Full text: Hessenland (42.1931)

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Wilhelm Thielmann und Max Reger. 
Wilhelm Thielmann, der 1924 zu 
früh verstorbene Kunstmaler, besaß die besondere 
Begabung, den Schwälmer Volksschlag, so wie 
er leibt und lebt, mit dem Stift wiederzugeben. 
Neben dieser Kunst, Pinsel und Stift ernsthaft zu 
führen, verstand er sich ganz vorzüglich auf das 
Karikaturenzeichnen. In fröhlichen Gesellschaften 
und Familien fand er seine Opfer, die sich nachher 
über ihr eigenes Zerrbild vor Lachen kugeln mußten. 
In Kassel sind wohl am meisten bekannt geworden 
Thielmanns große Zerrbildsammlung der „Kasse 
ler Raabe-Gesellschaft" im „Wilden Wasser", die 
beiden der Murhardbibliothek einverleibten Kari 
katurenbücher der Gesellschaft „Pvunzel" sowie die 
„Schlaraffia"-Karikaturen, von denjenigen im 
Malerstübchen zu Willingshausen ganz zu schwei 
gen. Diese seltene Gabe hatte nun den Künstler 
auf den berühmten Tondichter und Orgelmeister 
M a x Reger hingelenkt, den er in dessen Glanz 
zeit kennen lernte und dann geradezu meisterhaft 
zu karikieren wußte. Reger hatte, wie aus einem 
in meinem Besitz befindlichen Briefe des großen 
Tonsetzers hervorgeht, sein erstes Konzert in Kassel 
im Frühjahr 1910 gegeben und war später häufi 
ger in Kassel anwesend, bei welcher Gelegenheit 
der Maler den Musiker aufsuchte. Bei seinem 
ersten Besuch ereignete sich folgendes: Als auf Ne 
gers „Herein" Thielmann das betreffende Zimmer 
des Gasthofes betrat, sprang der Tondichter wie 
besessen vom Stuhle auf, stürzte förmlich aus 
Thielmann zu mit den Worten: Donnerwetter, wo 
haben Sie diesen prächtigen Spazierstock her?" Es 
klärte sich dann auf, daß Reger ein eifriger Ver 
ehrer seltener und wertvoller Spazierfiöcke war, 
von denen er eine größere Sammlung besaß. Diese 
Vorliebe für Stöcke führte ihn bei jeder Anwesen 
heit in Kassel zu dem Elfenbeinschnitzer Heinrich 
Schröder, dem sogenannten „Schirm-Schröder" in 
der Hohenzollernstraße, den er auch häufiger durch 
Ankauf eines teueren Malacca-, Pfeffer-, Zucker 
oder BambusrohrftockeS aus einem Stück oder auch 
eines Stockes mit geschnitztem Elfenbein- oder NaS- 
horngriff glücklich gemacht hat. Thielmann und 
Reger wurden nun bald gute Freunde, und der 
Maler konnte den Musiker nach Herzenslust in 
Proben und Konzerten beobachten und zeichnen. 
So entstand dann eine Mappe mit ganz köst 
lichen Zerrbildern Negers, die im Jahre 191z im 
Verlage von N. G. Elwert in Marburg erschien, der 
liebenswürdigerweise die Wiedergabe des hier ab 
gebildeten Reger-Blattes gestattete. Bald erregte 
diese künstlerische Gabe in Deutschland und im 
Auslande Aufsehen und Begeisterung. Auf einer 
Postkarte vom ich April 1919 schrieb mir Thiel 
mann: „Die Regermappe mit 18 Karikaturenblät 
tern von mir erscheint in den nächsten Tagen. Ich 
Erinnerungen von Johann Lewalter, Kassel. 
denke, ich kann Dir eineS von den Freiexemplaren 
schicken. In Meiningen Hat die Mappe grosten 
Spektakel gemacht; die Prinzessin Marie Hat 
gleich 2 Exemplare bestellt." Reger hatte bekannt- 
lich seit 1911 als Hofrat, Hofkapellmeister und 
Generalmustkdirektor in Meiningen gewirkt, von 
wo er 1914 nach Iena zog. 
Da Reger viel für Humor übrig hatte, paßten 
die beiden Meister doppelt gut zusammen. Thiel 
mann konnte nämlich die allerlustigsten Vorträge 
halten und wurde aus diesem Grunde in allen Ge 
sellschaftskreisen gern gesehen und viel eingeladen. 
Er verstand das Krächzen eines Raben, das Ge 
schnatter eines Enterichs prächtig nachzuahmen, 
und „DaS Konrädchen", wonach der Maler all 
gemein „Konrädche" genannt wurde, „Die Frau 
Kommerzienrätin" und „Das Herborner Ständ 
chen", in vollkommen unverfälschter nassauischer 
Mundart wiedergegeben, waren unvergeßliche Lei 
stungen, die auch Max Reger allemal zu herzlich 
stem, lautestem Lachen reizten. Im Februar igi 4 
fanden unter Negers Leitung die „Marburger 
Musiktage" statt. Thielmann hatte eine wunder 
volle Plakatzeichnung entworfen, auf welcher Neger 
im Pelzmantel vor der Elisabethkirche dargestellt 
war. Zur selben Zeit hatte er auch ein Exlibris 
„Aus der Musikbücherei des Hauses Walther" ge 
zeichnet, das Neger an der Orgel sttzend darstellt;
	        

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