Full text: Hessenland (42.1931)

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drucksvollsten Denkmäler Niederhestens (Stein 
kiste von Züschen, Menhire von Ellenberg, Haus 
von Haldorf) angehören. Ist diese Kultur selber 
schon aus der Vermischung der vom westlichen Mit- 
telmeer gekommenen Zonenkeramik mit der Thürin 
ger Schnurkeramik am Rhein entstanden, so wer 
den gerade in unseren Denkmälern die Beziehun 
gen besonders kompliziert: Die Steinkiste von 
Züschen mit Schnurzonenbecher und Kragenflasche 
stammt aus einer westlichen Nkegalithgrnppe, aber 
die eine Axt besteht vielleicht aus Schiefer von 
Wieda am Harz. Jetzt kündigt sich schon die Me 
tallzeit an, die kupferreichen Länder Europas treten 
in den Vordergrund, und auch in Hessen zeigen sich 
die Spuren ihres weitreichenden Handels. Das 
Dreiecksmuster des kleineren Ellenberger Menhirs 
leitete W. Bremer von Irland, die merkwürdige 
Kupferaxt mit dem gegossenen Stiel aus Nieder- 
hone von Ungarn her. 
Von etwa 1700—1200 gehört Kurhefsen der 
großen einheitlichen Kultur der Hügelgräber an, 
doch fehlt es auch jetzt nicht an Einflüssen von 
außenher: die in Gräbern gefundenen Halskragen 
der Frauen, die an die Ringkragen der modernen 
Feldgendarmen erinnern, stammen vom Norden, 
blaue Glasperlen von Frielendorf am Knüll find 
aus dem fernen Ägypten durch den Handel hierher 
gelangt. Die vielen Grabhügel am Vogelsberg 
zeichnen sich durch ihren reichen Inhalt an mannig 
faltigsten Beigaben aus, an Radnadeln und Arm 
reifen, Spiralanhängern und Fibeln, Beilen und 
Dolchen. In anderer Hinsicht wichtig find fünf 
Grabhügel, die bei Niederjossa (Kr. Hersfeld) auf 
gedeckt wurden: zwei von ihnen bedeckten die Grund 
risse der Häuser, in denen man die Toten — das 
eine Mal nicht weniger als 13 — beigesetzt hatte, 
es fand sich dabei ein quadratisches Haus mit Vor 
bau neben einem ovalen. Hingegen find auf dem 
Haimberg bei Fulda, der feit der Steinzeit besiedelt 
war, innerhalb eines Schlackenwalls leider nur die 
Unterbauten als „Podien" erhalten; die dort ge 
fundenen prachtvollen Scheibenfibeln ahmen nor 
dische Vorbilder nach und zeugen für die frühe Be 
deutung der Antsan-Via. 
Auf die „Hügelgräber"-Bronzezeit folgt die 
Kultur der Urnenfelder, die auch unsere Gegend 
umfaßt und den Übergang zur Eisenzeit bildet 
(1200—800 v. Chr.); die Toten werden ver 
brannt und in großen Urnen mit wenigen Beigaben 
bestattet. Die Urnen und ihre Beigefäße erhalten 
im Süden unseres Gebietes scharfe, metallisch an 
mutende, im Norden unklar geschweifte Formen. 
Die Urnenfelder (z. B. Wehlheiden) erstrecken sich 
zum Teil bis in die späte Eisenzeit hinein und zeu 
gen von einer ungewöhnlich gleichmäßigen ruhigen 
Entwicklung. Nur das obere Fuldatal (Gräber 
vom Lanneshof) und die Marburger Gegend stehen 
den südlichen Einflüssen offen. Daß freilich der 
Gilserberg nicht eine so scharfe Scheide bildet, wie 
Bremer annahm, beweisen schöne neuerdings ge 
fundene Urnen aus Klein-Englis (Kr. Fritzlar), 
die, wenn auch in stark abgeschwächter Form, die 
aus der Lausitz stammende Buckelverzierung auf 
weisen. 
Sehr deutlich zeigt sich die Abschließung Nieder- 
hefsens in der Eisenzeit. Die Koberstädter Kultur 
mit ihren schönen, buntbemalten Vasen ist an 
scheinend nicht über Gießen und Hünfeld hinaus 
gelangt; im Gegensatz zu ihr schließt sich Kurhefsen 
vielmehr an die nordischen Nachbarn an, wenn 
seine Erzeugnisse auch nicht ganz so ärmlich und 
flau in den Formen find wie dort. 
Auch die gallischen Vorstöße der La Tene-Zeit 
find in unser Gebiet nicht eingedrungen und haben 
nur schwache Spuren hinterlassen. Ein inter 
essantes Problem stellen die Wendelringe, die nicht 
allzu selten vorkommen (zu den bisher bekannten 
Fundorten treten neuerdings Mardorf a. E. und 
Dillich j Kreis Hombergs). Während Schu 
macher (Siedlungsgeschichte I 103 s. Taf. 7) an 
ihnen das Vordringen der keltischen „Mehre- 
ner Kultur" aus dem Westen ablesen möchte, 
hält sie Behrens (Mainzer Festfchr. 1927, 149) 
für Importgut aus dem germanischen Norden, das 
auf den Straßen längs der Lahn nach dem Rhein 
wandert. Da es bisher an charakteristischen Bei 
gaben der gallischen Kulturen fehlt und die Brand- 
bestattung weiter herrscht, scheint mir die letztere 
Anficht mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. 
Besonderes Studium verdienen die Ningwälle, 
die etwa vom 4. Ih. an auftreten. An denBur- 
gen der Rhön, die am besten untersucht find, hat 
Vonderau in seinem Überblick über „Die Besiede 
lung der Rhön in vor- und frühgeschichtlicher Zeit" 
zwei wichtige Züge festgestellt: einerseits scheinen sie 
die vorgeschichtlichen Wege, also vor allem Antsan- 
Via und Orteöweg zu begleiten, andererseits bilden 
sie vom Ochsen bis zum Mettermich eine von Nor 
den nach Süden laufende Front und zwar eine 
Front, die sich gegen Osten richtet. Als „Kern 
werk" der Gesamtanlage bezeichnet Vonderau die 
Milseburg mit ihren gewaltigen Wällen und den 
„Podien", d. h. den Horizontalflächen für die prä 
historischen Häuser, die hier im Schutz hoher Fel 
sen ein ganzes Dörfchen bildeten. 
Die Frage, ob die Erbauer dieser Ringwälle 
Kelten oder Germanen waren, ist noch nicht end 
gültig gelöst. Die Tatsache, daß die ältere Kera 
mik sich scharf von der der ansässigen Urnenfelder- 
Leute unterscheidet, zusammen mit sprachlichen Un
	        

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