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„-Qnintus Fixiern". Hier wie oort sind die Haupt
personen Studenten, die nur ein Bett, einen Rock
usw. haben. Bei Jean Paul sind es allerdings
arme, aber sonst ordentliche Menschen, während
es hier liederliche Studenten sind, von denen nur
einer, der Held der Erzählung, eine edlere Lebens
ansicht gewinnt. Die Geschichte, deren tieferen
Hintergrund die damals so vielen gefährliche Pe
riode des wissenschaftlichen Materialismus bildet,
zu dem hier als Ergänzung der heilende Idealis
mus eines warmen Menschengemütes tritt, ist
schlicht und einfach, aber mit großem Geschick be
handelt und mit manchem frischen und geistreichen
Zug durchwebt. Zu bedauern bleibt, daß statt eines
sorgfältig ausgeführten Gemäldes nur eine leicht
hingeworfene Skizze jenes halb frivolen, halb senti
mentalen Hindämmerns im Studentenleben gege
ben ist, wie es Eichendorff in seinen Schilderungen
des süßen Nichtstuns und der Seligkeit des Hin
brütens liebte. Besonders ansprechend sind die Na
turschilderungen der Marburger Umgebung,
welche die Eigenart des Dichters kennzeichnen,
z. B.: „In den vollen Lindenkronen des Kirchhofs
wogte der Morgenwind hin und her, daß das Bild
lebendiger ward und die schöne Brust der ehrwür
digen alma matar sich sichtbar hob und senkte.
Ich erstieg die Höhe des Bergrückens und verlor
mich in der heimlichen Nacht des Waldes. Noch
blickten die Gräser wie mit Kinderaugen in un
schuldiger Tauklarheit der Sonne entgegen. Die
Tannenwipfel flackerten mit ihren jungen lickten
Spitzen zum Himmel auf, als ob es schon Weib
nachten wäre, und rauschten in das Frühgebet der
Drosseln."
Wie man hier den durch gründliche Studien
und Lebenserfahrung hochgebildeten Menschen und
vor allem den liebenswürdigen Humoristen erkennt
und Schlichtheit und Einfachheit als einen hervor
stechenden Zug seiner Muse schätzen lernt, so er
kennt man in Altmüllers „Gedichten" bald den ge
mütvollen Hessen, der des tiefen Ernstes wie des
heiteren Humors gleich fähig ist, ob er nun gewöhn
liche Lebenserscheinungen poetisch besingt („An
meine Wandertasche") oder in die Tiefen des Her
zens dringt („In der Fremde"). Am höchsten von
seinen Gedichten stehen die von wärmster Vater
landsliebe beseelten Heimatlieder und die zum Teil
in der Brautzeit entstandenen zartempfundenen
Liebeslieder. Auch unter seinen Gelegenheits
gedichten finden sich formgewandte, treffliche
Stücke ernsten und heiteren Inhaltes, die zum Teil
eines feinen Spottes nicht entbehren („Das Lied
vom veilchenblauen Referendar"). Zu den treff
lichsten Perlen seiner Lyrik gehören unstreitig:
„Mein Deutschland", das in Tonfall und Inhalt
an das Deutschlandlied erinnert, „Meiner Mmt-
ter Bild", „An Ernst Koch", „Am Ziel", „An
deiner Brust entschlief mein Leid", „Daheim",
„In der Fremde". In diesen ist alles ungekünstelt,
schlicht und wahr, erfüllt von warmem Gemüt und
echtem Empfinden. Das tiefe Hestenheimweh, das
die besten unserer heimatlichen Dichter beseelt, fin
det bei ihm einen ergreifenden Ausdruck und bildet
einen Grundzng seiner dichterischen Wesensart.
Kein Heimatlied hat bei den Hessen in der Fremde
so tiefen Eindruck gemacht wie das bekannte, von
Meyerbeer und Lewalter komponierte: „Ich weiß
ein teuerwertes Land", in welchem die tiefe Ge
mütsart des Dichters sich mit einer volkslied
mäßigen Schlichtheit und Einfachheit im Ton
paart.
Kein Wunder, daß viele seiner Lieder wegen
ihrer volksliedmäßigen Tonart von 9 N e y e r -
beer und anderen Tondichtern gern komponiert
worden find wie seine „Lieder zu Volksweisen" und
„Lieder ohne Worte".
So gebührt Karl Altmüller neben Ernst Koch,
Franz Dingelstedt, Julius Rodenberg u. a. ein
ehrenvoller Platz unter den hessischen Dichtern des
vorigen Jahrhunderts. Er ist neben Ernst Koch der
reinste Typ eines Hefsendichters, dem es leider nicht
vergönnt gewesen ist, die Volkstümlichkeit des von
ihm so hoch verehrten und gefeierten Dichters des
„Prinzen-Rosa-Stramin" zu erlangen, den er zwar
dichterisch nicht ganz erreicht, weil er herber in
Form und Auffassung ist, den er aber andererseits
übertrifft, weil er größer an Geist und umfassender
an Bildung ist.
Eine Gedenktafel für Karl und Hans Altmüller.
Am Sonntag, dem i. Januar, wurde in Kastei
an dem Hause Königötor 48 in feierlicher Weise
eine Bronzetafel enthüllt, die zwei Repräsentanten
des hessischen Geisteslebens gewidmet ist und an ihre
Verdienste um die Heimat dauernd erinnern soll:
Karl Altmüller, dem Dichter des Hestenliedes, und
seinem Sohn Hans Altmüller, dem Kasteler
Dickter und Philosoph.
Die Gedenktafel hat folgende Inschrift: In
diesem Hause wohnte seit 1871 Karl Altmüller,
der Dichter des Hestenliedes, geb. 1833, gestorben
1880, und sein Sohn Hans Altmüller, der Kas
seler Dichter und Philosoph, geb. 1863, gestorben
1932.