Full text: Hessenland (42.1931)

aber 1787 einstellen. — Vortragender behandelte dann 
eine Distertation von Dr. Olga Bloch, die sich mit der 
Materie befaßt, ohne allerdings gründliche Arbeit zu 
liefern, und die in Polemiken sich erschöpft. Nachdem 
er dann noch die Fuldaer Porzellan-Manufaktur kurz 
erwähnt hatte, die Fürst-Bischof von Bibra ins Leben 
gerufen, und deren Produkte noch heute höchstwertige 
Cammelobjekte sind, besprach er noch die Produkte der 
Kasteler Manufaktur, für die keine geringeren Name» 
als S. L. du Ry und Johann August Nahl die Modell- 
zeichnungen geliefert haben. Er erwähnte ferner, daß 
dem feinsinnigen ersten Schildcrer der Kasseler Manu 
faktur, A. von Orach, ein Preisverzeichnis des Kasteler 
Instituts im „Journal von und für Deutschland" ent 
gangen sei, das uns außerordentlich reiche Einblicke in das 
Porzellangeschirr jener Tage bietet. Dr. Hallo gab daraus 
Proben und nannte Preise, die uns horrend erscheinen, 
besonders, wenn man die damalige Kaufkraft des Gel 
des in Betracht zieht. So kostete eine Taste nicht 
weniger als zwei Reichstaler. Es ist höchst bedauerlich, 
daß auch das Kasseler Museum nur verhältnismäßig 
wenig Stücke dieser Manufaktur besitzt, deren einge 
branntes Zeichen H L (Hestenland) sie kennzeichnet. — 
Anschließend sprach Privatmann Gustav Wentzell 
über einen früher in seinem Besitz befindlichen Schweins 
kopf aus Kasteler Porzellan, der als Punsch-Bowle 
diente und den Dampf aus den Nüstern ausströmen 
ließ. Er erwähnte ferner jenen Löwenwärter der Me 
nagerie des Landgrasen Karl, der es später zum Päch 
ter der Fayence-Manufaktur in der Schäfergasse ge 
bracht und von dem noch ein Nachfahre in Esch- 
wege lebt. 
Weiter sprach Zolldkrektor Woringer zu 
nächst über ein früher in Kassel befindliches Geschütz 
„Der große Hund", über das abweichende Nachrichten 
uns erhalten sind. Am wahrscheinlichsten ist die An 
gabe, daß jenes Geschütz i. I. 1631 von den Hessen er 
beutet wurde, als sie Ende August jenes Jahres die 
Stadt Fritzlar einnahmen, wo als kurmainzischer Ober- 
Amtmann ein Herr von Griesheim saß, der früher 
Professor in Rinteln gewesen, aber zum Katholizismus 
übergetreten war, und nun das umliegende hessische 
Land schwer schädigte. „Der große Hund" soll 99 Zent 
ner und 81 Pfund gewogen haben; die zeitgenössische 
Angabe, daß er zwei Stunden weit geschossen habe, ist 
natürlich übertrieben und auch sonst wird nichts beson 
deres von deni Geschütz berichtet, das im Kasseler Zeug 
hause stand. 1758 wurde es durch die Franzosen nach 
Straßburg abgeführt, 1762 aber wieder zurückgeliefert 
zugleich mit anderer weggeführter Artillerie. Wir wis 
sen das aus verschiedeneu Angaben aus Amöneburg und 
Friedberg, aber auch aus Graßmeders Kasteler Chronik, 
die auch die Gewichtsangabe bestätigt. 1806 wurde das 
Geschütz zum zweiten Male von den Franzosen fortge 
führt, kam aber nun nicht wieder und ist wohl durch 
Umguß untergegangen. Redner machte dann noch 
einge Angaben über andere hessische Geschütze, so jenes 
aus dem Jahre 1806, das sich heute auf der Rudels 
burg bei Kösen befindet. 
Oes weiteren sprach Herr W 0 r i n g e r über das 
Denkmal des am 31. Juli 1831 beim Baden in der 
Fulda ertrunkenen C. C. I. Pfeiffer, der i. I. 1803 als 
Sohn des bekannten Staatsrechtlers Burkhart Wilhelm 
Pfeiffer geboren, sich an den politischen Kämpfen der 
Verfafsunggzeit beteiligt hatte, auch der Bürgergarde 
angehörte und Mitarbeiter des „Verfassungsfreund" 
war. Daneben hatte er literarische Neigungen, er dich 
tete für zwei Kompositionen Spohrs die Texte; seine 
übrigen Dichtungen, die er selbst nicht mehr an die 
Öffentlichkeit gab, wurden später auf Wunsch seiner 
Freunde von seinem Vater veröffentlicht. An seinem 
Grabe dirigierte Spohr selbst die Sänger, die bei der 
Trauerfeierlkchkeit mitwirkten. Das Denkmal, ein 
Obelisk mit Stern auf der Spitze, ist noch heute eines 
der interessantesten des alten Friedhofes. — Eine rege 
Diskussion schloß sich an und es wurde der Wunsch 
ausgesprochen, einmal den Kasteler Friedhof unter sach 
kundiger Führung zu besichtigen. Besonders wurde noch 
des Grabmals Johannes von Müllers Erwähnung getan. 
