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gestrichen worden. So ist es schlechterdings unmöglich
geworden, die Zeitschrift alle Jahre erscheinen zu lassen.
Nur mit größter Mühe können die „Mitteilungen"
aufrecht erhalten werden. Oie planmäßige Ergänzung
unserer wertvollen Sammlungen ruht fast vollständig,
Mittel für Ausgrabungen sind nicht frei zu machen.
Dabei schickt der Verein sich an, im nächsten Jahre das
Jubiläum seines hundertjährigen Bestehens zu begehen.
Sollen wir es wirklich erleben, daß auch bei diesem An
lasse die Ausgabe eines neues Bandes der Zeitschrift
an der Finanznot scheitert? Es ist doch n i ch t an dem,
daß die Arbeit des Vereins für die Gegenwart
unfruchtbar wäre. Wenn die preußische Staatg-
regierung die in der Notverordnung vom i. August
1932 verfügte Abtrennung des Kreises Schmalkalden
von Hessen wieder zurückgenommen hat, so geschah dies
mit einer Begründung, die zum Teil wörtlich in einer
auf der Jahreshauptversammlung zu Hersfeld beschlosse
nen Eingabe an dag Staatsministerinm zu finden war.
Gewiß ein Beweis dafür, daß der Verein es sich ange
legen sein läßt, aus der Erforschung und Erkennung des
historisch Gewordenen die Nutzanwendung für aktuelle
Fragen der Gegenwart zu ziehen! Und leistet der Ver
ein vielleicht nicht nationale Arbeit im besten
Sinne des Wortes? Je mehr er in der Lage ist, die
Kenntnis von heimatlicher Geschichte und Kultur, Art
und Sitte in das Volk hineinzutragen, um so mehr wird
er es lehren können, seine Heimat, sein Vaterland zu
lieben. Das ist eg doch gerade auch, was die Regierung
der nationalen Erhebung erstrebt und wünscht; der Ver
ein arbeitet also durchaus in ihrem Sinne. Möchten
doch alle, die dazu in der Lage sind, sich dessen bewußt
werden, daß sie durch ihren Beitritt dem Verein helfen,
seine nationale Aufgabe zu erfüllen. Es ist selbst in
dieser Notzeit wahrlich nicht zuviel verlangt, für diesen
Zweck etwa eine halbe Mark im Monat aufzubringen,
zumal Zeitschrift und Mitteilungen dafür kostenlos ge
liefert werden. M a n ch einer i ft dazu in der
Lage, der heute noch abseits steht. Es
darf nicht dahin kommen, daß der hessische Geschichtg-
oerein seine Veröffentlichungen und seine sonstige wissen--
schaftliche Arbeit auf unabsehbare Zeit einstellen muß.
Daher sollte keiner, der es noch irgendwie ermöglichen
kann und dem die nationale Wiedergeburt unseres Va
terlandes am Herzen liegt, in unsere Reihen fehlen.
Wie der Geschichtsoerein sich schon immer aus Angehö
rigen jedes Standes und Berufes zusammengesetzt hat,
so ist uns auch heute jeder willkommen, nicht nur der
Forscher und Fachhi'storiker, sondern auch der Ge
schichtsfreund, der durch den Besuch unseren Veranstal
tungen seine Teilnahme an der Vereingarbeit bekundet.
Mit der Mitgliedschaft wächst unsere Leistungsfähig
keit. Darum unsere dringende und herzliche Bitte:
Tretet dem Verein bei, soweit es noch nicht geschehen
ist, und ihr, die ihr ihm schon angehört, haltet ihm die
Treue und werbt für ihn in eurem Freundeskreise! Es
kann und muß gelingen, ihm über die Krise hinwegzu
helfen.
Beitrittsmeldungen werden erbeten an den Verein für
hessische Geschichte und Landeskunde, Kassel, Friedrichs
platz 18.
Nach Schluß der Mitgliederversammlung bot sich im
kleinen Saale des Stadtparks Gelegenheit zu gemein
samem Mittagsessen, die von zahlreichen auswärtigen
Festteilnehmern benutzt wurde. Oie Pause bis zum Nach-
mittagsausflug wurde von manchen Interessenten be
nutzt, um die von der Buchhandlung Joh. Braun aus
gestellten, von Maler Metz hergestellten, ganz vorzüg
lichen Bilder hessischer Militäruniformen aus drei Jahr
hunderten zu besichtigen.
