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in der Spohrsammlung der Landesbibliothek (Leihgabe
der Stadt Kassel) vereinigt sind.
Zolldirektor i. R. W o r i n g e r gedachte dann des
Leichenbegängnisses von L. Spohr, das er als Knabe
vom Fenster des damaligen Hotel Schirmer am Kö-
niggplatz mitangesehcn harte. Gegen die sonstige Re-
gel führte man den Leichenzug vom Sterbehaus im
Spohrweg am Königsplatz her, vorüber am Hof
theater, am welchem der Verewigte gewirkt und dann
erst zum Friedhöfe. Endlos war der in mehrere Grup
pen geteilte Trauerzug, dessen Einzelgruppen jedesmal
durch Trauermarschälle angeführt wurden.
Dann erhielt Dr. Voll das Wort, der über die
Geschichte des Hoftheaters und besonders der Musik
in Kassel berichtete. Vom 16. bis 18. Jahrhundert
verläuft eigentlich eine geschlossene Kette der Entwick
lung, die mit dem Landgrafen Moritz beginnt, dessen
Spürsinn den jungen Heinrich Schütz entdeckte.
Auch Georg Dtto und Dstermann gehören jener Zeit
an. Dann aber unterbricht jäh der Dreißigjährige
Krieg die Reihe, die erst 1677 mit dem Regierungs
antritte des Landgrafen Karl erneut aufwärts führt.
Hier ist es namentlich der Italiener R u g g i e r 0
F e d e l i, der der italienischen Oper und damit der
Oper überhaupt in Kassel den Weg bereitet. Neben
ihm ist besonders Birken st ock zu nennen, der als
ein deutscher Vertreter jener Kunst sch auszeichnete,
aber, 1687 geboren, kaum ^öjährig verstarb. Redner
zeigte noch dag Bild der Kunst jener Tage des Land
grafen Karl, worauf sich die Linie noch einmal senkt,
um dann in den Tagen des Landgrafen Friedrich II.
eine neue Höhe zu erreichen. Nun aber ist eg die
französische Oper und dann auch, neben dem Ballett,
das große französische Trauer- und Lustspiel, das sich
in Kassel über die Bretter bewegt. Noch immer zwar
beherrschen auch die Italiener das Feld der Kunst,
aber es bereitet sich die Zeit vor, die über die Ro
mantik zu den Tagen Spohrs und seiner Kunst führt.
Es war eine Überfülle von Stoff, die der Redner
in knappen Strichen gab und die Aussprache, die sich
anschloß, bewies, mit welcher Spannung man den
Ausführungen gefolgt war. Welche Quellen alle zu
reden beginnen, wenn man nur die Spuren faßt, zeig
ten die Ausführungen von Volkswirt Jacob, der
sowohl in den Kabinettsrechnungen wie in den Teich
rechnungen die erwähnten Künstler gefunden und auch
den großen Sänger Momolatto Albertini, der es bis
zum hessischen und schwedischen Kammerherrn und
Besitzer von Ellenberg gebracht hatte.
Als letzter Redner des Abends führte Or»H. K r a in m
noch einmal zurück in die Tage des Landgrafen Moritz.
War er es doch gewesen, der zum ersten Male in
Deutschland den Gedanken eines Hoftheaters in die
Tat umsetzte, nachdem bis dahin das Mysterienspiel
und das Ritterspiel ganz andere Voraussetzungen gehabt
hatten. Sein Lehrbuch der Metrik ist der erste Ver
such vor Opitz, die deutsche Sprache bühnenreif zu
machen. Redner ließ die Erscheinungen auf dem Theater
gebiet aber in dem großen Zusammenhange mit der
Kultur der Zeit sehen und gerade dies, auch ausge
dehnt auf die Tage des Landgrafen Karl und die spä
teren Zeiten, zeigt, wie fruchtbar jener Gedanke der
kulturellen Gesamtschau immer ist. So leitete Dr.
Kramm auch hinüber zu den Tagen eines Theater
direktors Großmann und des Intendanten Feige, die
beide das Theater wieder zu dem Kulturausdruck des
ig. Jahrhunderts gemacht haben und, weit über den
bisherigen höfischen Rahmen hinausführend, das Theater
zum Ausdrucke der Zeitkultur, der gesamten Gesell
schaft, machten. — Gerade auch die Gedankenfülle die
ses Vortrages regte ungemein an, zumal hier ausge
sprochen ward, wie in den verschiedensten Epochen je
weils Frühblüten auf hessischem Boden treiben, die
dann erst bedeutend später an anderen Stellen sich
durchsetzen und weiter entwickeln. Auch auf dem Ge
biete von Theater und Musik heißt eg die Gesamtheit
der Zcitströmungen erkennen und in großer Schau
sehen.
Erst weit nach 11 Uhr abends konnte dann der Vor
sitzende die Sitzung schließen. I. B.
Oie wachsende Bedeutung, die heute der Heimatgedanke für das deutsche Volk gewonnen
hat, stellt auch „Hessenland" vor neue Aufgaben. Kn der Marburger Philipps-Universität sind
alle diejenigen Institute und Lehrkräfte, deren Urbeit auch im Gebiet der engeren Heimat
fruchtbar wird, in einem „Urbeitsring für hessische heimatsorschung" zusammengeschlossen. Diese
Gemeinschaft hat sich uns zur Verfügung gestellt; sie soll in unserer Zeitschrift einem größeren
Kreise zugute kommen und wird darum mit dem Beginn des nächsten Jahrgangs zu ihr in
das auch auf dem Titelblatt zum Uusdruck kommende Verhältnis fester und für die Gesamt
haltung sich mit verbürgender Mitarbeiterschaft treten, ein Zusammenhang, dessen persönliche
Vermittlung als Mitschriftleiter Herr Urchivrat Dr. Friedrich Uhlhorn, Marburg, über
nommen hat. Wir hoffen dadurch nicht nur im Einzelnen wertvolle Uufsätze namhafter Ver
fasser zu gewinnen, sondern auch im Ganzen „Hessenland" zu der Zeitschrift auszubauen, die
Volk, Boden, Kultur und Wirtschaft unser Heimat in einem lebendigen und doch streng wissen
schaftlichen Geiste wiederspiegelt. Den bisherigen Grundcharakter der Zeitschrift gedenken wir
beizubehalten, doch wird daneben mehr als bisher die naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen
Ltoffe ihren Platz finden. „Hessenland" soll so immer mehr die Zeitschrift werden, die in je
dem hessischen Hause gelesen wird.
Verantwortlicher Schriftleiter, Verlag und Druck: Dr. C. Hitzeroth, Marburg a. L. E). A. IV/34: 850