224
Teufelsmühle von Ilbeshausen
scher Kultur. Der als „Hessisches Sibirien" verschrieene
Vogelsberg steckt voller Schönheiten, ja gerade in den
nach den Höhen immer kleiner werdenden Dörfern, in
ihrer Unverfälschtheit und lieblichen Anordnung an das
Gelände. Nachfolgende Fachwerkhäuser mögen hiervon
zeugen. Sie alle haben durch die Anordnung der Hölzer
ganz bestimmte Beziehungen Zueinander.
In dem Pfarrdors Crainfeld, Oberhessen, an den Aus
läufern des Vogelsberges gelegen, wurde im Fahre 1685
der „Edelhos" erbaut. In seiner Ausschmückung lebt sich
die Sinnbildkunst recht aus. Medusenhafte Masken
(Schreck- oder Neidköpfe) blicken aus den Querhölzern,
Ständern und Streben des ersten Stockwerks heraus.
Aus dem kräftigen Eckpfosten ist ein mit einer Krone ge
krönter Edelmann, der in seiner linken Hand einen Speer
hält, ausgeschnitzt. Unter dem Fenster, dem dritten vom
Eckpfosten, ist das Sinnbild der Gerechtigkeit und daneben
am Querbalken ein Engelskopf mit Flügeln angebracht.
Uber dem Engelskopf hat früher ein Fenster gesessen, das
zugemauert wurde.
Wie ein mit Sternen ausgesticktes Band, deren Spitzen
in kleinen Herzchen auslaufen, mutet die Füllholzanord
nung über der Haustür und der rechten unteren Fenster
reihe an. Der Meister hat diese Wirkung erzielt, indem
er in jeder Füllung vier Viertelbogen, entsprechend aus
geschnitzt, angebracht hat. Aus acht vertikalen Hölzern
innerhalb dieser Füllholz-Anordnung hat der Meister am
Abschluß der Querbalken je einen Kopf des „wilden
Mannes" ausgeschnitzt.
Als besonderes Schmuckstück gilt das nach Osten an
gebaute malerische Erkerchen an der Giebelseite, mit dem
Spiel geschwungener Fachwerkhölzer und reichem Schnitz
werk, an dem alles in Bewegung ist- kein ruhender Pol
ist vorhanden. Es offenbart sich hier eine übermütige
Schmuckfreude. Oer Meister hat seine ganze Sorgfalt
der künstlerischen Formung des Hauserkers und zugleich
des Giebels gewidmet, und den Erker zum wichtigsten
Architekturteil gestaltet.
Eine mit Blattwerk bekränzte Holztafel unter dem mit
telsten der vorderen Fensterreihe angebracht, trägt in
lateinischer Schrift die Worte: „Wenn Gott für
uns, wer gegen un s". Aus dem Gebälk des dar
überliegenden Fensters ist Blatt und Blütenwerk mir
Weintrauben herausgeschnitzt, eine Anordnung, die sich
am Seitenfenster des Erkers wiederholt mit dem Unter
schied, daß dort noch rechts und links oben am Fenster
rahmen je ein Kopf, und, wie an der Vorderfront, direkt
unter dem Fenster der Arbeitsstube derselbe Engelskops
mit Flügeln angebracht ist. Es sind Cherubin und
Seraphim, Himmelsboten von Pol zu Pol.
Aus den beiden Eckpfosten schauen je drei unterein
ander angeordnete Schreckköpse heraus, (sie sollen Ge
fahren und Unheil vom Hause fern halten) von denen
einige die Zunge lang herausstrecken und, wie noch einige
andere, düster und wild in die Gegend dreinblicken. Zwei
Füllbretter, aus denen je zweimal vier zusammenhän
gende Herze ausgesägt, sind unter den beiden Giebelsen-
stern und den seitlichen Erkerfenstern angebracht.
Diese Schmuckplatten geben der Giebel- und Erker
wand einen besonderen feinen Reiz. Zwei parallel lau
fende, grünweiß und blauweiß bemalte Perlstäbe, von
den profilierten Knaggen unterbrochen, umrahmen Erker
und das erste Stockwerk. Auch die Fachwerke in der
Brüstung des Zweiten Geschosses bilden einen besonderen
Schmuck durch die überkreuzten, geschweiften Füllhölzer,
die der Meister in den Kreuzungswinkeln herzförmig
ausgesägt hat. So zieht sich das reich verzierte Balken
gefüge bis hinauf zum Dachgiebel. Das Erdgeschoß ist
geschindelt und wirkt, mit Grünanstrich versehen, bei der
Betrachtung nicht störend, sondern ausgleichend und be
ruhigend.
Der „Edelhof von Crainfeld" ragt aus der nahen und
weiten Umgebung heraus als eines der stolzesten Zeug
nisse althessischer Kunstfertigkeit und Schmuckfreudigkeit
in der ländlichen Baukunst. An der liebevollen und sorg
fältigen Ausführung erkennt man die Gottesfurcht,
Teufelsmühle von Ilbeshausen