Full text: Hessenland (42.1931)

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anderes trinke als nur Rahm? Schmand nennt 
man diesen im Lande. Milch mag das andere Volk 
trinken. 
Die Einwohner von Netze heißen die Heiden. 
Und man erzählt, damals als Bonifatius in unserer 
Heimat die Donareiche bei Geismar fällte, hätten 
sich alle Orte an der Eder zum Christentums be 
kehrt, nur die Ketzer hätten noch über hundert 
Jahre dem Heidentum angehangen. Deshalb 
Heiden. 
Die Bauern in Mehlen rühmen sich gern ihres 
Wohlstandes und ihrer guten Felder. Deshalb 
nennt man den Ort Prohlmehlen. Die Berghei- 
mer beherbergen im Park des gräflichen Schlosses 
eine Kugel, in die man nur hineinsehen muß, um 
ein schöner Mensch zu werden. Und da die Berg- 
heimer Wert aus Schönheit legen, sehen sie natür 
lich immerfort in diese Wunderkugel, heißen des 
halb in der Umgebung die Glaskugelgucker. 
Ein anderer bisher nur einmal belegter Name 
für die Bergheimer ist „die Sonnenputzer", für den 
eine Erklärung mir noch nicht vorliegt. 
In Böhne essen die Leute gerne Kartoffelklöße, 
weshalb man sie die Klößeschwupper nennt. Die 
Anwohner der Eder heißen allgemein die Edder- 
gäise. Bei Anraff gibt es viele Frösche, Rölinge 
genannt, deshalb Anraffer Rölinge. Die Benk- 
häuser müssen an einer goldenen Kette unter dem 
Mühlrade einen Frosch bewachen, also Benkiske 
Höpper. Übel find die Einwohner Fürstenbergs 
dran. Sie bewachen einen Igel mit goldener Kette 
und goldenem Halsband. Igelhüter oder auch kurze 
Igel nennt man sie. Daß der Igel in jedem 
Jahre mindestens einmal fortläuft, und Fürsten 
berg dann seinen ganzen Stadtsäckel leeren muß, 
um ihn wieder zu bekommen, erzählt man zum 
i. April. (Fürstenberg war bei seinen kaum 290 
Einwohnern bis zum Anschlüsse Waldecks Stadt.) 
Die Adorfer schnarren den Buchstaben — r — 
mit unvergleichlicher Schönheit. Jeder Engländer 
würde sie darum beneiden. Also Adorfer Schnarr 
säcke. 
Weitere Spottnamen, für die mir Erklärungen 
bisher nicht vorliegen, find folgende: Giebringhau 
sen: Schlackergänse; Rhenegge: Thüpöke; Wir 
mighausen: Stiggelhöppers; Schweinsbühl: Dros 
seln; Flechtdorf: Truten; Vasbeck: Brotbüchsen; 
Giflitz: Biebitze; Königshagen: Königsknippen; 
TLildungen: Schlotten; Helsen: Sandhasen. 
Neben diesen Spottnamen gibt es nun eine An 
zahl von Spottsprüchen. Den hauptsächlichsten teilt 
Fleischhauer mit (Schwarz-Rot-Gold, II. Teil): 
Auf Waldeck geht ein kühler Wind, 
mit Altwildungen gleiche Brüder sind, 
in Züschen sind sie reformiert, 
in Sachsenberg sind sie schön geziert, 
Fürstenberg ist mauerfrei, 
Arolsen ist nagelneu, 
Wildungen die Schöne. 
Sachsenhausen Trespenbrot, 
Landau leidet an Wassernot, 
Mengeringhausen liegt im Dreck, 
in Rhoden sind sie alle geck, 
bleib mir von Freienhagen weg. 
Dieser Spruch wird nun auch auf andere Orte 
angewendet. So heißt es in Helmighausen: 
Helmighausen die Krone 
Hespringhausen verschone, 
Neudorf liegt im Dreck, 
bleibt mir nur von Kohlgrund weg. 
Oder auch von anderen Orten: 
Sachsenhausen e Trespenbrot, 
Freienhagen Hungers- und Wassersnot, 
Höringhausen liegt im Dreck, 
bleibt mir ja von Strohte und Meineringhausen weg. 
Von Höringhausen berichtet die Waldecksche 
Landeskunde: 
Ji Hörenkiser Oeewe 
ji stiälet uns die Breewe, 
ji stiälet uns de bunten Köje, 
un bringet uns de Schingerköje. 
Ebendort findet fich auch folgender Spottvers 
über die Orte Wega, Mandern und Ungedanken: 
In Weege 
do geht de Katze treege, 
in Mangeren, 
do geht de Katze wangeren, 
in Üngedanken do werd de Katze offgehanken. 
Eine besondere Stellung unter den waldeckschen 
Orten scheint Freienhagen einzunehmen. Hierfür 
sprechen folgende Spottverse über die alte Stadt: 
Freienhagener Schütze nkommando. 
i. „Pohl biet Bien, 
mit dem Aese no Lippen Miste, 
mit derr Nase no de Kerkendäüre." 
‘2. Ick säi von Friggenhagen, 
ick äte gärne stief, 
siwwen dicke Teller vull, 
datt gitt doch watt int liew. 
3. Graute Bauhnen stief gekocket, 
nu nach Braut dertau gebrocket, 
nu nach Braut dertau gegetten, 
datt is en richtig Friggenhägener Aeten. 
4. Aeine graute Bauhne is dem Friggenhägener liäber 
ose ne Schnute voll Braut. 
Damit wäre diese Sammlung beendet. 
I. Neue waldecksche Volkssprüche. 
Im Rahmen der waldeckschen Volksliedersammlung 
gesammelt von cand. phil. M a x B e ck - Bergheim. 
Mundart und Schlichtheit, Kürze und Derb 
heit, einfachste Wahl der Worte und Bilder, Er 
setzung alles Abstrakten durch konkrete Begriffe, 
das ist das Wesen echt volksentsprossener Dichtung.
	        

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