Full text: Hessenland (45.1934)

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Eindrücke dort von Land und Leuten, denn mein 
Vater, der Kreistierarzt in Ziegenhain war, be 
kam nicht nur viel Besuch von Schwälmer 
Bauern, die Rat suchten, und Schäfern, die er 
unterrichten mußte, sondern er nahm mich auch, 
sobald dies möglich war, sehr oft mit auf die 
Fahrten seiner Praxis in die Schwalmdörfer. 
Deutlich entsinne ich mich auch noch eines Tanz- 
festes, vielleicht der „Salatkirmes", das auf dem 
vor unserer Wohnung im „Steinernen Haus" 
(in der Festung) gelegenen „Paradeplatz" abge 
halten wurde. Ich lag gerade mit (Masern zu 
Bett, der Lärm und die (Musik lockten mich aber 
an das Fenster, von dem aus ich lange dem lusti 
gen, bunten Treiben zusah. Zn meiner Erinne 
rung leben die Burschen in weißen Kitteln und 
roten Westen, die (Mädchen mit weißen Schürzen. 
Das war der erste Eindruck einer später von mir 
mehrfach gemalten Schwälmer Kirmes. 
1863 zog meine 3Qs£uffer nach dem Tode meines 
Vaters nach (Marburg, der Heimat meiner väter 
lichen Vorfahren. Die Beziehungen zur Schwalm 
wurden aber wieder lebendig, als 1866 ein 
früherer Zögling meines Vater, Zohannes Kehl, 
der in Berlin Tierarzneikunde studierte, mich ein 
lud, in den Herbstferien ihn in Ascherode, wo sein 
Vater Bürgermeister war, zu besuchen. Dort 
wohnte ich zwar mit dem Johannes Kehl im 
schönen neuen „Ellerhaus", nahm aber im übrigen 
an dem Leben der Familie Kehl in Haus und Feld 
teil, das ich dabei von Grund aus kennen lernte. 
Besonderen Eindruck machte mir das Abendessen, 
zu dem sich die Familie mit dem Gesinde um 
einen großen Tisch in der Wohnstube versammelte. 
Da wurde ein großer Haufen gequellter Kartof 
feln auf den mit einem groben Leinen bedeckten 
Tisch geschüttet, in dessen (Mitte ein riesiger Mapf 
mit (Milch stand. Zeder schälte sich seine Kar 
toffeln, die er aus der Hand aß und löffelte mit 
der Rechten aus der gemeinsamen Schüssel die 
(Milch. (Manchmal gab es auch Tuckefett zu den 
Kartoffeln, die man dann an der Gabel in den 
Tuckefettnapf tauchte. Am Schluß der Ferien 
brachte mich der Bürgermeister Kehl zurück nach 
(Marburg. Der große, stattliche (Mann trug noch 
das lang über die Schultern herab hängende Haar, 
scheute sich aber, dies in (Marburg zu zeigen und 
legte es vor Antritt der Reise sorgsam unter der 
Pelzmütze zusammen. Als wir in (Marburg vom 
Bahnhof über die Lahnbrücke gingen, war feier 
liches Geläute aller Glocken und bald sahen wir 
ans allen Häusern schwarz-weiße Fahnen wehen. 
Wir hörten, die Proklamation sei eben erfolgt. 
Eö war die Proklamation der Annexion Kur- 
hestens durch Preußen am 6. Oktober 1866. 
Es folgte dann eine lange Reihe von Zähren, 
in denen ich mit der Schwalm wenig in Berüh 
rung kam. Das schöne (Marburg hielt mich fest 
und, wenn ich zu etwas längerem Aufenthalt auf 
das Land kam, so waren eö Besuche bei Ver 
wandten oder Freunden in der Mähe (Marburgs 
oder auch im Darmstädtischen Oberhessen, aus 
dem meine (Mutter stammte. So blieb ich immer 
in enger Beziehung zum ländlichen Leben, an dem 
ich stets größte Freude hatte. 
(Marburg selbst war in den sechziger Zähren 
auch noch recht dörflich. Die Ackerbürger ließen 
ihr Vieh noch auf die (Weide treiben, und heute 
kann man eö sich kaum noch vorstellen, daß in sener 
Zeit Kuhherden klatsch, klatsch durch die Bar 
füßerstraße zogen. Bäuerliche Trachten, die 
(Männer zum Teil noch im weißen, hemdartigen 
Leinenkittel, mit Kniehosen und der Strumpbetzel 
auf dem Kopf sah man sehr viel in der Stadt. 
Durch solche Beziehungen kam es, daß ich später 
als (Maler die Vorwürfe zu Bildern aus dem 
ländlichen Leben zunächst in der Mähe (Marburgs 
suchte. 
Erst in den Zähren 1884 und 83 kam ich 
wieder an die Schwalm, beide (Male nachdem ich 
vorher in Miederwalgern mehrere Wochen zusam 
men mit dem (Maler Wilh. Claudius aus Dres 
den gearbeitet hatte. Wir nahmen in Treysa 
Ouartier und gingen täglich zum (Malen nach 
Ascherode. 
Die malerische Tracht der (Männer war eö, die 
mich wieder nach der Schwalm gezogen hatte. 
Zetzt sah ich, wie sehr Kleider- und Haartracht 
geeignet sind, die Schönheit eines (Menschen 
schlages zur Geltung zu bringen. Kraftvolle 
(Männer mit markigen Köpfen fand ich auch im 
Kreise (Marburg, aber wieviel stärker wirkt eine 
solche Erscheinung in der Tracht der Schwälmer. 
Das Gesicht glatt rasiert, das Haar ganz lang 
oder auch halblang, wie bei Holbeinschen Köpfen, 
darüber am Werktag die alte „Bromkapp" oder 
das abgetragene graue Hütchen mit malerisch 
herunterhängender Krämpe, der lange, blaue Kittel, 
der im Sommer bei der Arbeit abgelegt wird, so 
daß der (Mann dasteht in Hemdärmeln mit blauer, 
reichverzierter und mit gemusterten goldnen 
Knöpfen, geschmückten Weste, der weißen Knie 
hose und dunkelblauen Strümpfen oder weißen 
Gamaschen. Zst eö heiß, so wird auch die Weste 
ausgezogen, und nnn sehen wir den (Mann ganz 
in (Weiß in einer Kleidung, welche die Körper 
formen voll zur Erscheinung bringt. 
Fast noch mehr als diese Arbeitskleidung bringt 
die Tracht für Kirchgang und für kirchliche und 
weltliche Feste zum Ausdruck, welchem Zweck sie
	        
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