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und dann sich wieder in seinem gleichmäßigen, fast Zähen
Leben vernehmen läßt, das getreu landläufigen Bahnen
sein gut erreichbar gestecktes Ziel gewinnt. Die hessische
Geschichte kennt große Würfe, die gelangen und eine
deutsche Lage zu bringen vermochten.
Hessen hat stets eine große Kraft der schöpferischen
Anregung und geistigen Vermittlung bewiesen. Große
Probleme der hessischen Kunstgeschichte werden berührt,
wenn die Frage einer inneren Verwandtschaft, die nicht
blutsmäßig bedingt ist, gestellt wird. Aus allen Zeiten
lassen sich die Namen nennen, die man entweder mit
beiten entweder kurze Zeit im Fuldischen oder reifen,
wie Gallasini, zu ihrem entgültigen Schaffen. Aber auch
der kurze Aufenthalt steht in einer entscheidenden Ver
bindung mit dem Hessischen. Wollte man diese Proble
matik noch weiter aufzeigen, so müßten die wesentlichen
Zusammenhänge geklärt werden, die einen Konrad von
Soest oder Nahl mit der Wirkungsart unserer Land
schaft verbinden. Wäre diese Zusammenstellung vollstän
dig, so würde sich ein überaus reiches und fruchtbares
Feld des geistigen Lebens ergeben, das in dem stetigen
Nehmen und Empfangen, in dem Geben und Verschen-
Ansicht von Marburg, Sommerlandschaft
einer bloßen Zufälligkeit erklärt, daß dieser oder jener
sein Werk in Hessen geschaffen hat, oder daß sie die geistige
Macht fruchtbarer Anregung als ein Gesetz der hessischen
Landschaft beweisen.
Es treten in der hessischen Kunstgeschichte Künstler
anderer Stammesherkunst auf, die völlig in der Eigen
art des Hessischen ausgegangen sind, es kommen Per
sönlichkeiten vor, die von ihrem ganzen Lebenswerk die
wesentliche Tat in Hessen vollbrachten. Eine Familie
wie die der du Nh ist als Hugenottenblut in der heimi
schen Eigenart ausgegangen, ein Baumeister wie Guer-
niero hat sein einziges großes Werk, die Herkulesanlage,
in Hessen geschaffen, ein Bildhauer wie Monnot voll
endete seine bedeutende Arbeit, das Marmorbad, eben
falls in Hessen. Diese Tatsachen beweisen die Aufnahme
fähigkeit der hessischen Landschaft und stellen unmittel
bar das fruchtbare Verhältnis des geistigen Austausches
dar. Denn was geschaffen wurde, ist letztlich nicht ein ita
lienisches oder französisches Werk sondern es empfing auch
von der Eigenart des Gastlandes. Auch die gesamte
Baugeschichte des Fuldaer Barocks bringt die gleiche
Lage. Männer wie Dientzenhofer, Stengel, Gallasini ar
ten des schöpferischen Lebens die große Kultur dieser
Landschaft ausmacht.
Diese großen Probleme der Befruchtung und Erschlie
ßung sind auch im 19. Jahrhundert in der hessischen
Kunstgeschichte anzutreffen und bilden auch in dieser
Zeit einen bedeutsamen Beitrag. In jenem Augenblick,
als die künstlerische Entwicklung die Schönheiten und den
besonderen Ausdruck der einzelnen Landschaft begehrte
und zu ihrer Deutung verlangte, wurde Hessen um seiner
landschaftlichen Reize willen viel aufgesucht. Unter der
Zahl der Künstler, die nach der Mitte des Jahrhunderts
von außerhalb nach Hessen kamen, und hier oft neben
und mit den hessischen Malern selbst wirkten, sind
manche bekannte und auch bedeutende Namen. So malte
Eugen Bracht im Neinhardswalde, Eduard Weichberger
und Albert Lang suchten die Röhn auf, Hans von Volks
mann fand seine Motive in der Schwalm, Robert Sterl
wandte sich dem Vogelsberg zu, Franz Eichhorst arbeitete
in der Schwalm. Viele waren fernerhin im Niederhcssi-
schen tätig,' besonders die Kräfte der Akademie suchten
die nähere Umgebung von Kassel auf.
Unter diesen Malern, die im 19. Jahrhundert von