Full text: Hessenland (49.1938)

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tischen Raume blutige und erbitterte Kämpfe getobt zwi 
schen Kelten und Kalten, Hermunduren und Frankens 
Kämpfe germanischer Völkerschaften in den Tälern und 
auf den Bergen der Rhön um Siedlungsraum und 
Stammesgrenzen, strategische Plätze und Pässe, bis sich 
in der verwaltungsrüumlichen Einteilung des fränkischen 
Reichsgebietes nach natürlichen und volklichen Bedingt 
heiten die Grenzen des Gebirges als staatsrrechtliche 
Gaugrenzen herausschälten — Grenzen, die noch heute, 
nach fast anderthalbtausend Jahren, als Stammesgren- 
Zen Zwischen Unterfranken, Hessen und Thüringern und 
als Landesgrenzen zwischen Bayern, Preußen und Thü 
ringen bestehen. 
Uber die Rhön erstreckten sich in der Hauptsache Grab 
feldgau und Saalegau. Das unseren ferneren Betrach 
tungen zugrunde liegende Gebiet umfaßt insbesondere 
die östliche Zent Fulda (oberer Fulda-, Lütter, Haune- 
und Biebergrund mit Wasserkuppe- und Milseburg 
massiv), sowie den im Ulstergrund liegenden Untergau 
Tullifeld, beides Teile des Grabfeldgaues. An der Spitze 
eines Gaues stand der Gaugraf, ursprünglich als „Send 
graf" Rechts- und Sachwalter des Königs. Überliefert 
sind uns Gauthinge in Geismar (825), Schwarzes Moor 
(827) und Gersfeld (944). Die Grafen des Grabfeldes 
sind uns von 755 ab bekannt. Der Gau als Tausend 
schaft war in Zente (Hundertschaften) unterteilt. Zent 
grafen saßen u. a. an den Zentgerichtsstätten Lütter und 
Aura (Hilders). Aus ihnen entwickelten sich die Ämter 
und im 19. Jahrhundert die Amtsgerichtsbezirke Wey 
hers und Hilders. 
Im 9. bis 11. Jahrhundert treten folgende Ortschaften 
urkundlich auf (Dronke: Todex Diplomatien Fulden- 
sis, Traditiones et Antiquitates Fuldenses, Reimer: 
Historisches Ortslexikon für Kurhessen). 
a) im Zentgericht Lütter: üutra (Lütter) 816, Roti- 
bah (Rodenbach) 863, Hettenhuson (Hettenhausen) 927, 
Geresfeld (Gersfeld) 944, Smalenaha (Schmalnau) 
1011, Aldenfeldt (Altenfeld) 1048, Abbetesrode (Abts 
roda) und Boppenhuson (Poppenhausen) um 1000, 
Frienluten (Farnleiden) 850 und Eydes (Eselsbrunn) 
1093, 
d) im Zentgericht Aura: Sigifrides (Seiferts) 1057, 
Wicgereshusen (Wickers) um 800, Hiltiriches (Hilders) 
914, Waltgereshuscn (Wendershausen) 819, Tanne 
(Tann) 912, Thiedboldeshusen (Theobaldshof) 923. 
