Full text: Hessenland (49.1938)

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recht. An die Stelle der Stammesfürsten trat der sich 
bald landesherrliche Rechte anmaßende Uradel mit der 
Übernahme des Großgrundbesitzes in Hausgut, sowie der 
durch Lehensgut und Vasallenpflicht gebundene Dienst 
adel der Grafen, Ritter und Ministerialen. 
An die Seite dieser weltlichen Mächte trat schon im 
8 .— 10 . Jahrhundert als machtpolitischer Faktor die 
Land- und Machtgier der geistlichen Hoheitsträger der 
romhörigen Kirche. Von den merowingischen und frän 
kischen Königen schon mit großen Landschenkungen aus 
gestattet, lassen sich die Bistümer und Klöster mit Hilfe 
der Einrichtung des sogenannten „Seelgeräts" von den 
Freibauern Zur Sicherung ihres Seelenheils den Hos 
übertragen, den man Besitzer und Erben als Lehen Zu 
rückgab. 
Die Durchsetzung des Lehensshstems nach unten schritt 
mit der Schwächung der königlichen Gewalt fort. Der 
germanische Odalsbauer mußte sein Freigut gegen Zins- 
und Dienstleistung von dem Herzog, Grafen oder Rit 
ter, Bischof oder Abt als Leihgut nehmen und ihn als 
Obereigentümer und Schutzherren anerkennen. So kam 
das 744 gegründete Klo st er Fulda nicht nur in 
den Besitz großer königlicher Forsten, sondern bemächtigte 
sich auch einer erheblichen Zahl von Höfen und Dörfern 
in allen Teilen des Grabfeldes und anderen Gauen, so- 
daß die dringlich rechtliche Grundlage für die späteren 
territorialen Ansprüche der Abtei Fulda im Fulda-, Ul 
ster- und Sinntal gegen ihre Nachbarn, die ritterschaft 
lichen Grundherrn und vor allem das Bistum Würz- 
burg, geschaffen war. 
Bereits Zu Anfang des 10. Jahrhunderts begannen 
die Bischöfe von Würzburg Zufolge ihrer durch 
verschiedene Gaue sich erstreckenden Immunität und an 
derer Privilegien sich der Gewalt eines königlichen Kam 
merherren Zu bemächtigen. 1017 erhielten sie von Kaiser 
Heinrich II. die richterliche Gewalt über ganz Ostsran 
ken, 150 Jahre später, 1168, verlieh ihnen Kaiser Fried 
rich II. Barbarossa auf dem Reichstage Zu Würzburg 
die Würde eines Herzogs von Franken. Nachdem 1197 
der letzte (weltliche) Herzog von Ostfranken gestorben 
war, übten nunmehr die F ü r st b i s ch ö f e von 
Würz bürg als Rechtsnachfolger der fränkischen Her 
zöge sowohl die höchstrichterliche (landesherrliche) Gewalt 
als auch die geistliche (kirchliche) Disziplinargewalt über 
den größten Teil der Rhön aus. Die höhere Gerichts 
barkeit (Blutbann, vier hohe Rügen, Verbrechen) wird 
den Zentgerichten, die niedere Gerichtsbarkeit (Vergehen, 
Polizei) den geistlichen Ämtern und den Grundherren 
übertragen, deren Besitzungen Zumeist als Allodialbesitz 
(Eigentum) angesehen werden, während sie ursprünglich 
Lehen aus Königsgut waren, soweit sie nicht aus Schen 
kungen für Vasallendienste bestanden. 
Infolge der Zunehmenden Schwächung der kaiserlichen 
Zentralgewalt lösen sich im 12. und 13. Jahrhundert auch 
die ostfränkischen Gaue in einzelne geistliche und welt 
liche Territorien auf- Grundadel, Dienstadel und geist 
liche Herren Zerreißen in Zunehmender räumlicher Zer 
splitterung und in erbitterten und langwierigen Kämpfen 
das jahrtausend alte Erbe der germanischen Stammes 
verfassung. 
Im Bereiche der hohen Rhön entwickelten sich 
a) aus dem ursprünglichen Grabseldgau 
1. Die Abtei Fulda im Fuldaer Kessel, Haune- 
und Biebergrund. 
2 . —5. Die Ritterherrschaften Schneeberg 
im Gersfelder Talkessel, Ebersberg im Fulda- 
Lütter-Dreieck, Eberstein im Milseburg-Massiv, 
Tann im mittleren Ulstergrund sowie kleinerer 
ritterschaftlicher Splitterbesitz, (von Biebra, von 
Steinau u. a.) 
b) aus dem Saalegau wie seinen Untergauen und dem 
östlichen Grabfeldgrau: 
Das Fürstbistum Würzburg und ver 
schiedene Ritterherrschaften (von Bast 
heim, Voite von Salzburg, von Thüngen, von 
Nieneck u. a.) 
c) aus dem nordöstlichen Grabfeldgrau und dem 
Wistragau: 
Die Grafschaft Henneberg und rit 
terliche Besitzungen (von Ostheim, von 
Stein, von Fladungen u. a.) im Vorland des 
Thüringerwaldes. 
Die weiteren Geschicke der kleineren Landschaften der 
Hoch-Rhön und ihrer Bewohner vom 13.—18. Jahrhun 
dert werden in der Hauptsache bestimmt durch die Kampf 
stellung der beiden geistlichen Rivalen Fulda und Würz 
burg gegeneinander und ihren gemeinsamen Kampf ge 
gen die ritterschaftlichen Territorien, sowie durch die 
Stellungnahme der Ritterbünde in der Reformation und 
die strategische Schlüsselstellung der Rhön im 30jährigen 
Kriege. 
In dem 500jährigen Kampfe aller gegen alle, welcher 
der Territorialgeschichte der Rhön sein Gepräge gibt, 
treten drei machtpolitische Tendenzen be 
stimmend auf: 
1. Fulda versucht sich weltlich und geistlich von der 
Oberhoheit Würzburgs freizumachen. 
2. Fulda und Würzburg versuchen die Zer 
schlagung und Unterwerfung der ritterschaftlichen 
Territorien. 
3. Die Ritterschaft erkämpft sich im Zuge der 
Reformation gegen den machtpolitischen Druck 
der beiden geistlichen Fürstentümer die Reichsun- 
mittelbarkeit. 
Die Abtei Fulda wurde 1388 durch Kaiser Ru 
dolph von Habsburg zur Fürstabtei erhoben und besaß 
somit gegenüber dem Fürstbistum Würzburg die langer 
strebte landesherrliche Unabhängigkeit, während sie die 
geistliche Unabhängigkeit erst 350 Jahre später erhielt. 
1737 wurde die Fürstabtei Fulda zum Fürstbistum 
erhoben. Die Abgrenzung der Territorien Zwischen Würz- 
burg und Fulda erfolgte schließlich durch die Verträge 
von Hammelburg, 1683 und 1751, nach denen die Äm 
ter Hammelburg, Brückenau und die Ulsterdörfer des 
Amtes Bieberstein an Fulda fielen. 
G e o p o l i t i s ch wird die Rhön durch ihren mehr 
zügigen Gebirgsstock in drei Einbruchsräume aufgeteilt, 
auf die naturgemäß die Interessen der Anlieger einge 
stellt waren: 
Fürstbistum Würzburg: Saale, Brend- und Streutal.
	        
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