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zweige, ist nur zu natürlich. So hat es denn heute,
bei vorläufig geringem zahlenmäßigen Rückgang der
Einzelbetriebe, nur allenfalls die Gefamterzeugnng
aufzuweisen, wie sie vor dem Kriege bestand, und
macht obendrein gegenwärtig durch die Konkurrenz
der Fabriken eine Krisis durch, vor der es in der
vorausgehenden Zeit feiner höchsten Blüte durch
besondere Umstände bewahrt geblieben ist.
Ehe in Lindewerra durch den als Flüchtling
von der Plesfe zugewanderten Wagner die Stock-
macherkunst heimisch wurde, und zunächst noch
geraume Zeit, mußte das abseits gelegene Dorf
mit der kleinen Feldmark seine Söhne hinaus-
schicken: als Maurer und Weißbinder, zum Wege
bau und in die Ziegeleien. Jetzt ist das einst als
armseliges Nest verschrieene und womöglich oben
drein mit übeler Nachrede belastete Lindewerra
eines der schmucksten und ansehnlichsten Dörfer
weit und breit: saubere Straßen, alle Häuser mit
freundlichem Anstrich, zahlreiche Anbauten und
Neubauten, ein gepflegter Friedhof. Nur allein
das Kirchlein, ein Bau des 16. Jahrhunderts mit
den drei hansteinischen Halbmonden in der Wetter
fahne, verrät nichts von dem heutigen Wohlstand
der Bewohner: es könnte recht wohl auf den hier
übel angebrachten spätgotischen Schnitzaltar ver
zichten, wenn durch dessen Verkauf an ein staat
liches oder landschaftliches Museum die (Mittel
für die Herrichtung des baulich garnicht reizlosen
Innern und eine neue Orgel beschafft würden.
Die Wasserversorgung des Schlosses und der Stadt Marburg
einst und fetzt. Karl Just, in Marburg.
Zweiter Teil:
Die alte Wasserversorgung der Stadt,
i. Die Quellen.
Den Marburger Felsriegel durchschneiden meh
rere große Verwerfungen, aus denen Wasser her
vortritt oder vor der Bebauung hervortrat. Eine
Quelle, die 1764 in einem Antrage des Magist-
ratö auf Erbauung des „Beringbrunnens" erwähnt
ist, entsprang am Plan aus dem Halsgrabenriß
(s. Abb. 1, Kreis rechts von 8). Aus ihr schöpf
ten vor Zeiten die Ansassen bei der Hofstadt und
der Kilianskapelle ihr Master. Eine andere fließt
vor dem Barfüßertor, da wo der Weg zum Ro
tenberg abbiegt, aus dem Bruchspalt zwischen
Hainblock und Dammelsberg. Hier labten sich
Roß und Reiter, ehe sie von Süden her in die
Stadt einzogen; dicht dabei stand eine dem H.
Nikolaus, dem Patron der (Wanderer geweihte
Kapelle. Jetzt ist die Quelle in den Schwemm
kanal abgeleitet und durch eine Tür verschlossen.
Aus der Verwerfung, die den Schloßberg im
Norden und das Grundstück der Boppschen
Brauerei gegen die Senke des botanischen Gar
tens abschneidet, ergoß sich der „Klingelborn am
Pilgrimstein" (1483, 1526) — vermutlich
speiste er die städtischen Badestuben daselbst —,
und weiter im Tal der „Klingelborn" am Bie
gen, an der Lahn bei der Deutschordenswiese
(1320 ff, 1365). Am Nordabbruch jener Senke,
am Sockel der Augustenruhe, finden wir die
stärkste städtische Quelle, den St. Elisabethborn.
In seiner Nähe erbaute die fromme Fürstin ihr
Krankenhaus.
7483 errichtete der Orden ein neues Brunnen-
gebäude mit einer Vorrichtung znm Emporwin-
den der Wassergefäße. 7309 erhält Eonrad der
Maurer 21% Pfd. V/2 d. „für den heiligen stock
zu rnachen bi sent Elisabeth born". 7535 wurden
zur Erneuerung des Kuinpfes 20 Karren Steine
angefahren. 7547 bittet der Komtur die Stadt
um die Erlaubnis, die Quelle in das Deutsche
Hans leiten zu dürfen. 7675 meldet die Trappe-
neirechnnng, daß der Brunnen in die Küche geht.
Kleine Abflüsse aus den Wasserhorizonten gibt
und gab es znm Verdruß der Hausbesitzer an meh
reren Stellen *). Die Ketzerbächer hatten ihren eige
nen Brunnen; sein Wasser kam aus der vom
Schlag heräbfließenden Ketzerbach (Viereck links
vom D. Haus, Abb. 7). Grnndwafserbrnnnen
befanden fich am Grün seit 1483 (Fronhofer
Born, Ziehbrunnen mit knanfgeschmücktem Born-
*•) In dem Majeruschen Garten (Barfüßertor 16)
befand stch noch vor 30 Jahren als Gegenstück zu dem
Vorkommen im Dammelsberg (s. S. 70g) eine geolo
gisch bemerkenswerte Grottenquelle. Ein überwölbter
Eingang führte über 8 Stufen hinab in eine über
mannshohe, 4 Meter lange Felskammer, in der stch
das Schichtwaffer zu einem mehrere Fuß tiefen See
ansammelte. Spielende Kinder gondelten in einer
Waschbütte auf dem Wasser umher. Die jetzt ausge
trocknete Grotte dient als Gartenkcller. l'lber den Born
im Dammelsberg teilt mir Herr Architekt Rumpf mit,
daß er vor 70 Jahren durch Grabungen eine Ton-
röhrenleitung von der Duelle in südlicher Richtung big
in ein Grundstück oberhalb des Sandwegs nachgewie
sen hat. Vermutlich befand stch ani Sandweg eine
Zapfstelle, die den steilen Anstieg in den klrwald er
sparte. Einige der nach dem einen Ende verjüngten
Röhren verwahrt die Sammlung des Kunstinstituts.