Um Z Uhr nachmittags erfolgte vom Kasino aus in
drei großen Postautos die Abfahrt nach Wanfried.
Unterwegs wurde die 0. Eschwegische Wasserburg in Aue
besucht, wo Lehrer Fröhlich den Führer abgab. Oie
wohlerhaltenen, die Burg umgebenden Wassergräben
und die Keller der Burg ließen den alten Zustand der
Burg noch deutlich erkennen, was sich von dem in neuerer
Zeit hergestellten Oberbau leider nicht sagen läßt. Herr
0. Eschwege, der zum Empfang der zahlreichen Gäste er
schienen war, führte diese dann zum Herrenhause seines
Gutes, dessen Portal Bewunderung erregte. Dann ging
eg weiter nach Wanfried. Durch die stillen Straßen des
freundlichen Städtchens der „Brombeermäimer" fuhr
man zum Rathaus und begab sich zum Heimatmuseum,
vor dessen Tür man von einem reizenden, kleinen
„Brombcerniännchen" mit langem weißen Bart, spitzer
Mütze und einer Kötze voll Brombeeren mit einem lan
gen Willkommenögedicht empfangen wurde. Die kleine
Lina Herber erledigte ihre Aufgabe glänzend und erntete
reiches Lob. Herr Fabrikant Arthur Israël begrüßte
dann die Festteilnehmer im Namen der Stadt Wanfried
und lud zum Besuch des Heimatmuseums ein, dessen
Sammlungen im Einzelnen durch Herrn Lehrer Pippart
erläutert wurden. Von den vielen wertvollen Gegenstän
den des Museums ist besonders die bekannte Oukaten-
metze zu erwähnen, die der Schwälmer Junker Hans
Hofe dem Landgrafen Karl für die Erlaubnis, die Land
gräfin zu küssen, mit Dukaten gefüllt überreicht hatte *).
Sehr ansprechend war dag letzte Zimmer des Museums,
das eine vollständige Einrichtung eines Bauernzimmers
der Wanfrieder Gegend zeigte. Eine prächtige „Anne-
kathrin" in Wanfrieder Bauerntracht (Fräulein Klara
Schröder) erläuterte die einzelnen Gegenstände der Mö-
belauöstattung in einem schönen Gedicht in Wanfrieder
Mundart, für dag sie ebenso reichen Beifall fand, wie
für den vorzüglichen Brombeerschnaps, den sie kredenzte
und den auch manche Damen nicht zurückwiesen. Mit
herzlichem Dank an Herrn Lehrer Pippart und die
„Annekathrin" verließ man das Museum und begab sich
zu der schönen, vom sog. „gotischen Ungewitter" * 2 ) erbauten
Kirche. Nach deren Besichtigung wurden die Omnibusse
wieder bestiegen. Die Fahrt führte über die Werra
brücke, von der man einen Blick auf die ehemals dem
lebhaften Handel und der Werraschiffahrt Wanfried's
dienenden Schlagden werfen konnte, an den Fuß von
Beckers Berg, der auf steilem Wege erstiegen wurde.
Oie kleine Gaststätte am Waldcsrand bot Kaffee und
Kuchen, vor allem aber einen ganz herrlichen Blick in
das Werratal, auf dag im hellen Sonnenschein mit
seinen roten Dächern leuchtende Wanfried, auf die gegen
überliegende Plesse und Keudelskuppe und alle sich an
schließenden Werraberge. Zwei kleine Mädchen erfreu
ten auch hier durch Gedichtvorträge, die wohlgelangen.
Nur schwer konnte man sich von dem herrlichen Punkte
losreißen. Aber die Zeit drängte — also wieder den
steilen Berg hinab und in die Autos! Nun ging's aber
nicht denselben Weg, wie bei der Hinfahrt, wieder zu
rück. Man fuhr noch eine kurze Strecke im Werratal
hinauf und schlug dann von Völkershausen aus den Weg
durch den Schlierbachswald ein. Oie Fahrt durch die
herrlichen Buchenwälder des Schlierbachs war unbe
*) Uber die Dukatenmetze vergl. Hessenland, Band 23,
Seite 212, 2^7.
2 ) Georg Gottlob Ungewitter, Lehrer an der Poly
technischen Schule in Kassel, * Wanfried 1820, f Kassel
1864.