75
aber längst vorbei, nur das Schotterwerk Seiferts
ist noch in Betrieb, Torf wird nur für die benach
barten Bäder gewonnen.
Der Mensch selbst wohnt im Tal oder höch
stens am Hang, nur einige Gasthöfe sind auf die
Höhe vorgestoßen. An der Wasserkuppe war es
der Segelflugbetrieb, der hier mehrere Gaststätten
entstehen ließ, an wenigen anderen Stellen ent
standen Rhönklubhütten, die besonders für den
Wintersport, für den die Rhön vorzüglich geeig
net ist, Bedeutung haben.
Nach kurzem Betrachten der geo
logischen Geschichte der Heimat
waren sechs verschiedene Land
schaften erkannt und beschrieben
worden: Basaltflächen im W e st e n ,
Bnntsand st eintafeln, Fuldaer
Becken, F l i e d e n i e d e r! u n g , R h ö n -
Vorland und Hochrhön, Jetzt muß
volkstumknndliche Sonderforschung einsetzen, um
zu prüfen, wieweit nicht nur Völker in groß-
Die Anlage
des hessischen Dorfes.
(Schluß)
Damit sind die Grundformen des hessischen
Dorfes der älteren Zeit genannt. Im 17. und 18.
Jahrhundert haben die hessischen Fürsten regel
mäßig geplante Siedlungen angelegt, die nicht
mehr in den Rahmen dieser Betrachtung fallen.
So wurde Schwabendorf im Kreis Mar
burg „Auf der Schwabe" 1867 für französische
und wallonische Familien, W aldensberg
(Abb. 14) im Kreise Gelnhausen 1699 für TDal-
denser gegründet usw.
Aus diesen einfachen, aber reicher Abwandlung
fähigen Grundlagen, wächst organisch das Stra
ße n b i l d heraus durch die Reihung der Höfe in
lebendigem Rhythmus. Wo die Höfe sich mit der
Breitseite zur Straße öffnen, entsteht eine beson
ders abwechslungsreiche Reihe: Wohnhausgiebel
— Hof — Stallgiebel (Abb. 15); wo sie nach
der Tiefe angeordnet find, sieht nur der Wohn
hausgiebel an der Straße, vom Nachbarhause
durch den Hof getrennt (Abb. 16). Nie aber find
solche Reihungen schematisch durchgeführt. Durch
die Krümmung der Straße, die Höhenbewegung
des Geländes entsteht ein immer neuer Wechsel
der Lage und sede Aufgabe ist aus den natürlichen
Gegebenheiten heraus organisch und ursprüng-
räumigen Landschaften, sondern auch Volksge
meinschaften auf engbegrenztem Raum Eigenhei
ten und Eigenarten annehmen. Viele Unterschiede,
die einem zwischen benachbarten Dörfern auffal
len, sind geschichtlich bedingt, vieles aber auch
verursacht der Boden und die Lebensmöglichkeit,
die er bietet. Und da sollen vorstehende Ausfüh
rungen Anregung und Grundlage geben zu hei
matkundlichem Forschen.
Ein Wunsch sei noch zum Schluß geäußert.
Gerade heute setzt durch Freiwilligen Arbeitsdienst
und Notsiandsarbeiten eine gründliche Umgestal
tung der Heimatlandschaft ein, Gewässer wer
den begradigt, die blockbestreuten Huten der Rhön
verschwinden. Da wäre eö sehr erwünscht, wenn
kleine Gebiete als Naturschutzflächen erhalten
würden, damit auch unsere Enkel noch erkennen
können, wie ihre Vorfahren einst wirtschaften
mußten, mancher Brauch und manche alte Sitte
wird so verständlich, dazu wird auch praktischer
Forschung oft ein Vergleichsobjekt unentbehrlich
sein.
Von Oberregierungs- und -baurat Dr.-Ing. G e ß n e r ,
Geschäftsführer des Lanvesplanungsverbandes Kassel.
lich gestaltet in unbekümmerter Schaffenslust, da
inan ja unmittelbar aus den reichen Ouellen ein
heitlichen Volkstums schöpfte, in stetiger Entwick
lung des von den Vätern Überlieferten.
Strenger und „städtischer" wirkt die Reihung
niedersächflscher Giebelhäuser z. B. in Rhoden
im Kreise Arolsen (Abb. z), die nur durch eine
schmale Brandgafse getrennt find, öder von Häu
sern, die in mehr oder weniger geschlossener Reihe
die Traufe der Straße zuwenden und den Hof
hinter dem Hause mit einer Durchfahrt zugäng
lich machen, wie in Roßdorf im Kreise Hanau
(Abb. 17). Nirgends aber herrscht eine starre,
der Wirklichkeit aufgezwungene Fluchtlinie, nie
besteht ein flauer, schematischer Abstand zwischen
den Häusern. Entweder liegt eine Hofbreite zwi
schen ihnen oder sie rücken nahe zusammen. Stets
bestimmt der s 0 z i a l e O r g a n i s m u s der
D 0 r f g e m e i n s ch a f t die Gestaltung! Das
ist neben aller Zerstörung künstlerischer Werte
wohl das Schlimmste an der Verunstaltung unserer
Dörfer, das jedes Gefühl für den sozialen Zusam
menhang verschüttet und sein lebendiger Ausdruck
in der Ortsgestaltung totgeschlagen ist! Solange
das nicht klar erkannt wir), kann von organischer
Neugestaltung keine Rede sein.