Full text: Hessenland (44.1933)

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Ein Brief Heinz von Luders von 1558. Von Karl Knetfck. 
Heinz von LüderS Persönlichkeit ist unö heute 
ihrem wahren Inhalt und Wert nach ziemlich ge 
nau bekannt. Auch nach Entfernung des Sagen 
haften, das wie bei jedem volkstümlichen Mann in 
der Erinnerung der Nachwelt sich sehr bald nach 
seinem Tode an ihn geheftet hat, ist doch soviel 
Liebenswertes an dem alten hessischen National 
helden aus der Umgebung Landgraf Philipps ge 
blieben, daß wir ihn als einen typischen Vertreter 
des deutschen Reformationszeitalters, einen from 
men biedern Diener seines Herrn von absoluter 
Treue und Zuverlässigkeit, mit besonderer hessischer 
Färbung, ansehen dürfen, der aus der kirchlichen 
Geschichte Hessens des 16. Jahrhunderts nicht 
wegzudenken ist. H Von einem solchen NLanne muß 
man auch kleine anekdotenhafte Züge aufbewah 
ren, die das Bild feines Wesens noch zu ergänzen 
geeignet find. Deshalb drucke ich hier einen Brief 
von ihm an Landgraf Philipps ältesten Sohn und 
späteren Nachfolger Wilhelm (IV.) ab. Er ist 
aus der Zeit, da der Hauptmann zu Ziegenhain 
Heinz von Lüder den jüngsten Bruder Wilhelms, 
Georg, der 1567 Landgraf in Darmstadt wurde 
und bereits 1596 gestorben ist, zu betreuen hatte. 
Georg ist am 10. Sept. 1547 geboren, zur Zeit als 
fein Vater bereits in der Gefangenschaft war. Da die 
NPutter früh starb (1549), kam das jüngste Kind 
Philipps zur Erziehung an den Sächsischen Hof 
und konnte erst nach der Befreiung des Landgra 
fen 1552 dem Vater, der den Knaben überhaupt 
noch nicht gesehen hatte, wieder zugeführt werden. 
Ende der 1550er Jahre wurde Georg nach Zie 
genhain geschickt, wo er in Gesellschaft von 10 
jungen Edelleuten gleichen Alters unter der Lei 
tung von Johann Hund und Guntram Schenck zu 
Gchweinsberg bis zum Jahre 1561 erzogen 
wurde?) Johann Buch, der spätere erste Bibliothe 
kar der Kasseler Bibliothek, erteilte ihm Unter 
richt in Sprachen, Geschichte und Religion. Spä 
ter kam er dann nach Marburg. Von Georgs 
Erziehung erzählt Rommel in seiner hessischen Ge 
schichte auf Grund von Wilhelm Buchs Chronik 
ein paar lustige Geschichtchen 3 ). Daß er unter 
Johann Buchs Leitung gute Fortschritte in den 
Wissenschaften gemacht hat, geht aus einem lateini 
schen Briefchen hervor, das er 1558 aus Ziegen 
hain an seinen großen Bruder Landgraf DÄlhelm, 
der wie ein Vater für ihn sorgte, schrieb und worin 
1) Vgl. K n e t s ch , Heinz von Lüder, im Jahrbuch 
Hessenkunst 1922 und 1926. 
2) Steiner, Georg I. Landgraf von Hessen- 
Oarmstadt, 1861, S. 2. 
3) Rommel, Hess. Geschichte, Band 4 , S 377 
und Anm. Nr. 202, Bd. 6, S. 85. 
der Elfjährige dem Landgrafen Wilhelm, wenn 
auch nicht gerade in klassischem Latein, zu verstehen 
gab, daß er ihn nicht wieder wie das Jahr zuvor 
mit dem Neujahrsgeschenk vergessen solle, und worin 
er den Wunsch andeutete, aus der Ziegenhainer 
Tretmühle bald an den Hof nach Kassel zurückge 
rufen zu werden. Im Begleitschreiben geht Heinz 
von Lüder nickt ohne Humor auf den Ton des jun 
gen Herrn, der ihm als oberstem hessischen Diener 
in der Festung Ziegenhain anvertraut war, ein. 
Merkwürdig ist die Schreibart von Heinz. Er 
schreibt hier wie in allen seinen Briefen Leutter 
und meint Luetter, feurstlich statt fuerstlich, ge- 
heorsam statt gehoersam, Brender statt Brneder, 
beheolflichen statt behoelflichen, seol statt soel, be- 
deungk statt beduengk. — Die eigenhändigen Briefe 
des Heinz von Lüder und des jungen Landgrafen 
Georg lauten I: 
Deurchleuchtiger hochgeborner feurst, 
euern feurstlichcn gnaden sein mein ganz underdenich willigk 
und geheorsamen dinst zun aller zeit zuvor, g. f. und her, 
uff e. f. g. schreiben an mich gedan, daß ich e f. g brender 
lantgrast Jorgen ein brist zu ladtein an e. f. g. jchriben 
seol, und daß im nimandt darzu beheolflichen fein seol etr., 
dem hab ich also gedan und bin bey s. g. gesesen, daß er 
disen hibey ingelegtten brist mit eigener handt gcschriben, 
und hat im keiner oder imant geholfen und radtt zu dem 
ladtein geben, nun las ich mich bedeungk, wie wol ichß 
nicht vorsthe, es sey zu seinem alter eyn gudt anhebenS 
etc., e f. g. welen seiner nicht vorgesen mit dem neuen jar, 
alß vor eim jar geschehen ist etc., s. g. ist ein acht dage 
am lendenstein schwach gewesen, aber Gott hat sein genadt 
geben, daß eß beser mit s. g. worden ist etc., wan eim- 
beckisch bir vorhanden wer und hett im e. f. g. ein don al- 
her geschcgkt etc., daß e. f. g. hab ich nicht seolen vorhal 
ten und bevel mich e. f. g. hmit underdencklichen etc. 
Datum den 20. dezembris ano 38. 
E. f. 9. ' 
w. diner 
Heinz vonn Leutther SSt. 
Nobeli et praeclaro viro Henrico Lutere Praefecto 
Zigehanie singulari amico. 
8. P. D. 
Praefecte Clarissime familiaris, Quemadmodum ä 
me petijsti, ut meo fratri Wilhelmo Argumentum 
ex meo ingenio scribere vellem, Nihil hac vice 
habeo quam quod praesens tempus monet, Nam 
non ignoras Calendas Januarias adesse, Etiam atque 
etiam te rogo velis adhortari meum fratrem ut mei 
etiam memor esse velit, quemadmodum superiore 
anno non factum est. Porro velis scribere meo fratri, 
me velle adhibere operam discendo, ut ex pistrino 
liberatus ad eum in suum novum palastrium venire 
possem. Vale. 
Georgius L. Hassiae. 
4 ) Staatsarchiv Marburg: Hesten-Darmstädt. Perso 
nalien 1538—1571.
	        

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