Die Knechte Hänns (Johannes) und Hans
standen schon um Z Uhr auf. Sie haben dunkel
blaue Wollstrümpfe und alte nagelbeschlagene
Riemenschuhe angelegt, die so ungefähr bis an
die Knöchel reichen. Über den Strümpfen folgen
dunkelbaumwollene Gamaschen, die um den Fuß
mit Leder besetzt find. Die Schwälmer Hosen be
stehen aus grauschwarzem „Kalmuck" oder ans
„Eisenfest". Sie werden unten den Knieen mit
Hirschlederbändeln geschlossen, die an den Enden
in eine Eiform übergehen. Bei Hanns sehen
diese Bändel dunkelblau, bei Hans (Trauer) weiß
aus. Von diesen Bändeln schreibt sich der
Vers her:
Seng dr da die Hosebängel länger bie die
Strempe,
Eß dr da ds räächte Bee länger bie ds
lenkte?
Die Brust bedeckt beiden der dunkelblautnchene
Brustkappen (Weste), darüber ziehen sie ihren
älteren dunkelblauen Leinenkittel an, der bei
Hänns am Halskragen, an den Achselstücken, am
Brustausschnitt und an den Armelbündchen eine
kleine grüne Stickerei trägt, bei Hans den unge-
schmückten Kittelstoff sehen läßt. Der Kittel
reicht beiden bis etwa zu den halben Waden.
Aus dem Kittelschlitz am Halse ragt das unter
den Hemdkragen durchgebundene schwarzseidene
Halstuch schlipsartig heraus. Als Kopfbedeckung
benutzen beide Knechte eine ältere schwarze Bram
kappe.
In der Zwischenzeit haben die Pferde das
Hellfutter, den Hafer und das Heu gefressen
und auch ihren Morgentrnnk aus den Stall
eimern zu sich genommen. Wenn das Tages
licht mit der Nacht ringt, werden sie ange
schirrt und hinaus vor den Pflug gebracht. Der
Hilgeacker muß heute geackert und nachmittags
gesät werden.
Gegen 6 Uhr steigen der „junge Herr" und
seine Frau aus dem Bett.
Hä (Er) kleidet sich ähnlich wie Hänns, nur
etwas bester, fee (sie) zieht weiße Wollstrüinpfe
mit weißer Zwickel oder weiße Baumwollen
strümpfe mit weißer Zwickel an. Die Strumpf
bänder haben schwarze Farbe und zeigen grünen
Blumenschmuck. Dann steckt sie die Füße in
Schnallenschuhe, die mit viereckigen Messing
schnaller versehen sind. Es folgen 3—5 grün
eingefaßte Schwälmer Beiderwandröcke. Auch sie
benutzt eine grünliche Druckzeugjacke, mit Halb
ärmeln. Zhr Halstuch ist ein grünes Wollfran-
chentuch mit einer entsprechenden farbigen Blume
im Rücken. Den Kopf bedeckt eine schwarze
Betzel, deren Boden eine grüne Stickerei trägt.
Die schwarzseidenen Betzelschnüre (-Länder) zei
gen an den Enden eine kleine grüne Strickerei.
Gegen 7 Uhr sind Klaus und Lejsewith
(Elisabeth), die beiden Kinder, aufgestanden,
ebenso im Ellerhaus (Elternhaus) die Eller
(Großmutter) und der Ellerhäd (Groß
vater). — — — — — — — — — —
Der Zunge ist Hänns ähnlich gekleidet, nur
hat er keine Gamaschen an; seine weißleinenen
Schwälmer Hosen sind durch buntgeblümte weiße
Leinenbändchen geschlossen (Hoselempeschschnur,
Hoselemper — Lumpensammler) und an Stelle
des Brustlappens hüllt seine Brust eine grün
betupfte Straminweste ein, Lejsewith ist in der
Kleidung eine Miniaturausgabe von Ann. Der
„alte Herr" ähnelt in der Kleidung seinem Sohn,
sein Kittel trägt jedoch keine Verzierung und seine
Hosenbändel haben weiße Farbe. Die Eller hat
ihre weißen wollenen Strümpfe angetan.
Strumpfbänder, Röcke, Zacke ans Kaschmir,
Halstuch und Betzel find schwarz. Den schwar
zen Betzelboden schmückt gewöhnlich keine Stik-
kerei, höchstens „Hühnerfüßchen" oder das
„Bäumchen". Als Betzelbänder werden schwarz
wollene gewählt.
Um 8 Uhr schreiten die beiden Kinder, den
Schieferstein (— Tafel) mit den darauf lie
genden Schulbüchern und der Griffelbüchse
unter dem rechten Arm, zur Schule, zu der es
eben klimpert (läutet). Der „alte" und der
„junge Herr" deschkeriern (verabreden sich) zu
sammen, daß sie zu den Knechten auf den Acker
und der Ellervater zu den Miigden auf die
Bachwiese gehen wollen, um nach dem Rechten
zu sehen. Die Eller und die „junge Frau"
eilen an den Herd; die Eller kocht Schnitzen
suppe (Gerstensuppe mit Apfelschnitzen) und
ihre Schnärch (Schnur, Schwiegertochter) hat
vor, heute Sulperknochen und Sauerkraut auf
den Tisch zu bringen.
2. Schwälmer Frühlingötracht beim Kirchgang.
Frühlingssonntag in der Schwalmgegend.
Vom Kirchturm ruft die Glocke das „Zeichen"
zum Gottesdienst. Dem „Zusammenläuten" (mit
zwei Glocken) folgt u. a. das Gesinde in
Meierhause Hof, das heute „an der Reihe"
mit dem Kirchgang ist. Bald stehen die ker
nigen Gestalten der Burschen (junge Miinner)
auf der Burschenborlew (— Empore). — —
Alle tragen den dunkelblauen, hemdartigen
Schwälmer Kittel (früher das blaue Kamisol),
der bei den Burschen, die keine Trauer haben, mit