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Der alfe Hafer.
Am i. November des Jahres 1933 waren hun
dert Jahre feit dem Eintritt Karl Hafers in den
Verband des Kasseler Hoftheaters verflossen, dem
er fast 34 Jahre ununterbrochen angehören sollte.
Fast ein halbes Jahrhundert ruht der Künstler
nun schon draußen vor dem Holländischen Tor;
da wird eö alten Kafselanern, denen Hafers herz
erfrischender Humor so viele genußreiche Stunden
bereitete, nicht unwillkommen sein, wenn diese,
seinem Gedächtnis gewidmeten Zeilen, die die lie
benswerte Ntenschlichkeit dieses Mannes nahe
bringen wollen, zugleich den Satz zu widerlegen
suchen, daß die Nachwelt dem Ntimen keine
Kränze flechte.
Wenn mir selbst auch aus meiner Gymnasia
stenzeit noch «einige treffliche Rollen Häsers lebhaft
in der Erinnerung stehen, so darf ich mir doch
über sein Gesamtschaffen kein Urteil anmaßen
und verweise deshalb auf meinen verstorbenen
Freund Wilhelm Bennecke (Das Hoftheater in
Kassel, 1906), der es den vorzüglichen Leistungen
Häsers und feines Kollegen Hesse zuschreibt, daß
in jener Zeit hauptsächlich Posse, Vaudeville und
sonstige lustige Stücke gepflegt wurden. „Der
trockene Humor Häsers, der besonders den alten
Dienerrollen eine so drastische Färbung gab, ver
fehlte nie seine Wirkung. Durch einen einzigen
Zug seines behäbigen Gesichts, eine einfache Hand
bewegung, ein einzelnes Wort brachte er unbe
wußt oft den größten Effekt hervor, denn alles,
was auch nur im entferntesten nach Effekthascherei
aussah, war ihm ein Greuel. Aber nicht im
komischen Fach allein, auch in ernsten Väterrollen
befriedigte er im hohen Grade, wobei sein sonores
Organ ihm sehr zustatten kam."
Zunächst einige familiengeschichtliche Notizen. In
Karl Häser steckte rechtes Theaterblut. Ich habe
in seiner nächsten Verwandtschaft bis jetzt allein
zwanzig Bühnenmitglieder feststellen können. Der
Vater Karl Georg Häser (geb. 13. Januar 1781
Leipzig, gest. 17. Januar 1840 Kassel) gehörte
mit seiner Frau der bekannten Doebbelin'schen
Theatertrnppe an; beide wurden dann über Wies
baden 1814 an das neu eröffnete Kasseler Hof
theater verpflichtet. Die Mutter, Christine Frie
derike Charlotte Häser, geb. Feige (geb. 27. Sep
tember 1776 Ntecklenbnrg-Strelitz, gest. im Ntai
1838 Kassel), übrigens eng befreundet mit der
späteren Gräfin Reichenbach, war eine ausgezeich
nete Schauspielerin und die Schwester des gleich
falls 1814 an die Kasseler Hofbühne als deren
Leiter berufenen Schauspielers Karl Feige (geb.
Von Paul Heidelbach.
3. Oktober 1780 Neustrelitz, nach anderer Mit
teilung Neubrandenburg, gest. 12. Mai 1862
Kassel). Feige, 1821—1848 Generaldirektor,
führte durch Berufung bedeutender Kräfte wie
Seydelmann, Ferd. Löwe, Spohr u. a. eine
Glanzzeit der Kasseler Bühne herauf. Eine zweite
Schwester Feige's, die Gattin des Schauspielers
Doebbelin, war damals gleichfalls an der Kasseler
Bühne tätig. Auch Häsers Großeltern mütter
licherseits, der Schauspieler Feige (geb. 1748
Zeitz) und dessen Frau (geb. 1753 Breslau) ge
hörten der Bühne an. Karl Häser's Frau, die
vorzügliche Hofschanspielerin Wilhelmine Gerlach
(geb. 18. April 1819 Kassel, gest. 23. Mai
1886 Kassel), war eine Tochter des ein Men
schenalter hindurch in Kassel tätig gewesenen Hof-
schauspielers Konrad Gerlach (geb. 30. Dezember
1772 Mannheim) und dessen Frau, der Hof
schauspielerin Justine Koppen (geb. 1. September
1768 Berlin). Von Karl Häsers Geschwistern
gehörte sein älterer Bruder Ludwig, der 1846
von Kassel aus ein auswärtiges Engagement an
nahm, und seine jüngere, 1818 geborene Schwester
Karoline dem Schanspielerstand an, während sein
Bruder August (geb. 1816 Kassel, gest. 1868
Kassel) lange Jahre Chorsänger und dann Or
chesterdiener an der Kasseler Hofbühne war. Karl
Häsers ältester Sohn Joseph (geb. 22. März
1846 Kassel) war Kapellmeister in Berlin, sein
1834 in Kassel geborener Sohn Bernhard, eben
falls Schauspieler, starb bereits 3vjährig in
Kassel. Schließlich hat sich auch einer seiner
Enkel auf der Bühne betätigt.
Karl Häser gehörte also einem alten Schau
spielergeschlecht an. Am ii. November 1809 in
Amsterdam geboren, wo beide Eltern damals als
^Mitglieder der Doebbelin'schen Schanspielergesell-
schaft weilten, kam er 1814 mit diesen nach Kassel.
Er besuchte hier die Bürgerschule und trieb schon
früh musikalische Studien, schon damals in der
Abficht, sich der Tonkunst zu widmen. In der
Theorie der Ntusik unterrichtete ihn der Kompo
nist, Musikkritiker und Inhaber einer Musik
schule Dr. Großheim (1763—1841), während
er praktischen Unterricht durch den Seminaristen
Führer aus Harleshausen genoß. Sein Wunsch,
Künstler zu werden, fand aber nicht den Beifall
der Eltern. Gerade sein späterer Schwiegervater,
Hofschauspieler Gerlach, war eö, der diesen den
Rat gab, den Sohn den goldenen Boden des
Handwerks, statt die mühseligen Pfade des Künst
lers betreten zu lasten. Der junge Häser kam also