Zwei der schrifturkundlich ältesten Ortschaften unseres 
engeren Betrachtungsgebietes sind Lütter und Roden 
bach. Beide Siedlungen lagen auf naturlandschaftlich 
waldfreien Böden, und zwar Lütter auf diluvialem 
Schwemmhang am Einfluß der Lütter in die Fulda, Ro 
denbach auf der Heide- und berggrasbestandenen Hoch 
fläche des mittleren weißen Buntsandsteins und Röts 
zwischen Küppel und Simmelsberg. Rach diesen Bei 
spielen könnte, ohne einer dahingehenden siedlungskund- 
lichen Untersuchung vorzugreifen, angenommen werden, 
daß ein Teil der genannten und anderer Siedlungen 
ihrer geologischen und pflanzengeographischen Lage nach 
urlandschaftlich so gelagert war, daß sie bereits in früh- 
chattischer Zeit vor der ersten Nodungsperiode entstan 
den sind, sodaß also schon vor der merowingischen Zeit 
ein genügend starker Siedlungskern zur Bildung des 
chattischen Grabfeldgaues vorhanden gewesen ist, ja auch 
sein mußte. Spielte Lütter als Gerichtsplatz bereits 70 
Jahre nach der Gründung des auf steinzeitlichem Sied 
lungsboden errichteten Klosters Fulda eine Rolle, so 
wird Rodenbach als Grenzsiedlung an der Grenze zwi 
schen Grabfeld- und Saalegau (Paßübergang Fulda— 
Brendtal) anzusehen sein. Bon der „buchonischen Wild 
nis" Sturmi bleibt somit nur ein allerdings zeitgerechter 
tendenziöser Schatten übrig. 
Die meisten genannten Urkunden sind Schenkungs 
urkunden des Klosters Fulda und tragen die Namen 
germanischer Freibauern- als Zeugen treten uns Män 
ner entgegen, deren althochdeutsche Namen in ihrem 
vollen Lautklang uns anheimeln, die aber — die Mönchs 
kutte trugen. 
Die Nodenbacher Urkunde vom 14. September 863 
lautet in freier Übersetzung: 
„In Gottes Namen vermachen wir, Nichbald und 
Engilger, als Geschenk zu Ehren des heiligen Boni- 
sacius, des Märtyrers Christi, dessen Gebeine im Klo 
ster Fulda ruhen, in dem der ehrwürdige Abt Thioto 
die Menge der Mönche regiert, alles, war wir in der 
Siedlung Rodenbach, welche an der Grenze zwischen 
Grabseld- und Saalegau liegt, als Eigentum besitzen 
an Ländereien in Feldern, Wiesen, Weiden, Wäldern, 
Wassern und Wasserläufen, ganz und unversehrt auf 
die Weise, daß sie vom heutigen Tage ab dem vorge 
nannten Märtyrer und bereits erwähnten Abte oder 
seinen Nachfolgern in aller Unversehrtheit gehören sollen. 
Diese Überlieferung ist abgeschlossen worden im 
Kloster Fulda im Jahre der Menschwerdung des Herrn 
863 den 14. September öffentlich vor folgenden Zeu 
gen: Nichbald und Engilger, welche die Übergabe vor 
genommen haben, Ellinger, Haguno, Liobger, Nandgoz, 
Suinperath, Uago, Heriman, Hahumut, Benno." 
Rhön unter Bischofsstab und Ritterschwert. 
Die sich aus dem Eindringen römischer Rechtsanschau- 
ungen und kirchlichen Machtstrebens entwickelnden Span 
nungen und Interessenkümpse mußten sich naturgemäß 
in starkem Maße auch in der Rhön auswirken, stießen 
doch hier verschiedenartige Raum-, Volks- und Staats 
grenzen aneinander. 
Der zweite große Schicksalsabschnitt des Grenzlan- 
des Rhön beginnt sich abzuspielen: Die Auslösung der 
ostfränkischen Rhöngaue in weltliche und geistliche Ter 
ritorien und damit die Unterjochung des germanischen 
Freibauern zum grundherrlichen Untertanen. An die 
Stelle der germanischen Volkstugend der Gefolgschasts- 
treue treten Lehensansprüche und Fronhörigkeit. 
Der blutsgebundene Sippen-, Siedlungs- und Stam- 
messinn unserer Vorfahren hatte in der Odalsverfassung 
des germanischen Volksstaates einen hochentwickelten 
Rechts- und Verwaltungsorganismus gebildet, der in 
der Merowinger- und Karolingerzeit von dem römisch 
rechtlichen Feudalsystem verdrängt wurde. Altes Gemein 
gut ward Königsgut, das sippengebundene Allod wurde 
zum Feod, ;um persönlich freiverfügbaren Eigentum 
statt germanischen Volksrechtes galt fränkisches Königs
	        
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