wohnkultur, die in den allgemeinen, gelegentlich
aber auch besonderen Stücken zur Geltung kommt. Diese
Absicht wurde auf das Glücklichste durch die Art des
Häuschens unterstützt. Seine Zimmerordnung drängte zu
dieser Lösung. Und wenn heute das alte schmiedeeiserne
Aushangschild in dem Giebelfeld verkündet, daß hier
das Rhönmuseum von Gersfeld untergebracht ist, wird