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Festsitzung im Ständehaus.
Es spricht der I. Vorsitzende Dir. Dr. Hopf. Rechts von ihm Z. Rgl. Hoheit Prinz Philipp von Hessen
K n etsch - Marburg zu Ehrenmitgliedern des
Vereins. Hierauf folgte der Festvortrag von
Universitätsprofefsor und Bibliotheködirektor Dr.
Hoppe -Berlin, Vorsitzenden des Gesamtvereins
der Deutfehen Gefchichts- und Altertumsvereine.
Der Nachmittag brachte eine Besichtigung der
Wilhelmshöher Wafferkünste und auf dem Tur
nierplatz der Löwenbnrg das Festspiel von Wil
helm Ide „Standhaft und treu". Für den
Abend endlich war ein geselliges Beisammensein
im kleinen Stadtparkfaal angesetzt, das sich wie
alle Veranstaltungen regen .Besuchs erfreute und
auf dem einige Volkstänze von Trachtengrnppen
vorgeführt wurden.
Man darf sagen, die Folge der Veranstal
tungen war sehr reichhaltig: Orts-, Landes- und
allgemeine Geschichte wurden berührt, aber auch
der Kunst- und Kulturhistoriker, der Forscher in
Landes- und Volkskunde konnten mannigfache An
regungen empfangen. Mit den „Kasseler
Schlössern und Gärten" beschäftigte
sich zunächst Bezirkskonservator Dr. Blei-
b a n m. Er legte dar, wie sich in den Schloß-,
Stadt- und Parkanlagen in und bei Kassel die
jeweils herrschenden Kunstrichtungen vom weit
räumigen, großzügigen Barock über das zierliche
Rokoko bis hin zum Klassizismus und zur Ro
mantik wiederspiegeln. In die Barockzeit gehö
ren die Anlagen der Karlsaue und auf 2 Oil-
helmshöhe, die Kasseler Oberneustadt — übrigens
auch Karlshafen —, das Orangerieschloß und das
Ilearmorbad. Stoßen wir hier, namentlich in
den Parkanlagen Landgraf Karls, vielfach auf
französischen Einfluß, so noch mehr in der Rokoko
zeit. Das Orangerieschloß ist wohl Paul Du Rn
zuzuschreiben, dem ältesten dieser hugenottischen
Architektenfamilie, die Plastiken im Mmrmor-
bad schuf JVonot, Schloß !Wilhelmstal erbaute
Cuvillier. Aber schon macht sich auch deutsche
Raumkunst hier geltend: Die Ausgestaltung der
Innenräume von Wilhelmstal ist das Werk des
deutschen Meisters Johann August Nahl, die
Porträts schuf Ioh. Heinrich Tischbein der Altere.
Bsld setzen Klassizismus und Romantik ein: die
Parkanlagen in der Aue, auf Wilhelmshöhe und in
Wilhelmstal werden nach englischem Muster
umgestaltet. An Schlössern entstehen nachein
ander die Löwenburg, das Wilhelmshöher Schloß
(von Iuffow erbaut) und das Rote Palais, letz
teres mit feiner horizontalen Gliederung unver
kennbar von der italienischen Renaissance beein
flußt. Zeitlich geht diesen Bauwerken das Weiße
Palais voraus, ursprünglich ein Privatbau, der
vorwiegend vertikale Schichtung aufweist.
Hatte Bleibanm sich vorwiegend mit höfischer
Kunst befaßt, so führte Regiernngs- und Baurat
T e x t o r mit feinem ausgezeichneten Vortrage
über „N iedevh>effische Bürgerhäu
ser" mehr in das Volkskundliche. Zwar gibt
es auch Bürgerhäuser, die, kunstgeschichtlich be
trachtet, der Hofarchitektur noch recht nahe
stehen, wie das Palais Waitz von Eschen, die
Nahlschen Häuser in der Königöstraße und am
Königsplatz, ein Haus in der Marktgaffe. Die
Mehrzahl der älteren Bürgerhäuser in Kassel
und Niederlassen überhaupt zeigt jedoch ein ande
res Gepräge: den Fachwerkban. Er ist etwas
durchaus Bodenständiges; die reichliche Verwen
dung von Holz erklärt sich ohne Schwierigkeit
aus dem TLaldreichtum des Landes und findet