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Zufriedenheit und hört man vielerlei hier und da
munkeln."
„Am 14. September ging eine Deputa
tion bestehend aus den Herren Böhm, Nickel,
Toussaint und Walther nach Kassel mit einer
Bittschrift an S. K. Hoheit den Kurfürsten
Wilhelm II. um gänzliche Abstellung
der 8N auth."
„Am 24. September abends 8 Uhr kamen die
am 15. ds. Mts. nach Kassel gereisten Herren
Deputierten an; dieselben stiegen im Neustädter
Nathause aus dem Wagen und erschienen auf dem
Nathausbalkon. Sie wurden mit allgemeinen
Hurrarufen empfangen. Einer der Herrn Depu
tierten las von oben herab eine Rede, deren Inhalt
jedoch den Harrenden nicht genügte; es wurde näm
lich von einer Abschaffung der Manch kein Wort
erwähnt."
Ein anderer, seiner Person nach bekannter Ha
nauer Chronist Eller schreibt über die Unruhen
dieser Zeit: „Die Veranlassung dieser Unzufrie
denheit in unserem Lande gab eine Reise, welche
der Kurfürst im Monat Juni unternahm, um das
Karlsbad in Österreich zu gebrauchen, wodurch
aber das Land viele Kosten zu tragen hatte. Dazu
kamen noch die drückenden, nahrungslosen Zeiten
durch das Lizentwesen. Eine gehabte Unpäßlich
keit des Kurfürsten in diesem Bad, der längere
Aufenthalt desselben in dieser Gegend und was
dergleichen noch mehr war, regte das Land auf.
Dadurch wurde der Kurfürst bei seiner Rückreise
nach Kastei am 12. September in der Residenz
nicht mit großem Wohlgefallen empfangen. Man
hatte demselben vorgetragen, daß das
Land Land stände verlange, wozu der
selbe sich aber nicht geneigt finden wollte, wurde
aber durch Volkszählungen gleichsam dazu ge
zwungen, so daß unterm 20. September von Ha
nau und dem ganzen Fürstentum Abgeordnete nach
Kassel gereiset find. Die Deputationen waren
kaum in der Residenz angelangt, so verbreiteten
sich auch hier am 23. September die falschen Ge
rüchte in unserer Stadt, daß der Kurfürst für die
Provinz Hanau gar nichts wolle anerkennen.
Durch dieses erfolgten Unzufriedenheit und Ver
anlassungen zu Aufschriften an Gebäuden und
Mauern, nämlich: „weg mit der Manch!" —
„Stempelbogen weg" u. dergl. Endlich kam Frei
tag den 24. September abends 6^4 Uhr die Depu
tation wieder hierher zurück. Die Unzufriedenheit
der Menschen zeigte sich aber zu lebhaft auf den
Straßen durch Geschrei und Hin- und Herlaufen.
Der Magistrat versuchte alles, um Ruhe und
Ordnung zu erhalten und hat in dem Neuhanauer
Rathaussaal Proklamationen verlesen lassen we
gen der guten Aufnahme der Landesabgeordneten
zu Kassel. Jedoch es war vergebens."
Nach alledem wird man feststellen müssen, daß
es nicht die unruhigen Hanauer waren, die den
Kurfürsten zu seinem unerwarteten Verfassungs
versprechen vom 13. September veranlaßt hatten.
Man hat bisher das entgegenkommende Verhalten
Wilhelms II. nur dadurch erklären zu können ge
glaubt, daß man annahm, der Kurfürst habe durch
umfassende Zugeständnisse die öffentliche Meinung
so zu seinen Gunsten beeinflussen wollen, daß sie
ihren Widerstand gegen eine Rückkehr der Gräfin
Reichenbach aufgeben würde. Die wahre Auf
klärung gibt wohl ein kurz gefaßtes Handschreiben
der Gräfin Reichenbach vom 14. September 1830,
das sich in meinem Besitz befindet. — Es lautet:
„Gib eine Verfastung. Ich bin fest überzeugt ein
solcher Schritt würde augenblicklich die allgemeine
Zufriedenheit wieder herstellen und bewirken. Be
denke ja alles was Du thust und wende um Gottes
willen keine strenge Maßregel an."
Auf Wunsch habe ich den Brief dem Staats
archiv zur Abschriftnahme übersandt. Er ist dort
einer eingehenden Prüfung unterzogen und vom
Staatsarchivdirektor Dr. Knetsch und Archiv-
assistent Dr. Hörger in diesem Sommer für zwei
fellos echt erklärt worden. Seine Bedeutung und
Wichtigkeit für die zeitgenössischen Ereignisse liegt
auf der Hand. Zch gebe deshalb dieser Arbeit ein
Facsimile des Originals bei. Die Herkunft des
Stückes ist mir nicht bekannt, ich habe es im Anti
quariatshandel erworben. Es erweckt den An
schein, da der Brief mit 2 Bindestrichen ohne An
rede und mit klein geschriebenem Anfangöwort be
ginnt, daß das Blatt von einem vorhergehenden
abgetrennt worden ist. Dem Datum nach ist er
offenbar von Eisenach aus geschrieben. Der Zeit
punkt seiner Abfassung macht klar, daß er die erste
Anregung zum Verfassungsgedanken des Kur
fürsten abgegeben hat. Die Hanauer Verfassungs
wünsche sind, wenn sie überhaupt um diese Zeit
schon dem Kurfürsten gegenüber laut geworden
sind, erst später und nach dem am 13. September
bereits von Wilhelm II. in aller Öffentlichkeit
feierlich abgegebenen Verfafsungsversprechen kund
gegeben worden. Daß der Kurfürst unmittelbar
und sofort zu diesem von der Reichenbach geforder
ten Zugeständnis bereit war, beweist aufs Neue
die Stärke des Einflusses dieser Frau auch auf die
kurhessische Politik. Die herrschende Meinung
von der Gegnerschaft der Reichenbach gegen den
Verfassungsgedanken ist, wie auch Dr. Hörger an
nimmt, durch dieses geschichtliche Dokument ein
wandfrei widerlegt. Es kann nicht mehr für