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in Besitz genommen ist, da er glaubt, Sie hätten
es ihm bestimmt, bey welcher Ansicht ich ihn anch
lasse, ihm das Werk aber heimlich nnr leihe. Ich
danke Ihnen gar herzlich, Sie lieber Grimm,
welchen ^Worten Sie immer Glanben beimessen
dürfen, wenn gleich ich Ihre Gabe wohl kanm
znm dritten Theil verstehen kann. Es ist doch
eine Arbeit von Ihnen, an der Sie nnter Leid nnd
Freud in Sorgfalt weiter gebaut, die Sie mit
großem Nachdenken nnd gewissenhaftem Nach
schlagen zn Stande gebracht, die nicht allein ge
lehrt, sondern anch frisch nnd lebhaft im Styl
ist, wenn ich von dem, was ich darin gelesen, einen
Schlnß anfs übrige mache. Die Zeichnungen
aber habe ich mir recht besonders angesehen, weil
Sie vorgaben nicht ordentlich zeichnen zn können.
Unser alter Stein, der anch in der Abbildnng
natürlich wie ein gebogener Arm ohne Schnlter
nnd Hand anösteht, ist dnrch Sie zn hohen Ehren
gebracht, nnd ich werde von nnn an mir einiges
daranf einbilden, daß es einen Iettenberg nnd Rie
sengräber in nnserer Gegend gibt. Aber das
letzte Blatt bleibt Ihr.Trinmpf, nnd bei diesem
wär ich ganz im Ansang beinah ans die dreiste
Frage gekommen: Grimmchen! können Sie be
schwören, daß hieran der Maler sLndwig
Grimms keinen Strich gethan? Jetzt aber bin ich
geneigt, Ihnen ganz allein den Rnhm znznerken-
nen. Bei die Urne nnd die Steine wird Ihr Bnch
niemals gelegt, indem mir die Kinder beide höchst
merkwürdige Gegenstände ans meinem Zimmer
in die Bibliothek hmansbnchstabiert haben, da sie
es nicht mehr mit ansehen konnten, daß ich die
schweren Steine beim Kehren nnd sonstiger Rän-
merei bald hier bald dort hin trng, nnd wirklich
steckte mich der Kinder Gleichgültigkeit gegen die
Urne so weit an, daß ich ein Papier voll Asche
nnd Granß ans dem hohen Bibliotheksfenster den
VRnden preisgegeben. Das Übrige verwahrt
aber der Ihnen bekannte geharnischte Mann".
In seinem Bnch „Uber deutsche Runen"
(S. 274 ff.) gibt Wilhelm Grimm folgendes
Urteil über die geheimnisvollen Rnnen ab: „Sie
(die fünf Steine) wnrden sämtlich anfbewahrt
nnd ich kann sie ans eigener Anschannng beschrei
ben. Alle fünfe bestehen gleich den übrigen in
dem Hügel ans gewöhnlichem Sandstein nnd find
Brnchstücke; es ist anch gar kein änßerlicher
Grnnd da anznnehmen, daß sie einmal Znsam-
menhang gehabt nnd ein Ganzes ansgemacht
hätten, sie sind im Gegenteil von verschiedener
Dicke. An einem könnte wohl eine Seite be-
hanen gewesen sein, doch will ich darüber nichts
entscheiden. Die Oberfläche, ans welcher sich die
Zeichen finden, ist nicht vorher zngerichtet oder
geebnet worden, sondern scheint so, wie sie sich
gerave gefnnden hat, benntzt. Daher fallen die
Zeichen mit natürlichen Rissen nnd Unebenheiten
znsammen nnd sind manchmal schwer zn unter
scheiden. Was nnn diese selbst betrifft, so
machen sie obenhin betrachtet den rohen Eindrnck,
als sey mit einem Werkzeng von Eisen ans dem
Stein willkürlich hin nnd her gehanen nnd ein
gegraben, oder, wäre es weiche Maste gewesen,
als habe sich etwa die Spnr von Vögeln einge
drückt. Es sind lanter neben nnd ans einander
gelegte, bald flacher, bald tiefer gehanene Spitzen
nnd Keile, wobei doch anch krnmme nnd halb-
rnnde Züge vorkommen. Dies alles spricht ge
gen eine Bedentnng nnd für eine bloß znfällige
Entstehnng derselben; ans der andern Seite aber
mnß man die Ubereinstimmnng ans allen fünfen
berücksichtigen nnd nach genaner Betrachtnng
kann ich nicht anders glanben, als daß einige Fi-
gnren vorsätzlich eingegraben sind, zn welchem
Zwecke es anch immer mag geschehen seyn; wo-
rans aber natürlich noch nicht folgt, daß es
Schriftzeichen find."
Grimm teilt dann noch mit, datz Anfang des
Jahres 1819 Herr Forstmeister Fritz von
Schwertzell (der Brnder von "Wilhelmine) in dem
T8ald bei Spangenberg einen Stein gefnnden
habe, dessen Oberfläche ähnliche Zeichen enthielt.
Er kommt dann mit dentlicher Polemik gegen
Professor Rommel zn dem Schlnß: „Ans welche
Seite man sich anch neigt, immer ist bei der
Möglichkeit einer Bedentnng dieser Zeichen nnd
da schon manches nnbestimmte oder vergrößernde
Gewicht davon ins Pnbliknm gekommen ist, die
Pflicht da, eine sichere Nachricht darüber zn ge
ben". Er schreibt den Grabhügeln wegen der
Roheit der Masse nnd der Form an den Urnen
nnd der Einfachheit der Konstruktion ein sehr
hohes Alter zn nnd glanbt sie in die heidnische
Zeit versetzen zn dürfen. Er glanbt, daß eö chat
tische Gräber seien wegen der Ähnlichkeit mit den
nordischen nnd weil die Chatten bis heute nie
mals ihre ursprünglichen -Sitze gewechselt hätten.
Auf heidnisches Alter glanbt er anch deshalb
schließen zu dürfen, weil man vor nicht langer
Zeit in der Nähe des Grabhügels einen Donner
keil gefnnden, der die Vermutung eines minde
stens neunzehn hundertjährigen Alters gestatte.
Uber den Fund eines Donnerkeils berichtet
Wilhelmine von Schwertzell an Wilhelm
Grimm in einem Brief vom i6. Februar 1625.
Es mnß sich also hier nur um einen andern Fund
handeln, weil der von Grimm erwähnte Donner
keil schon vor 1821 gefnnden worden war. Sie