Full text: Hessenland (45.1934)

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waentig Landschaft bei Gleimenhain mit Sauhute 
niö dieses prachtvollen Kopfes folgen, der auch 
noch manchen Anderen zur Darstellung reizte. 
Der alte Steinbrecher war ein großer Freund der 
Schüler und lud die, welche ihm am nächsten stan 
den, bei einer Kirmes auch einmal zu einem fest 
lichen Gänseessen in seiner kleinen Stube ein. Die 
Schüler waren dabei auch in Schwälmer Tracht 
erschienen, so wie sie dies bei Kirmessen häufig 
taten. 
Wolf Zeller malte dann auf einer Tenne den 
alten Ditter, dessen Vater schon viel gemalt wor 
den war, mit einem Kind, ferner das farbig sehr 
schöne Bild einer Mutter mit dem sonntäglich 
mit schönen Bändern und rotem Häubchen ge 
schmückten Kind aus dem Arm und das Beschla 
gen eines Pferdes vor der Schmiede. Diese Bil 
der waren alle von großer Feinheit im Ton und 
gediegener Zeichnung, stärkere Eigenart aber zei 
gen die später entstandenen Gemälde: Tanz (1905) 
und vor allem das „Begräbnis" (1930), bei dem 
die Leidtragenden am offenen Grabe stehen und 
einer nach dem anderen die drei Hände voll Erde 
in das Grab wirft. In diesem Bild ist der ganze, 
fast schaurige Ernst eines Begräbnisses in der 
Schwalm festgehalten. Seit 1929 bis heute kommt 
Zeller, der feit längeren Jahren schon sich in 
klbersee am Ehiemsee niedergelassen hat, wieder 
alljährlich nach Willingshausen, um Studien zu 
großen Figurenzeichnungen zu machen, in denen 
er in ausgezeichneter breit malerischer Weise die 
Wesensart der Schwälmer kennzeichnet. Meist 
find es Gruppen von Männern, Frauen und Kin 
dern, die aus irgend einem Anlaß zusammenstehen 
oder auch einzelne lebensgroße Köpfe. In diesen 
Zeichnungen ist nichts Erzählendes, es handelt sich 
nur um die Schilderung der Menschen selbst. 
In den Jahren 1908—10 und 13—14 lebte 
Zeller mit seiner Frau in Gleimenhain, wo fast 
ausschließlich Gemälde, Zeichnungen und Ra 
dierungen der ungewöhnlich schönen Landschaft ent 
standen. 
Gleimenhain, nahe bei Neustadt, gehört zu den 
Grenzdörfern des darmstädtischen Oberhessens, 
welche, nicht sehr weit von Willingshausen, zu 
dem Schafsensgebiet der dortigen Maler gehören. 
Nach dem hochgelegenen Gleimenhain führt von 
Neustadt ein anmutiges Wiesental hinauf, auf 
beiden Seiten von hochliegendem, bald weiter vor, 
bald mehr zurücktretendem Wald begrenzt. Durch 
dieses Wiesental kommt von Gleimenhain der 
Otterbach, der dem Tälchen den Namen ge 
geben hat, zwischen blumigen Wiesen herunter 
geplätschert und treibt die Räder mehrerer male 
risch zwischen Bäumen gelegener alter Mühlen, 
neben denen kleine stille Muhlteiche ruhen. Ab 
geschlossen wurde das Tälchen oben, wo es breiter 
sich am Berghang hinaufzieht, durch die Sauhute, 
ein uraltes geschloffenes Wäldchen, schön wie ein 
Böcklinscher heiliger Hain, zu dem in schön ge 
schwungener Linie ein breiter Heckenweg hinführte. 
Dieser „heilige Hain", die Sauhute, aus dem das 
Otterbächlein hervortrat, hatte auch seinen „gött 
lichen Sauhirten", welcher, ein Freund schöner 
Natur, am unteren Rand des ^Wäldchens An 
pflanzungen von jungen Bäumen und Blumen, 
welche in die freie Natur paßten, gemacht hatte. 
Der heilige Hain ist nun verschwunden, der Ver 
koppelung fiel er zum Opfer, wie so unzählige 
Schönheiten der Natur. 
Der Kampf, der jetzt gegen den Materialismus 
geführt wird, hätte bei den Verkoppelungen ein 
reiches Betätigungsfeld, aber nicht sowohl gegen 
die Landmesser, die jetzt meist bestrebt sind die Na- 
turschönheiten zu erhalten, als gegen die Besitzer 
des Landes, die alles beseitigt haben wollen, was 
auch nur im geringsten den Ertrag des Landes 
schmälern könnte. Der weit höhere Wert für die 
Seele des Manschen durch die beglückende Freude 
an der Schönheit der Heimat ist leider nur wenigen 
bekannt. Daß es aber möglich ist, mit nur ge 
ringen Opfern die Schönheit der Heimat trotz Ver 
koppelung zu erhalten, dafür ist Willingshausen 
das beste Beispiel. 
Auch der untere Teil des Ottertälchens hat 
schon vor längerer Zeit einiges von seiner früheren 
Schönheit eingebüßt. Die malerischste der Otter 
talmühlen war die unterste, die Kampf-Mühle, 
deren Gebäude fast verborgen zwischen hohen alten 
Weiden dicht am dunklen Tannenwald lagen. In 
diesem Wald war ansang der achtziger Jahre ein
	        

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