Full text: Hessenland (42.1931)

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gemeinschaft interessiert, die sich in Anlehnung an 
den Verkehrsverband für die Lahn (Sitz Limburg) 
ergab, der als Dachorganisation bereits die übrigen 
Lahnstädte von Wetzlar bis Koblenz zusammen 
schließt und betraut. 
Am 2. Februar d. I. fand nun in Gießen wie 
der unter dem Vorsitz des ersten Vorsitzenden des 
Marburger Verkehrsvereins, Verlagsbuchhändler 
Braun, eine Sitzung dieser Arbeitsgemeinschaft 
statt, in der vor allem der Wunsch laut wurde 
nach einem engeren Zusammenschluß, damit auch 
tatsächlich praktische Arbeit geleistet werden kann. 
Erwogen wurden weiter die Möglichkeiten eines 
Austauschs des Fremdenverkehrs, der durch größere 
Veranstaltungen (z. B. 700jährige Ge- 
Der Dorfschäfer. 
Am Riedberg, eine halbe Stunde oberhalb des 
Dorfes, weidete die Schafherde des Ortes. Das 
ununterbrochene Rupfen und Zupfen der im Äsen 
weiterschreitenden Tiere verursachte das Geräusch 
eines gleichmäßig niederfallenden gemächlichen 
Landregens. Der Dorfschäfer Johannes Füll- 
gräbe saß auf einer der armdicken, bemoosten 
Wurzeln der vielhundertjährigen Linde, die alö 
einsame Wächterin vor dem Riedwäldchen stand. 
Der Schäfer laö in seinem Neuen Testament, das 
er in der Brusttasche seines blauen Leinenkittels 
stets mit sich führte. Die Obhut über die große 
Schar seiner Pfleglinge konnte er, während er 
seine Abendandacht hielt, getrost seinen getreuen 
Gehilfen Luchs und Flink überlasten. Die Hunde 
umkreisten diensteifrig und rastlos die Wollträger, 
mit drohendem oder auch nur mahnendem Gekläff 
die Tiere beisammenhaltend, oder diejenigen zurück 
treibend, die Neigung zeigten, sich auf verbotene 
Wege zu begeben und den üppigen Saatfeldern 
am oberen Rand des Weideplatzes einen unerlaub 
ten Besuch abzustatten. 
Füllgräbe klappte sein Buch zu und blickte eine 
Weile sinnend ins Weite. Vom Dorf herauf, 
dessen Spitzturm und rote Dächer zwischen dem 
jungen Grün der Bäume hervorlugten, verklang 
das Abendläuten. Der Schäfer erhob sich, nahm 
den breitkrempigen, verwitterten Filzhut ab und 
sagte bei den letzten Gebetschlägen halblaut: 
„So oft ich hör' der Glocken Schlag, 
Daß ich es wohl bedenken mag, 
Daß meine kurze Lebensfrist 
Ein Stündlein kürzer worden ist." 
Als der Schafhirte sich wieder seiner Herde zu 
wenden wollte, sah er drüben auf der Landstraße, 
dächtnisfeier der heiligen Elisabeth) und Tagungen 
in den einzelnen Städten des Lahntals in diesem 
Sommer zu erwarten ist, ferner wurde angeregt, 
in Holland eine besondere Stelle einzurichten, 
die dort speziell für Reisen durch das burgenreiche 
Lahntal werben soll. Von der Herstellung einer 
Reliefkarte durch das Lahntal glaubt man 
zunächst absehen zu müssen, dafür wurde vorge 
schlagen, ein illseitiges Faltblatt im 
Tiefdruckverfahren herzustellen in einer Auflage 
von 30—50 000 Stück. Auch die Aufgabe einer 
Sammelan zeige in geeigneten Zeitungen 
und Zeitschriften ist für dieses Jahr wieder in 
Aussicht genommen. s—r. 
Erzählung von Helene Brehm. 
die von Hainrode herabkommt, einen Mann stehen, 
der gleichfalls zum Dorfe hinabsah und den 
Glockenklängen gelauscht zu haben schien. Auch 
er hielt den Hut zwischen den Händen, die sich auf 
einen Spazierstock stützten, und fuhr sich nun mit 
seinem Tuch über die Augen. Es schien ein 
Fremder zu sein, denn neben sich an den Wegrand 
hatte er einen umfangreichen Handkoffer gestellt. 
Jetzt setzte der Mann den Hut wieder auf, griff 
nach seinem Gepäck und ließ die Augen wie prü 
fend umherschweifen. 
Da bemerkte er jenseits der Ackerstreifen, die sich 
zwischen die Straße und das Riedwäldchen drängen, 
den Schäfer, der ihm das Gesicht zugewandt hatte. 
Der Fremde stutzte einen Augenblick, schickte dann 
einen Ruf zu dem Spähenden hinüber und eilte, so 
schnell sein schweres Gepäckstück es zuließ, durch 
Furchen und über Äcker zu dem Schäfer hinüber, 
der die Hand schattend über die Augen hielt. Wer 
mochte der Nahende sein, der jetzt sogar freudig 
seinen Namen rief? 
„Guten Tag, Schwager Gehannes! Das ist 
aber eine gute Fügung, daß ich dich als Ersten in 
ver alten Heimat treffe! Du kennst mich wohl 
gar nit mehr?" Ein frohes Lächeln ging über 
das Gesicht des Angerufenen. „Ja, bist du's denn, 
Schwager Andrees? Wo in aller Welt kommst 
denn du her?" 
Die beiden Männer drückten sich herzlich die 
Hand. „Ich komme gerade aus dem Amerika 
heraus. Vorgestern abend kam ich in Kastei an. 
Gestern hab' ich allerlei Geschäfte dort erledigt, 
und heute mittag machte ich mich auf den Weg 
hierher, um die Heimat und die Freundschaft end 
lich wiederzusehen. Ich werde wohl Euch allen 
aus den Augen gewachsen sein, denn aus dem
	        

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