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waentig Landschaft bei Gleimenhain mit Sauhute
niö dieses prachtvollen Kopfes folgen, der auch
noch manchen Anderen zur Darstellung reizte.
Der alte Steinbrecher war ein großer Freund der
Schüler und lud die, welche ihm am nächsten stan
den, bei einer Kirmes auch einmal zu einem fest
lichen Gänseessen in seiner kleinen Stube ein. Die
Schüler waren dabei auch in Schwälmer Tracht
erschienen, so wie sie dies bei Kirmessen häufig
taten.
Wolf Zeller malte dann auf einer Tenne den
alten Ditter, dessen Vater schon viel gemalt wor
den war, mit einem Kind, ferner das farbig sehr
schöne Bild einer Mutter mit dem sonntäglich
mit schönen Bändern und rotem Häubchen ge
schmückten Kind aus dem Arm und das Beschla
gen eines Pferdes vor der Schmiede. Diese Bil
der waren alle von großer Feinheit im Ton und
gediegener Zeichnung, stärkere Eigenart aber zei
gen die später entstandenen Gemälde: Tanz (1905)
und vor allem das „Begräbnis" (1930), bei dem
die Leidtragenden am offenen Grabe stehen und
einer nach dem anderen die drei Hände voll Erde
in das Grab wirft. In diesem Bild ist der ganze,
fast schaurige Ernst eines Begräbnisses in der
Schwalm festgehalten. Seit 1929 bis heute kommt
Zeller, der feit längeren Jahren schon sich in
klbersee am Ehiemsee niedergelassen hat, wieder
alljährlich nach Willingshausen, um Studien zu
großen Figurenzeichnungen zu machen, in denen
er in ausgezeichneter breit malerischer Weise die
Wesensart der Schwälmer kennzeichnet. Meist
find es Gruppen von Männern, Frauen und Kin
dern, die aus irgend einem Anlaß zusammenstehen
oder auch einzelne lebensgroße Köpfe. In diesen
Zeichnungen ist nichts Erzählendes, es handelt sich
nur um die Schilderung der Menschen selbst.
In den Jahren 1908—10 und 13—14 lebte
Zeller mit seiner Frau in Gleimenhain, wo fast
ausschließlich Gemälde, Zeichnungen und Ra
dierungen der ungewöhnlich schönen Landschaft ent
standen.
Gleimenhain, nahe bei Neustadt, gehört zu den
Grenzdörfern des darmstädtischen Oberhessens,
welche, nicht sehr weit von Willingshausen, zu
dem Schafsensgebiet der dortigen Maler gehören.
Nach dem hochgelegenen Gleimenhain führt von
Neustadt ein anmutiges Wiesental hinauf, auf
beiden Seiten von hochliegendem, bald weiter vor,
bald mehr zurücktretendem Wald begrenzt. Durch
dieses Wiesental kommt von Gleimenhain der
Otterbach, der dem Tälchen den Namen ge
geben hat, zwischen blumigen Wiesen herunter
geplätschert und treibt die Räder mehrerer male
risch zwischen Bäumen gelegener alter Mühlen,
neben denen kleine stille Muhlteiche ruhen. Ab
geschlossen wurde das Tälchen oben, wo es breiter
sich am Berghang hinaufzieht, durch die Sauhute,
ein uraltes geschloffenes Wäldchen, schön wie ein
Böcklinscher heiliger Hain, zu dem in schön ge
schwungener Linie ein breiter Heckenweg hinführte.
Dieser „heilige Hain", die Sauhute, aus dem das
Otterbächlein hervortrat, hatte auch seinen „gött
lichen Sauhirten", welcher, ein Freund schöner
Natur, am unteren Rand des ^Wäldchens An
pflanzungen von jungen Bäumen und Blumen,
welche in die freie Natur paßten, gemacht hatte.
Der heilige Hain ist nun verschwunden, der Ver
koppelung fiel er zum Opfer, wie so unzählige
Schönheiten der Natur.
Der Kampf, der jetzt gegen den Materialismus
geführt wird, hätte bei den Verkoppelungen ein
reiches Betätigungsfeld, aber nicht sowohl gegen
die Landmesser, die jetzt meist bestrebt sind die Na-
turschönheiten zu erhalten, als gegen die Besitzer
des Landes, die alles beseitigt haben wollen, was
auch nur im geringsten den Ertrag des Landes
schmälern könnte. Der weit höhere Wert für die
Seele des Manschen durch die beglückende Freude
an der Schönheit der Heimat ist leider nur wenigen
bekannt. Daß es aber möglich ist, mit nur ge
ringen Opfern die Schönheit der Heimat trotz Ver
koppelung zu erhalten, dafür ist Willingshausen
das beste Beispiel.
Auch der untere Teil des Ottertälchens hat
schon vor längerer Zeit einiges von seiner früheren
Schönheit eingebüßt. Die malerischste der Otter
talmühlen war die unterste, die Kampf-Mühle,
deren Gebäude fast verborgen zwischen hohen alten
Weiden dicht am dunklen Tannenwald lagen. In
diesem Wald war ansang der achtziger Jahre ein