Stammeöpfeiler im Gefüge des neuen deutschen
Reiches werden konnte, den es heute darstellt und
der — will'ö Gott — noch stärker werden sollte,
um ein stärkeres Reich zu tragen.
Diese Gemeinsamkeit Hersfeld-Hessen hat nun
ein halbes Jahrtausend gedauert. Man braucht
die Tatsache nicht mit lautem Fest zu feiern. Aber
der Heimattreue Mansch, der mit sinnenden Gedan
ken alles Geschehen verfolgt, wird heute, auf eine
kurze Weile rastend, den Wechsel der Zeiten nach
denklich an sich vornbergehen lassen wollen. Ihm
sollte diese Stunde gehören.
Was wird aus Hessen bei der Verwaltungsresorm?
Die ersten Vorarbeiten zu einer Reform der
preußischen Verwaltung sind fast 30 Jahre alt.
Besonders nach dem Kriege und nach der StaalS-
nmwälzung ist diese Frage auf das Lebhafteste er
örtert worden. Erinnert sei hier nur daran, daß
man sich kurz nach dem Erlaß der neuen preußischen
Verfastung eingehend mit dem Gedanken beschäf
tigte, die Selbständigkeitsrechte der preußischen
Provinzen wesentlich zu erweitern. Eö handelte stch
hierbei im wesentlichen um die im Artikel 71 der
preußischen Verfassung angedeutete Neuregelung
der Provinzialgesetzgebung. Ist auch eine Reform
auf diesem Gebiete nicht erfolgt, so hat doch seit
dem die Erörterung aller mit einer grundlegenden
Neuregelung der Verwaltung zusammenhängenden
Fragen nicht nachgelassen. Die theoretische Durch
arbeitung des Stoffes hat mehr und mehr er
kennen lasten, daß bei einer Reform der Länder
verwaltungen nicht halt gemacht werden könne; es
hat sich immer deutlicher gezeigt, daß die Form, in
die nach der Staatöumwälzung unsere staatsrecht
lichen Verhältniste gegossen worden sind, manche
Unzulänglichkeit aufweist, und daß das von Bis
marck errichtete Reichsgebäude nach den Ereignissen
des Jahres 1919 eines grundlegenden Umbaues be
darf. Nur eine Reform an Haupt und Gliedern,
nur ein organischer Neuaufbau kann den Weg zu
einem Fortschritt ebnen.
Zahlreich, ja fast unübersehbar, sind die inzwi
schen gemachten Lösungsvorschläge, die entweder
nmfastende Gesamtlösungen enthalten oder zu die
ser oder jener Teilfrage Stellung nehmen. Haben
sich auf diesem Gebiete auch manche Romantiker
getummelt, denen ein unter heutigen Verhältnissen
auch nicht annähernd durchführbares Ideal vor
schwebte, so sind doch auch sehr ernst zu nehmende
Vorschläge erwachsen, die einer gründlichen Nach
prüfung Wert sind.
Diese Fragen sind aber nicht allein von Fach
leuten bearbeitet und erörtert worden; mehr uno
mehr hat sich die Öffentlichkeit dieser Dinge ange
nommen, immer lauter ist nach einer Reichs- und
Verwaltungsreform gerufen worden. Vor allem
war dabei der Wunsch maßgebend, Ersparnisse der
öffentlichen Verwaltung zu erzielen, die eine Locke-
Von E d w. P. Becker.
rang der äußerst angespannten Steuerschraube zur
Folge haben und deren wohltätige T8irkung für
jeden einzelnen Steuerzahler spürbar werden würde.
Die Stimmen, die vor einer Überschätzung der hier
bei zu erzielenden Sparmöglichkeiten warnten, ha
ben stch kaum Gehör zu verschaffen vermocht. Schon
vor Jahren ist darauf hingewiesen worden, daß in
unserem Verwaltungsapparat kaum die Summen
stecken, die zu einer Gesundung unserer Reichs- und
Staatsfinanzen erforderlich stnd.
Die in letzter Zeit vielfach erörterte Frage, in
welcher Weise das Reformwerk in Kraft gesetzt
werden könnte, hat in jüngster Vergangenheit eine
kaum mehr überraschende Antwort erhalten. Preu
ßen, so scheint es, ist gewillt, seine Verwaltung
durch Notverordnung neu zu gestalten. So sehr
dies grundsätzlich zu begrüßen ist, und so sehr man
geneigt sein mag, die Notverordnung als das in
heutiger Zeit allein anwendbare Mittel zur Lö
sung dieser großen und schweren Aufgabe zu betrach
ten, so müssen die ersten Schritte der kommissari
schen preußischen Regierung doch alle gehegten
Hoffnungen auf das Lebhafteste enttäuschen.
Mußte schon die Vorgeschichte der preußischen Not
verordnung vom i. 8. 1932 jeden Einsichtigen sehr
bedenklich stimmen, so verdient die in den aller
meisten ihrer Vorschriften erkennbar werdende
Tendenz schärfste Ablehnung. Die Berliner maß
gebenden Stellen haben sich die Lösung ihrer Auf
gabe zu leicht gemacht, denn die Notverordnung
bringt im wesentlichen statt eines organischen Neu
aufbaues nichts anderes als eine mechanische Zu
sammenlegung von Kreisen, die ohne ausreichende
Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vorgenommen
worden zu sein scheint und in ihrer Auswirkung
nur eine rücksichtslose Abwälzung der Kosten und
Lasten auf den Staatsbürger zur Folge haben
kann. In einer Zeit, in der man die Bedeutung
und den Wert ländlicher Siedlung zu erkennen be
ginnt und im Einklang mit dieser Erkenntnis zu
handeln versucht, muß es höchst sonderbar an
lauten, wenn rein ländliche Kreise auch politisch dem
unmittelbaren Einfluß großer Städte unterworfen
werden sollen, wenn man die Großstadt mehr als
unvermeidbar über das Wohl und Wehe rein
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