Full text: Hessenland (45.1934)

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Festsitzung im Ständehaus. 
Es spricht der I. Vorsitzende Dir. Dr. Hopf. Rechts von ihm Z. Rgl. Hoheit Prinz Philipp von Hessen 
K n etsch - Marburg zu Ehrenmitgliedern des 
Vereins. Hierauf folgte der Festvortrag von 
Universitätsprofefsor und Bibliotheködirektor Dr. 
Hoppe -Berlin, Vorsitzenden des Gesamtvereins 
der Deutfehen Gefchichts- und Altertumsvereine. 
Der Nachmittag brachte eine Besichtigung der 
Wilhelmshöher Wafferkünste und auf dem Tur 
nierplatz der Löwenbnrg das Festspiel von Wil 
helm Ide „Standhaft und treu". Für den 
Abend endlich war ein geselliges Beisammensein 
im kleinen Stadtparkfaal angesetzt, das sich wie 
alle Veranstaltungen regen .Besuchs erfreute und 
auf dem einige Volkstänze von Trachtengrnppen 
vorgeführt wurden. 
Man darf sagen, die Folge der Veranstal 
tungen war sehr reichhaltig: Orts-, Landes- und 
allgemeine Geschichte wurden berührt, aber auch 
der Kunst- und Kulturhistoriker, der Forscher in 
Landes- und Volkskunde konnten mannigfache An 
regungen empfangen. Mit den „Kasseler 
Schlössern und Gärten" beschäftigte 
sich zunächst Bezirkskonservator Dr. Blei- 
b a n m. Er legte dar, wie sich in den Schloß-, 
Stadt- und Parkanlagen in und bei Kassel die 
jeweils herrschenden Kunstrichtungen vom weit 
räumigen, großzügigen Barock über das zierliche 
Rokoko bis hin zum Klassizismus und zur Ro 
mantik wiederspiegeln. In die Barockzeit gehö 
ren die Anlagen der Karlsaue und auf 2 Oil- 
helmshöhe, die Kasseler Oberneustadt — übrigens 
auch Karlshafen —, das Orangerieschloß und das 
Ilearmorbad. Stoßen wir hier, namentlich in 
den Parkanlagen Landgraf Karls, vielfach auf 
französischen Einfluß, so noch mehr in der Rokoko 
zeit. Das Orangerieschloß ist wohl Paul Du Rn 
zuzuschreiben, dem ältesten dieser hugenottischen 
Architektenfamilie, die Plastiken im Mmrmor- 
bad schuf JVonot, Schloß !Wilhelmstal erbaute 
Cuvillier. Aber schon macht sich auch deutsche 
Raumkunst hier geltend: Die Ausgestaltung der 
Innenräume von Wilhelmstal ist das Werk des 
deutschen Meisters Johann August Nahl, die 
Porträts schuf Ioh. Heinrich Tischbein der Altere. 
Bsld setzen Klassizismus und Romantik ein: die 
Parkanlagen in der Aue, auf Wilhelmshöhe und in 
Wilhelmstal werden nach englischem Muster 
umgestaltet. An Schlössern entstehen nachein 
ander die Löwenburg, das Wilhelmshöher Schloß 
(von Iuffow erbaut) und das Rote Palais, letz 
teres mit feiner horizontalen Gliederung unver 
kennbar von der italienischen Renaissance beein 
flußt. Zeitlich geht diesen Bauwerken das Weiße 
Palais voraus, ursprünglich ein Privatbau, der 
vorwiegend vertikale Schichtung aufweist. 
Hatte Bleibanm sich vorwiegend mit höfischer 
Kunst befaßt, so führte Regiernngs- und Baurat 
T e x t o r mit feinem ausgezeichneten Vortrage 
über „N iedevh>effische Bürgerhäu 
ser" mehr in das Volkskundliche. Zwar gibt 
es auch Bürgerhäuser, die, kunstgeschichtlich be 
trachtet, der Hofarchitektur noch recht nahe 
stehen, wie das Palais Waitz von Eschen, die 
Nahlschen Häuser in der Königöstraße und am 
Königsplatz, ein Haus in der Marktgaffe. Die 
Mehrzahl der älteren Bürgerhäuser in Kassel 
und Niederlassen überhaupt zeigt jedoch ein ande 
res Gepräge: den Fachwerkban. Er ist etwas 
durchaus Bodenständiges; die reichliche Verwen 
dung von Holz erklärt sich ohne Schwierigkeit 
aus dem TLaldreichtum des Landes und findet
	        

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