Full text: Hessenland (45.1934)

L. Vantzer Heinrich Gtto st 
dienen soll. Würdevoll, feierlich und vornehm er 
scheint der Schwälmer beim Kirchgang im Drei 
master, den er einfach den schwarzen Hut nennt, 
im blauen Kamisol (Tuchrock) mit goldenen 
Knöpfen, weißen Kniehosen, Hosen und dunkelblauen 
Gamaschen oder im schwarzen Abendmahlsrock 
mit schwarz umsponnenen Knöpfen, dunkelblauen 
Strümpfen und Schnallenschuhen, Im Winter 
kommt bei älteren Männern dazu der blaue Man 
tel in Form des Havelocks. Es ist genau die Tracht 
aus der Zeit Friedrichs des Großen, wie sie damals 
ebensowohl in der Stadt, wie in etwas verländ- 
lichtem Zuschnitt auf dem Dorfe getragen wurde 
und die allein an der Schwalm sich bis heute noch 
in vielen Fällen erhalten hat. 
Abgestuft nach der Bedeutung weltlicher Feste 
war vor 50 Jahren noch allgemein die Tracht der 
Burschen entweder zu leichterer Fröhlichkeit in 
den Farben weiß mit gold (der vorn offene weiße 
Leinenkitrel mit goldnen Knöpfen, die weißen Ho 
sen und weißen Strümpfe) und rot und blau (die 
beiden übereinandergetragenen Westen), dazu die 
mit Otterpelz verbrämte und mit breiten Gold 
borten auf grünem Sammet besetzte Otterkapp 
und die Schnallenschuhe, oder zu hohen Festlich 
keiten in den Farben blau, rot, gold und weiß 
(meist das blaue, mit reicher Stickerei verzierte 
„Armelding" mit goldenen Knöpfen, darunter wie 
der die rote und blaue Weste, diesmal weißleinene 
Knöpf- oder wildlederne Hosen) und hohe Stiefel, 
auf dem Kopfe die Otterkapp. In der Hand tra 
gen die Burschen ein rot und gelb gemustertes und 
mit schmalen grünen und violetten Bändchen be 
setztes Taschentuch, das den Farbenklang noch be 
reichert. 
Nachdem um die Mätte des vorigen Jahrhun 
derts der lange, blaue Kittel Eingang gefunden 
hatte, gestalteten die Burschen auch diesen zu einem 
Festgewand, indem sie, zugleich ihrer Liebe zum 
Soldatentum Ausdruck gebend, ihn mit hohem 
Stehkragen und Achselstücken versahen, welche 
beide reich mit leuchtendem Rot bestickt wurden. 
Bei jungen Männern find diese Stickereien grün. 
In ähnlicher, vielleicht noch ausdrucksvollerer 
TAeise, stuft sich die Kleidung der Frauen und 
Mädchen ab von der tiefsten Trauer bis zur 
höchsten Lust und Freude, so stark, wie es meines 
Wissens in keiner anderen Bauerntracht wieder 
zu finden ist. Es würde zu weit führen, diese ver 
schiedenen Kleidungen hier zu beschreiben, ich will 
nur erwähnen, daß die Madchentracht zu leichterer 
Fröhlichkeit vorwiegend in dem Farbenklang von 
grün, weiß und stlber sich bewegt, bei hohen Fest 
lichkeiten aber der vollere Klang von blau, rot 
Bildnis Wilhelm Ritter (f) 1887 von (E. Vantzer 
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