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Müller, als er Eichendorffs „Freier" her
zurichten hatte und in schneller, frischer Entfaltung den
Reiz des romantischen Verwirrens und der schließlich
glücklichen Lösung aus einem Nichts zu zaubern ver
stand. Die romantische Wirrnis und der gute Glaube
an das Glück war auf den Brettern eine überzeugende
Ordnung geworden. Der klare, sachliche Einsatz der ein
zelnen Kräfte bedingte den wechselvollen Verlauf dieses
romantischen Lustspieles. Die ganze Aufführung be
wies, daß auch heute noch bei einer befähigten Spiel
leitung die Kunst eines Eichendorff Berechtigung hat.
Auch die Personen, besonders Ursula Schnetzler,
Iaspar von Oertzen, Franz Sauer und
Christian G o l l o n g besaßen die nötige Einstellung
zu diesem romantischen Geiste und vervollständigten den
Erfolg. Als Neueinstudierung von E r n st W e n d t
wurde Schillers „Fiese o" gegeben. So sehr auch
W e n d t s Inszenierung bemüht war, die mannigfaltigen
Charaktere und verschiedenen Bestrebungen dieses repu
blikanischen Trauerspiels in plastischer Art voneinander
abzuheben, so blieben doch die oft genannten Schwächen
spürbar. Auch der große Einsatz der Schauspieler, be
sonders die Leistung von Stefan Skodler, vermochten
nicht über diese Mängel der frühen Leistung Schillers,
völlig hinweg zu helfen. Man ist bei Schiller durch
seine späteren großen Werke zu sehr verwöhnt, um
den frühen Arbeiten ganz gerecht werden zu können. Mit
einem Schauspiel von Rappard, „Heinrich der
L ö w e", brachte Hans Carl Müller eine Uraufführung
heraus. Man wird mit Einschränkung zustimmen kön
nen. Ob es sich als wirkungsfähiges Bühnenstück er
weist, sei dahin gestellt. Es bildet insgesamt zu sehr eine
mögliche Rekonstruktion vergangener Geschichte und fce-
schränkt sich stark auf eine Aktualisierung historischer
Begebenheiten. Die Aufführung war mit großer Sorg
falt vorbereitet worden, und die Kasseler Bühne hat
alles getan, um einen Erfolg zu sichern. Ein fröhliches
und heiteres Werk gab es in der Kommödie „Lauter
Lügen" von Hans S ch w e i k a r t, die in der In
szenierung von Karl R a n d t ihre Erstaufführung er
lebte. Dieses fröhliche Stück brachte im Spielplan eine
angenehme Abwechslung, und die unbelastete Art, mit
der das Thema behandelt worden ist, verschaffte dem
Stück seine gebührende Anerkennung. Im flotten Tempo
spielten Iaspar v. Oertzen, Henni Schramm,
Cara Gyl, Ursula Schnetzler und Karl
R a n d t in den Hauptrollen das unterhaltsame und
bühnenmäßig sehr geschickte Werk. Erfreulich ist es, hier
einmal einer deutschen Kommödie moderner Art begeg
net zu sein, die lebendig und ansprechend sich beweist.
Als einmaliges Fe st spiel der Ostertage gab
die Kasseler Bühne den gesamten „F a u st". Es bleibt
ein großes Verdienst, daß man einmal im Jahre die
Gelegenheit hat, das gesamte Werk zu erleben. Die
Aufmachung und Ausstattung war die gleiche wie im
vorigen Jahr geblieben. Walter Jung spielte den
Faust und Karl Haube nreißer aus Berlin den
Mephisto.
Oer Opernspielplan erhielt in den letzten Wochen mit
der Aufführung des „Eugen O n e g i n" von Tschai-
kowski sein charakteristisches Gepräge. Diese lyrischen
Szenen ergaben einen ausgezeichneten Abend, der es mit
Recht verdiente, wieder veranstaltet zu werden. Es
sprach die Kunst des weiten Ostens. Die tragische
Schwermut des Ganzen wurde durch die E g g e r t s ch e
Spielleitung gut betont. Freilich hätte man sich gern
bei dem Bühnenbild von Walter Giskes ein glück
licheres Maß gewünscht. Die Bühne war manchmal all
zusehr nur vom malerischen Standpunkt gestaltet wor
den. Eine Oper für kleine und große Leute stellte der
„Schwarze Peter" von Norbert Schultze vor.
Fritz Wiek konnte hier seine gute Begabung für die
Spieloper zur Geltung bringen. Paul Berger und
Walter Kocks waren vortreffliche Könige. Hermann
Abelmann und Elsa Schumann seien ferner genannt.
Was die Kräfte der Oper zu leisten vermögen, stellte die
Heger' sehe Oper „Der Bettler Namenlos"
unter Leitung des Komponisten dar. Mit großem Auf
wand und vorbildlicher Liebe hatte man sich des Werkes
angenommen. Alf Rauch und Alfred Vorchardt
schufen ein vortreffliches Spiel.
Das Gastspiel der Solotanzgruppe desBal-
letts vom deutschen Opernhaus Berlin
bedeutete in seinem lockeren und umfangreichen Pro
gramm eine ausgezeichnete Vorführung der ersten deut
schen Tanzgruppe. Künstlerische Kräfte wie Rolf
A r c o , D a î s y S p i e s , die Geschwister Margot
und Hedi Höpfner beherrschten mit ihren großen
Leistungen. Für die Pflege des Tanzes in Kassel bil
dete dieses Gastspiel einen wesentlichen Erfolg, der mit
starkem und ehrlichem Beifall gewürdigt wurde.
Die April-Aus st ellung des Kunstver-
e î n s brachte Holzschnitte von Switbert Lobis-
s e r, im rechten Augenblick eine freundliche Geste, als
eben die Ostmark zum Reich gekommen war. Dies klare
Bekenntnis zum deutschen Volkstum, das sich in den
Blättern offenbart, bedeutet die große Grundlage einer
humorvollen und reichen Schilderungsgabe. Mit Lo-
bisser waren zwei heimische Künstler Hugo Nob
le d e r und Johannes Neinhold vertreten. Nohleder
zeigte zum ersten Male in einer Gesamtschau sein Werk,
das mit vielen Bildern sein Können beweist. Seine Bild
nisse sind starke Leistungen, die mit großer Achtung zu
nennen bleiben. Johannes Neinhold stellte viele
gut gearbeitete Bildwerke aus, die lebendig empfunden,
anschaulichen Darstellungen ergaben.
In einer F r ü h j a h r s - A u s st e l l u n g wurden
Aquarelle, Graphik und Plastik vereinigt. Viele erfreu
liche Arbeiten waren aus dieser Schau des heimischen
Schaffens vertreten. Die Aquarelle von Beyer, Buch
hart, Vogler, Drescher-Itter> Volker-Fabricius ergaben
einen hohen Durchschnitt und besagten, welche verschie
denen Anschauungen das Schaffen bestimmen. Von den
Bildhauern sei Heinz Wiegel, Erwin Schilling, Cauer
und andere erwähnt.
H. K r a m m