Full text: Hessenland (42.1931)

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künde wurde im Jahre 1834 gegründet und 
brachte gleich im ersten Band seiner Zeitschrift prä 
historische Mitteilungen: der Historiker Christoph 
von Rommel berichtete über seine seit 20 Jahren 
versuchten Grabungen, deren wichtigste bei Wil 
lingshausen in der Schwalm stattgefunden hatte. 
Die Steine des Grabes, die wahrscheinlich zu einer 
Grabkiste in der Art der Züschener gehört haben, 
trugen seltsame, eingehauene Zeichen, die kein Ge 
ringerer als Wilhelm Grimm in seinem Aufsatz 
„Über deutsche Runen" (Göttingen 1821) beschrie 
ben hat. Den Aufsatz Rommels übertrifft an Sach 
kunde die andere Abhandlung, die von Dr. Josef 
Schneider, einem Arzt in Fulda, stammt. Er hatte 
einige Grabhügel bei Fulda gewissenhaft untersucht, 
seine Funde schon im ersten Band der „Buchonia" 
beschrieben und gibt hier noch einmal einen Überblick. 
Von nun an galt der Geschichtsverein als die 
staatlich anerkannte Sammelstelle, an die alle im 
Lande gemachten Funde abzuliefern waren, und in 
seinen periodischen Blättern erschienen Notizen 
über die wichtigsten Funde, z. B. das Grab von 
Vöhl und den schönen Bronze-Schmuck von Netra. 
Besonders hat der Wartberg bei Kirchberg durch 
seine Mengen an Scherben und Knochen, mehr 
noch durch die Romantik der „heidnischen Opfer 
stätte" die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich 
gezogen (vgl. Landau im 8. Band der Zeitschrift). 
Eine neue Epoche begann erst, als Eduard P i n - 
d e r im Jahre 1868 die Leitung des Museums Fri- 
dericianums übernahm. Nach klar formulierten, 
heute noch gültigen Grundsätzen erhob er sein Mu 
seum zur „Centralsammelstelle" aller prähistori 
schen Funde und überführte dorthin die Samm 
lungen des Hessischen Geschichtsvereins aus Kassel 
und Marburg. Mät Hilfe von Fragebogen, oie 
Rudolf Virchow gebilligt hatte, wurden die vorge 
schichtlichen Funde auf dem Lande festgestellt und 
in eine Fundkarte eingetragen. Schließlich wußte 
Pinder eö beim Preußischen Ministerium zu er 
reichen, daß ihm die Beobachtung prähistorischer 
Funde offiziell übertragen und für Ausgrabungen 
ein kleiner Fonds ausgesetzt wurde. Pinder hat 
dann selbst viele Grabungen unternommen, beson 
ders an Hügeln (z. B. bei Fritzlar jSteinzeitj und 
in der Gegend von Fulda jBronzezeitj) sowie an 
Urnenfeldern, z. B. bei Wehlheiden und Mar 
burg (Hallstattzeit). Die Funde hat er im Kas 
seler Museum vereinigt, sich aber von ihrer wissen 
schaftlichen Bearbeitung bewußt fern gehalten, da 
er der Ansicht war, daß ihr die gewiffenhafte Über 
lieferung des gesammelten Materials vorauszu 
gehen habe. Wie er diese Überlieferung verstand, 
zeigt sein ausgezeichneter „Bericht über die heid 
nischen Altertümer" von 1878, der als 6. Supple 
ment der Geschichtsvereins-Zeitschrift erschien und 
noch heute die Grundlage für die prähistorische Er 
forschung des Landes bildet. Er ist auch für unsere 
Darstellung ausgiebig benützt. 
Pinders Erbe übernahm Johannes B 0 e h l a u , 
der bald nach seinem Amtsantritt die Ausgrabung 
des heute noch wichtigsten vorgeschichtlichen Denk 
males durchführte: der Steinkiste von Züschen 
(1894); die von ihm und dem Baron Felix von 
Gilsa herausgegebene Publikation faßt zugleich die 
neolithischen Denkmäler Hessens zusammen. Eine 
Fülle weiterer Grabungen folgte, und durch die 
Ausgestaltung des alten Museum Fridericianum 
zum Hessischen Landesmuseum hat Boehlau auch 
der prähistorischen Forschung eine neue Stätte ge 
schaffen. 
Bei der Neu-Organisation der Forschung hatte 
Pinder Hanau und seine Umgebung abgetrennt, 
nicht nur wegen der weiten Entfernung von der Pro 
vinz-Hauptstadt, sondern vor allem deshalb, weil die 
Forschung im Mainfränkischen vor ganz anderen 
Aufgaben steht als im Chattenland. Hier gilt na 
türlich das Hauptinteresse dem Limes mit seinen 
beiden Linien, der älteren und jüngeren, und seinen 
Mainkastellen. Vor allem bestand hier schon seit 
1844 ein Geschichtöverein, der sich mit aller 
Energie der Bodenfunde annahm. Sein Heroen 
zeitalter waren die achtziger Jahre, als Männer 
wie Suchier, Duncker und vor allem Georg Wolfs 
wirkten, als die Kastelle von Marköbel und Rük- 
kingen, Mithraörelief und Mainbrücke von Groß- 
Krotzenburg entdeckt wurden. Noch heute hat Ha 
nau einen gewissen Vorsprung: nur dieses Gebiet 
besitzt eine genaue publizierte Fundkarte, da es in 
Wolffs Werk über die südliche Wetterau aufge 
nommen ist, und einen gedruckten Katalog seiner 
Sammlung, den von Ferdinand Kutsch. 
Während in Hanau die Reichslimes-Kommission 
die Arbeiten des Geschichtövereins fortführte, be 
ruhte in Fulda der Aufschwung der prähistori 
schen Studien auf der Arbeit eines Einzelnen, auf 
der Joseph Vonderaus. Er hat im Verein mit 
Boehlau die bereits von Schneider und Pinder be 
gonnene Aufdeckung der Grabhügel bei Ober- und 
Unterbimbach mit ihren merkwürdig üppigen Bronze 
beigaben fortgesetzt. Aber auch die anderen vor 
geschichtlichen Epochen im Fulderlande traten jetzt 
hervor, ich nenne nur die schnurkeramischen Gräber 
vom Schulzenberg, das Urnengräberfeld der Hall 
stattzeit vom Lanneshof bei Fulda und — besonders 
merkwürdig — Reste von Pfahlbauten im Fulda- 
Tal mit reichen Spuren der La Tène-Periode. 
Einen Pfahlbau im 2 Derra-Tal entdeckte 1911 
Heinrich Römheld in E s ch w e g e, der in den drei 
Jahren, die ihm noch für seine prähistorischen For-
	        

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