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drucksvollsten Denkmäler Niederhestens (Stein
kiste von Züschen, Menhire von Ellenberg, Haus
von Haldorf) angehören. Ist diese Kultur selber
schon aus der Vermischung der vom westlichen Mit-
telmeer gekommenen Zonenkeramik mit der Thürin
ger Schnurkeramik am Rhein entstanden, so wer
den gerade in unseren Denkmälern die Beziehun
gen besonders kompliziert: Die Steinkiste von
Züschen mit Schnurzonenbecher und Kragenflasche
stammt aus einer westlichen Nkegalithgrnppe, aber
die eine Axt besteht vielleicht aus Schiefer von
Wieda am Harz. Jetzt kündigt sich schon die Me
tallzeit an, die kupferreichen Länder Europas treten
in den Vordergrund, und auch in Hessen zeigen sich
die Spuren ihres weitreichenden Handels. Das
Dreiecksmuster des kleineren Ellenberger Menhirs
leitete W. Bremer von Irland, die merkwürdige
Kupferaxt mit dem gegossenen Stiel aus Nieder-
hone von Ungarn her.
Von etwa 1700—1200 gehört Kurhefsen der
großen einheitlichen Kultur der Hügelgräber an,
doch fehlt es auch jetzt nicht an Einflüssen von
außenher: die in Gräbern gefundenen Halskragen
der Frauen, die an die Ringkragen der modernen
Feldgendarmen erinnern, stammen vom Norden,
blaue Glasperlen von Frielendorf am Knüll find
aus dem fernen Ägypten durch den Handel hierher
gelangt. Die vielen Grabhügel am Vogelsberg
zeichnen sich durch ihren reichen Inhalt an mannig
faltigsten Beigaben aus, an Radnadeln und Arm
reifen, Spiralanhängern und Fibeln, Beilen und
Dolchen. In anderer Hinsicht wichtig find fünf
Grabhügel, die bei Niederjossa (Kr. Hersfeld) auf
gedeckt wurden: zwei von ihnen bedeckten die Grund
risse der Häuser, in denen man die Toten — das
eine Mal nicht weniger als 13 — beigesetzt hatte,
es fand sich dabei ein quadratisches Haus mit Vor
bau neben einem ovalen. Hingegen find auf dem
Haimberg bei Fulda, der feit der Steinzeit besiedelt
war, innerhalb eines Schlackenwalls leider nur die
Unterbauten als „Podien" erhalten; die dort ge
fundenen prachtvollen Scheibenfibeln ahmen nor
dische Vorbilder nach und zeugen für die frühe Be
deutung der Antsan-Via.
Auf die „Hügelgräber"-Bronzezeit folgt die
Kultur der Urnenfelder, die auch unsere Gegend
umfaßt und den Übergang zur Eisenzeit bildet
(1200—800 v. Chr.); die Toten werden ver
brannt und in großen Urnen mit wenigen Beigaben
bestattet. Die Urnen und ihre Beigefäße erhalten
im Süden unseres Gebietes scharfe, metallisch an
mutende, im Norden unklar geschweifte Formen.
Die Urnenfelder (z. B. Wehlheiden) erstrecken sich
zum Teil bis in die späte Eisenzeit hinein und zeu
gen von einer ungewöhnlich gleichmäßigen ruhigen
Entwicklung. Nur das obere Fuldatal (Gräber
vom Lanneshof) und die Marburger Gegend stehen
den südlichen Einflüssen offen. Daß freilich der
Gilserberg nicht eine so scharfe Scheide bildet, wie
Bremer annahm, beweisen schöne neuerdings ge
fundene Urnen aus Klein-Englis (Kr. Fritzlar),
die, wenn auch in stark abgeschwächter Form, die
aus der Lausitz stammende Buckelverzierung auf
weisen.
Sehr deutlich zeigt sich die Abschließung Nieder-
hefsens in der Eisenzeit. Die Koberstädter Kultur
mit ihren schönen, buntbemalten Vasen ist an
scheinend nicht über Gießen und Hünfeld hinaus
gelangt; im Gegensatz zu ihr schließt sich Kurhefsen
vielmehr an die nordischen Nachbarn an, wenn
seine Erzeugnisse auch nicht ganz so ärmlich und
flau in den Formen find wie dort.
Auch die gallischen Vorstöße der La Tene-Zeit
find in unser Gebiet nicht eingedrungen und haben
nur schwache Spuren hinterlassen. Ein inter
essantes Problem stellen die Wendelringe, die nicht
allzu selten vorkommen (zu den bisher bekannten
Fundorten treten neuerdings Mardorf a. E. und
Dillich j Kreis Hombergs). Während Schu
macher (Siedlungsgeschichte I 103 s. Taf. 7) an
ihnen das Vordringen der keltischen „Mehre-
ner Kultur" aus dem Westen ablesen möchte,
hält sie Behrens (Mainzer Festfchr. 1927, 149)
für Importgut aus dem germanischen Norden, das
auf den Straßen längs der Lahn nach dem Rhein
wandert. Da es bisher an charakteristischen Bei
gaben der gallischen Kulturen fehlt und die Brand-
bestattung weiter herrscht, scheint mir die letztere
Anficht mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben.
Besonderes Studium verdienen die Ningwälle,
die etwa vom 4. Ih. an auftreten. An denBur-
gen der Rhön, die am besten untersucht find, hat
Vonderau in seinem Überblick über „Die Besiede
lung der Rhön in vor- und frühgeschichtlicher Zeit"
zwei wichtige Züge festgestellt: einerseits scheinen sie
die vorgeschichtlichen Wege, also vor allem Antsan-
Via und Orteöweg zu begleiten, andererseits bilden
sie vom Ochsen bis zum Mettermich eine von Nor
den nach Süden laufende Front und zwar eine
Front, die sich gegen Osten richtet. Als „Kern
werk" der Gesamtanlage bezeichnet Vonderau die
Milseburg mit ihren gewaltigen Wällen und den
„Podien", d. h. den Horizontalflächen für die prä
historischen Häuser, die hier im Schutz hoher Fel
sen ein ganzes Dörfchen bildeten.
Die Frage, ob die Erbauer dieser Ringwälle
Kelten oder Germanen waren, ist noch nicht end
gültig gelöst. Die Tatsache, daß die ältere Kera
mik sich scharf von der der ansässigen Urnenfelder-
Leute unterscheidet, zusammen mit sprachlichen Un