Full text: Hessenland (49.1938)

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Photoreisen durchs Hessische Land gar schweres Gepäck 
mitschleisen mußte. Die Schwierigkeiten der Technik 
brachten es aber mit sich, daß Bickell nur wertvolle Auf 
nahmen machte, die bis ins Kleinste durchdacht waren. 
Er konnte es sich nicht leisten, irgendwelche Fehlaufnah 
men zu machen, und hatte es sich darum auch angelegen 
sein lassen, mit nur erstklassiger Apparatur und Optik 
zu arbeiten, die durch seinen Erfindergeist immer und 
immer wieder verbessert wurden. Bickell stand mit 
Deutschlands führenden Photofirmen und optischen Wer 
ken in Verbindung- selbstlos überließ er ihnen seine er 
findungsreichen Ideen, sie aber dankten ihm, indem sie 
ihm gern Apparate und Objektive seiner Konstruktion ab 
gaben. Es war ein für beide Teile fruchtbarer Austausch. 
Der von Bickell hinterlassene vielfältige Schriftwechsel, 
seine Zahlreichen exakten technischen Zeichnungen, nicht 
zuletzt aber die Überreste seiner vielen Apparate mit den 
von ihm daran angebrachten technischen Verbesserungen 
(er war ja ein durchaus perfekter Schreiner, Schlosser, 
Feinmechaniker und Optiker!) lassen ihn durchaus als 
den Pionier der Photokunst erscheinen- daß sein Name 
mit großen Erfindungen nicht verknüpft wurde, ist ledig 
lich seiner übergroßen Bescheidenheit zuzuschreiben — 
„Vom Rühren der Lärmtrommel bin ich kein Freund", 
schreibt er ganz schlicht. 
Um 1870 hatte er mit der Photographie begonnen 
unermüdlich war er tätig, mittels dieser von ihm Zur 
Kunst erhobenen Technik „den gegenwärtigen Bestand an 
festen und beweglichen Denkmälern abgeschlossener Stil 
perioden in möglichster Vollständigkeit und Objektivität 
festzulegen zu dem Zwecke, den Mitlebenden und der 
Nachwelt einen tunlichst vollkommenen Ersatz für die 
Autopsie der entlegenen oder zerstörten Monumente zu 
vermitteln". Die Regale seines „Denkmäler-Archivs" 
hatten sich mit wahren Kulturschätzen gefüllt. Er aber 
hatte seine körperlichen Kräfte und seinen finanziellen 
Rückhalt dabei verzehrt. Auf Dank hatte er nie Anspruch 
erhoben, der Erfolg seiner Arbeit war ihm Dankes ge 
nug- er war halt Idealist durch und durch. Welche 
Freude aber mußte es für ihn sein, als das Jahr 1892 
ihm eine Anerkennung von damals ungewöhnlicher Art 
brachte und ihn wenige Wochen darauf mit Pflichten be 
traute, die ihm so ganz lagen und deren Erfüllung ihm 
auch die wirtschaftlichen Sorgen abnahm: Am 30. Januar 
ernannte ihn die Philosophische Fakultät der Landes 
universität zu ihrem Ehrendoktor, am 23. April 
ward er zum ersten B e z i r k s k o n s e r v a t o r für Hes 
sen-Kassel gewählt. So lebte sein Schaffensgeist im letz 
ten Jahrzehnt seines Lebens nochmal auf. Wohl war 
er bereits ein gebrechlicher Mann- sein körperliches Lei 
den stand seinem Streben oftmals entgegen. Und doch 
erfahren wir aus dem Bericht, den sein Nachfolger Alhard 
von Orach 1904 erstattete, soviel von positiven Leistungen 
des Bezirkskonservators Ludwig Bickell, daß darob alles 
Klagen über mancherlei Versäumnisse zu verstummen 
hat. Das stolze Backhaus, das der Marburger Elisabeth- 
kirche solch trefflichen Hintergrund gibt, der Turm der 
Stiftsruine zu Hersfeld, von dessen Höhe herab die Lul- 
lusglocke erklingt, und viele andere steinerne Zeugen 
einer großen Vergangenheit — sie ständen heute nicht 
mehr, wären untergegangen wie so vieles andere, dessen 
Wert die Menschen jener Zeit nicht zu erfassen in der 
Lage waren, wenn er nicht gewesen wäre, der Bezirks 
konservator Dr. h. c. Ludwig Bickell! 
1901 erlebte sein Einsatz für die Erhaltung und Er 
forschung der hessischen Baulichkeiten seine besondere 
Krönung: sein großes Werk über Gelnhausen erschien, 
womit er für das Inventarisationswerk der „Bau- und 
Kunstdenkmäler Hessen-Kassels" eine allersolideste Grund 
lage schuf. Die Arbeit fand weithin Anerkennung, und 
der Erfolg spornte ihn an, in gleicher Weise Fritzlar zu 
bearbeiten. Doch das Schicksal hatte unserm Ludwig 
Bickell frühzeitig ein Ziel gesetzt. Am 20 . Oktober 
1901 schloß er die Augen nach einem Leben, das ihm 
Sorgen und Entbehrungen, Undank und Spott ge 
bracht hatte, das aber so unendlich reich war an 
sichtbaren Erfolgen. Edward Schröder würdigte den 
charaktervollen Mann und sein Werk am Grab mit wohl 
abgestimmten Worten, die auch jetzt zum Jubiläum wie 
der auflebten. Vor allem aber feiert sein reiches Schaf 
fen nun ein Wiederauferstehen: Im Museum der Mar 
burger Universität ist (bis Ende Oktober) ein Quer 
schnitt gegeben durch das Wirken dieses Genies. Per 
sönliche Erinnerungen, die vielfachen literarischen Ar 
beiten, wertvolle Aufzeichnungen, photographische Appa 
rate, Erzeugnisse seiner Kunstfertigkeit und viele seiner 
vorzüglichen Photographien — das alles gibt uns den 
rechten Begriff von dem Lebenswerk des verdienstvollen 
Jubilars. 
Zimmermannskunst in Hessen 
Von August Gandert 
Bäuerliche Handwerkskunst ist zweckmäßig und schön. 
Immer bildet das konstruktiv Zweckmäßige mit dem deko 
rativ Schönen eine unzertrennbare Einheit. Besonders 
die bäuerliche Baukunst beweist das. Überall, wo ein ge 
sunder, freier Bauernstamm auf seiner Scholle gesessen 
hat, war die Formgebung am Haus am reichsten. 
Kaum ein zweites Gebiet in Deutschland ist so reich an 
Bauholz wie Hessen- so konnte sich schon seit ältester Zeit 
volksmäßige Kunst in der Holzbauweise erfolgreich be 
tätigen. Kein Wunder, wenn der ländliche Zimmermeister, 
selbst aus dem Gebiet erwachsen, die Gebälkfügung mit 
ausgeprägten Holzverbindungen und nicht zuletzt mit 
schmückenden Verzierungen meisterlich belebte. Ganze 
Landschaften haben durch ihn ihr eigenes Gepräge er 
halten. In der Art der Holzverbindung offenbart sich das 
Wesen alter Bauerngeschlechter, die seit Jahrhunderten 
an ihren Fachwerkhäusern Volkskunst und Handwerks 
kunst zu einer wunderbaren Einheit Zusammenwachsen
	        
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