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lingen fyat sich dieses jugendliche Handwerk nie ent
wickelt.
Man kann in seiner Entwicklung vier Etappen
oder Stufen unterscheiden, die sich gleicherweise aus
dem Vvandel des Materials und der Vervoll
kommnung des Werkzeugs ergeben, aber natürlich
auch in den wechselnden Absatzgebieten und Abjatz-
möglichkeiten zum Ausdruck kommen.
Die Stockmacherei galt im Anfang fast aus
schließlich der Herstellung von Eichenstöcken mit ge
bogenem Rundgriff oder mit Ouerhaken, und sie
war infolgedessen von dem Eichenniederwald-Betcieb
abhängig, wie dieser wieder von der Lohgerberei.
Als das südamerikanische Ouebrachoholz auch bei
uns seinen Einzug hielt, das durch reicheren Gerb
stoff (14—2 6 °/o) die Eichenlohe (io—15%) über
traf und obendrein eine raschere Wirkung erzielte,
da war der Eichenniederwald stark gefährdet, und
auch der Kleinbetrieb der Lohgerberei machte mehr
und mehr der Lederfabrik Platz, wovon wir ja
iiberall die Zeugen gewesen find: in meiner Vater
stadt Witzenhansen erinnert heute nur eben der
Name der „Lohmühle" an ein vordem ange
sehenes Handwerk, das in dem benachbarten Esch-
wege eine noch ganz andere Bedeutung hatte.
Zn der ersten Zeit, bis gegen 1860 hin, hat das
Eichenjnngholz der nächsten Wälder im allgemeinen
ausgereicht, zumal schon Vvagner selbst einen
Waldbefitz von etwa 60 Morgen erwarb (ans
dem er natürlich auch die Lohe verkaufte) und man
immerhin die Ncöglichkeit hatte, auf das andere
Werraufer nach Oberrieden und anderseits auf
das Eichsfeld überzugreifen.
Aber mit dem Anwachsen der Hausbetriebe, mit
der Aufgabe des eigenen Haufierhandelö und der
Übernahme größerer Aufträge teils fertiger teils
halbfertiger Ware von auswärtigen Engros-Be-
stellern, unter denen die Firma Rocholl in Kassel
besonders hervortritt, reichte das heimische Ma
terial nicht mehr aus, und schließlich zogen die
Lindewerrer hinaus in die südwestlichen Landschaf
ten, wo es feit alter Zeit „Hackwälder" oder
„Hauberge" in weit größerem ümfange gab: ins
Siegerland, in den Westerwald, an die untere
Lahn, an Mosel und Nahe, ja bis in die Pfalz.
Man hatte rechtzeitig erkundet, daß dort die ab
geschälten Eichenschößlinge an Ort und Stelle oder
allenfalls zu Hause verbrannt wurden. So erwarb
man billig und bequem große Mengen des ge
suchten Stockholzeö — die Reise und der Trans
port lohnten sich.
Haben wir bisher nur immer von Eichenstöcken
geredet, so ist es doch natürlich, daß, wenngleich
in geringerem Umfang, von vornherein auch andere
Holzarten gelegentlich Verwendung fanden, sei es,
daß fie sich dem die Wälder absuchenden Stock
macher von selbst boten, sei eö, daß fie ihm von
auswärtigen Bestellern zur Verarbeitung geliefert
wurden. Hierfür kommt besonders der Ahorn und
die Edelkastanie in Betracht, und mit ihrer Ver
arbeitung hängen die Wanderungen der Linde
werrer Erzeugnisse in das ferne Afrika zusammen.
Da sind einmal die sog. „Kongostöcke": Kastanien-
stämmchen, die während des Wachstums künstliche
Schnittnarben als spätere Zierde erhalten haben,
Entfernen der Ksle mit dem Schnitzer
Aufnahme: Pieper u. Rühe kfochschulkreis-Rlischee
und dann die Ahornstöcke mit bizarren Verzierun
gen, die vor dem Kriege massenhaft als Tausch-
artikel nach dem Kapland ausgeführt wurden —
und die dann zuweilen als völkerkundliche Kuriosa
in unsere Museen zurückgewandert find!
Damit find wir aber bereits in einen dritten Ab
schnitt eingetreten, in dem mit dem langsamen und
bald beschleunigten Schwinden der deutschen Loh
wälder der Bezug und die Belieferung mit frem
dem Holz, und gerade auch mit fremdem Eichenholz
einsetzt. Zugleich aber beginnt sich auch in diesen
Heimbetrieben die Anwendung zunächst einfacher
Maschinen und weiterhin die Verwertung der elek-