Den nächsten Dortrag brachte Kantor H 0 rwitz 
Er erinnerte an den Aufruf vom 12. Dezember 1813, 
durch den die hessischen Feldregimenter neu formiert und 
die freiwilligen Jäger zu Pferd und zu Fuß gebildet 
wurden. Da bildete sich auch ein Verein der Frauen, 
der vornehmlich Sammlungen von Geld, Wertgegen 
ständen, Stoffen, Waffen und anderen Gegenstände» 
des Heeresbedarfes einleitete. Schon der erste Tag 
der Auflegung der Listen erbrachte 1500 Taler und etwa 
30 Goldstücke, ferner große Mengen von Silbergerät, 
Stoffen und Waffen. In den nächsten Tagen wuchs 
dann noch die Zahl der gestifteten Gegenstände und der 
Wert des Geldes. Vortragender brachte eine ganze 
Reihe von Namen und besten, was sie fürs Vaterland 
gestiftet hatten. Auch die Brüder Jacob und Wilhelm 
Grimm, persönlich ain Heeresdienst verhindert, rüsten 
ihren Bruder Emil Ludwig Grimm aus und stiftete» 
den Ertrag des von ihnen damals zur Subskription 
aufgelegten „Armen Heinrich". Redner schloß seine 
hochinteressanten Ausführungen mit einem Hinweise auf 
die in diesen Tagen durchgeführte „Winterhilfe", 
für die er einen gleichen Opfersinn erbat, als ihn die 
Väter bewährt haben. 
Als letztes Referat des Abends trug noch D i r e k - 
t 0 r Dr. Hopf einiges aus einem Reisetagebuche des 
Jahres 1793 vor. Karl Wilhelm Georg Sethe aus 
Cleve war damals Student in Halle und reiste durch 
Thüringen und Hcsten der Heimat zu. In Eisenach 
hatte er die Wartburg besucht und dann in n Stunde» 
Fahrt Kassel erreicht. Das waldige Gebirgsland machte 
ihni keinen guten landschaftlichen Eindruck, auch weiter 
nicht auf seiner Reise über Marburg nach Frankfurt, 
von wo aus er den Rhein hinab reiste. Kastei dagegen, 
wo er im Gasthof „Zur Stadt Stralsund" (Ecke Mit- 
telgaste und Hohentorstraße) wohnte, hinterließ ihn, 
einen sehr großen Eindruck, namentlich die Sauberkeit 
aller Straßen. Er besichtigte das Museum, wo ihni 
besonders die Wachsfiguren früherer Landgrafen Ein 
druck machten, von den Anlagen der Wilhelmshöhe be 
richtet er eigenartige und oft verzerrte Eindrücke. Aber 
ini ganzen ist jene Reiseschildcrung doch ein Beweis für 
die gute Ordnung, die auch auf den Fremden ihre Ein 
wirkung nicht verfehlte. Daß ihm bei der Weiterreise 
Marburg keinen sonderlichen Eindruck hinterließ, er 
klärt sich auch aus dem Geiste der Zeit. — Im An 
schlüsse hieran sprach noch Dr. Hallo, der die fran 
zösisch geschriebene Reisebriefe einer Schwester von 
S. L. du Ry aus dem Jahre 1773 erwähnte, wo die 
Schwester des großen Baumeisters auch die Sauberkeit 
Kastels und namentlich im Vergleiche mit Paris, unter 
strich. So betonte sie auch, daß die Fenster in Kastei 
immer gut geputzt seien, was in Paris nie der Fall 
wäre. — Herr Jacob ergänzte diese Darlegungen, 
namentlich für Straßenreinigung und Straßenordnung 
und erinnerte an den im Reiseberichte erwähnten 
Schildbach, den Verfertiger der bekannten „Holzbiblio 
thek" des Kasseler Naturkundemuseunis. — Dann wurde 
nach J 4 n Uhr der reichhaltige Abend geschlosten.
	        
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