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wo heute sich die Ludwigsmühle befindet. Das
Kloster Blankenheim blieb in dem Bezirk eine
Hersfeldische Enklave, denn diese geistliche Stiftung
mußte man wohl oder übel der Abtei lassen.
Wer hätte sich nicht schon an dem schönen Land-
schaftübild, das die Burg Ludwigseck anf dem
Atzelstein am Auslauf des Rohrbachtales in die
Berge bietet, mit herzlicher Freude ergötzt! Und
doch sollte auch sie Raub an hersfeldischem Abtei
gut verteidigen, nämlich den oberen Teil des Ge
richtes „An der Rohrbach", in dem der hessische
Landgraf als heröfeldischer Vogt ebenfalls festen
Fuß faßte und die Dörfer Gerterode, Nieder- und
Ober-Thalhausen, Beenhausen, den Hof Heierode
und die Wüstung Safsenheim nach und nach ein
verleibte. Ähnlich ging es im Gericht Rengs
hausen zu.
Nah bei Niederaula lag früher eine Burg, die
Glauburg. Auch eine auf hersfeldischem Gebiet
von den Hessen zur Sicherung ihrer Vogteigewalt
gebaute Feste. Die Landgrafen haben diese Vogtei
hartnäckig behauptet und erst 1434, als sich die
Abtei in den Schutz Hessens gestellt hatte, darauf
verzichtet. Aber ganz wich der Landgraf auch
sann nicht aus diesem Gericht: ein Fastnachtshuhn
nnd ein Limes Hafer von jedem Rauch (Haushalt)
behielt er sich vor.
Weiter griff die Hand der Landgrafen in den
Hersfeldischen Besitz hinein. Zwar an den Neuen
stein und Wallenstein, die man schon 1357 zu er
werben versuchte, hielten die Abte fest; erst der vor
letzte in der Reihe der Abte Krafft WAfenbach,
bezahlte damit die Förderung, die er bei seiner völ
lig ungesetzlichen Wahl durch den Landgrafen er
fahren hatte. Aber Oberrode ist schon früher in
hessischem Besitz, es wird als Tauschobjekt für
Nenenstein mehrfach dem Abte angeboten.
7317 aber fitzen die Landgrafen auf der Burg
Friedewald. Die gute Jagd im Seulingswalde
hat es ihnen angetan. Zunächst haben sie nur einen
Anteil an diesem Hersfeldischen Lehen, erst von 1484
an haben sie es ganz inne.
Aber nicht nur in heröfeldisches, auch in fuldi-
sches Gebiet schob sich Hessen vor und umklammerte
damit die Abtei noch mehr. 1397 hatten die Land
grafen die Burg Hauneck, ein fuldischeS Lehen
der Herren v. Hanne, mit stürmender Hand ge
nommen, 1409 legitimierten sie diesen Besitz durch
Kauf. Auch hier, wie bei den anderen Burgen,
wurde die Umgegend mehr oder minder abhängig
von dem Herrensitz, er wurde allmählich Mittel
punkt eines Verwaltungsbezirks, eines Amtes. So
finden wir schon 1426 einen hessischen Amtmann
in Holzheim. 1406 versetzte Fulda die Burg Wil-
deck an Hessen und überließ sie ihm wenige Jahre
später ganz. Im selben Jahre wurde auch von
Fnlda an Hessen % des Amtes und der Stadt
Vacha als Pfand gegeben, und 1432 verkauften
ihm die Herren v. Heringen das Gericht Heringen,
das ursprünglich ein fuldisches Lehen war.
Vergessen wir auch nicht, daß das benachbarte
Oberheffen landgräflich war, Landgraf Hermann
der Gelehrte in Alsfeld ein Schloß baute und hier
wiederholt residierte, daß die Landgrafen auch schon
die sichere Anwartschaft auf die Grafschaft Ziegen
hain besaßen, zu der als heröfeldische Lehen die
fruchtbare Schwalm mit Ziegenhain, Trersta,
Nenkirchen, Schwarzenborn und Gemünden ge
hörte, so sehen wir die Kernlande unserer Abtei um
1432 schon ganz von der Landgrafschaft Hessen
umstellt, so ganz in der Gewalt der „gestreiften
Katze", daß für das Hersfelder Manschen ein
Entrinnen unmöglich war.
Die Stadt aber hält Freundschaft mit dem Hessen.
Aber noch mehr, auch innerhalb des Abteigebietes
hatte Hessen festen Fuß gefaßt. Es hatte in der
Stadt Hersfeld, der einzigen Stadt des Landes,
nachdem Gotha schon früh an die Wettiner und
Arnstadt im 14. Jahrhundert an die Grafen von
Schwarzburg gefallen war, die Sympathien der
Bürger auf seiner Seite.
Die Stadt stand von vornherein im Gegensatz
zu der Abtsregiernng, der sich immer mehr ver
schärfte. „Zwei Welten", so hat Heinrich Butte,
dessen Arbeiten 2 ) ich für diesen Teil meines Vor
trages viel verdanke, das Verhältnis beider zuein
ander gekennzeichnet, „standen sich gegenüber: hier die
Stadt gegründet auf Verkehr, Gewerbe, Geld
wirtschaft und Veränderung; dort die fürstliche
Reichsabtei am alten Ruhme zehrend". Die auf
strebende Stadt, deren Tuch- und Lederhandel weit
in die Lande hineinging, bedurfte der Freiheit für
Handel und Wandel, Beseitigung der lähmenden
Vormundschaft der weltfremden Klosterleute und
Minderung der drückenden Abgaben und Lasten.
Den Äbten aber kam es bei dem ständigen Rück
gang der Stiftseinnahmen durch die unaufhörlichen
Verluste an Gebieten und Rechten vor allem dar
auf an, die Abgaben aus der aufblühenden Stadt
reichlicher fließen zu lasten, sie also in möglichster
Abhängigkeit zu erhalten.
Diesen Gegensatz erkennen wir schon deutlich
im 13. Jahrhundert. Er findet seinen Ausdruck
it. a. darin, daß man in der Stadt die Verteidigung
2) Butte, Dr. H., Stift und Stadt Hersfeld im
i 4 - Jahrhundert. Marburg ign
Butte, Dr. H., Hersfeld und die Landgraffchaft
Hessen im i 4 - und 15. Jahrhundert. „Hesjenland", Hessi
sches Heimatblatt. 27. Jahrgang. 1913.